Jenseitsvorstellungen in der Antike

In einem populärtheologischen Buch stehen folgende Behauptungen, die ich ziemlich erstaunlich finde:

„Im [antiken] griechisch-römischen Denken war die Seele bzw. der Geist gut, die materielle Welt dagegen schwach und verdorben. Alles Physische war vergänglich, und Erlösung [= der Tod] wurde als Befreiung aus dem Gefängnis des Körpers verstanden. […] Anders als die Griechen sahen sie [die Juden der Antike] zwar [sic] die physische Welt als etwas Gutes, und der Tod war nicht eine Befreiung aus dem Gefängnis des Leibes, sondern eine Katastrophe.“

Könnt Ihr diesen Aussagen zustimmen?

Die Wikipedia-Artikel „Leben nach dem Tod“, „Tod und Totenkult im antiken Griechenland“ und „Tod in der Antike“ habe ich gerade gelesen. Der erste Artikel scheint der Aussagen über die Todesvorstellungen im alten Judentum zuzustimmen. Der zweite Artikel besagt aber bezüglich der griechischen Antike das Gegenteil von dem obrigen Zitat.

Ich bin auf dem Gebiet kein Experte. Daher steuere ich nur ein paar Überlegungen bei:

Doch, ich habe solche Aussagen bereits an anderen Stellen gelesen. Dieses Denken über Seele und Materie ist von Platon beeinflusst. Platonismus und Neoplatonismus haben die christliche Theologie über lange Zeit intensiver beeinflusst als jüdisches Denken.

Auf Wikipedia ist vielleicht noch der Artikel „Seele“ interessant, der die Vorstellungen in den verschiedenen Epochen gut zusammenfasst.

Ich frage mich, ob deine Irritation mit dem Artikel „Tod und Totenkult im antiken Griechenland“ daher rührt, dass dieser Artikel sich auf das antike Griechenland bezieht, also auf die Zeit vor der Integration in das Römische Reich. Gleichzeitig nehme ich an, dass sich dein populärtheologisches Buch auf die Zeit der frühen Kirche bezieht. Die griechischen Vorstellungen zur Seele (und damit wohl auch zum Tod) hatten sich meines Wissens bis dahin jedoch verändert.

Ich lese gerade einige Apokryphen, darunter die Makkabäerbücher und in diesen habe ich nicht den Eindruck, dass die Juden Angst vor dem Sterben hätten.

Zugegebener Maßen ist die Argumentation für einen Marthyrertod (davon gibt es in den Makkabäerbüchern recht viele) nie, dass man dann ja ins Paradies komme, sondern immer, dass man es um der Ehre oder um der jüdischen Gesetze und Traditionen willen machen solle, aber dennoch klingt es eher wie folgt:

„Und fürwahr, was habe ich davon, wenn ich schon jetzt der Menschen Strafe also entflöhe, da ich doch Gottes Händen, ich sei lebendig oder tot, nicht entfliehen kann?“ (2. Makkabäer 6,26)

oder

„Du verruchter Mensch, du nimmst mir wohl das zeitliche Leben; aber der Herr der Welt wird uns, die wir um seines Gesetzes Willen sterben, auferwecken zu einem ewigen Leben“ (2. Makkabäer 7,9)

„Das ist ein großer Trost, dass wir hoffen, wenn uns die Menschen erwürgen, dass uns Gott wird wieder auferwecken“ (2. Makkabäer 7,14)

„Darum fürchte dich nicht vor diesem Henker, sondern stirb gern wie deine Brüder, daß dich der gnädige Gott samt deinen Brüdern wieder lebendig mache und mir wiedergebe“ (2. Makkabäer 7,29)

Man kann die Stellen durchaus auch so deuten, dass die Juden das Jenseitige fürchteten (die Zuversicht baut nur darauf, dass sie wiederbelebt werden, nicht darauf, dass man tot besser dran sei als lebendig).

Außerdem sind diese Schriften erst um 100 v.Chr. verfasst und es wird sogar an anderer Stelle noch vom Kampf gegen den griechischen Einfluss berichtet, aber er nimmt offenkundig erst in den jüngeren Makkabäerbüchern zu.

Im Alten Testament ließen sich bestimmt auch Dtellen finden, die Rückschlüsse über die Jenseitsvorstellungen zulassen (zur Wiedererweckung: Dan 12,2), falls dies besser dem Zeitraum entspricht, der dich interessiert…