...jetzt noch mal ohne Heisenberg

…da die Fragestellung unten zur Kausalität so allgemein war, dass die Antworten auf sehr verschiedene Aspekte der Frage antworteten.

Es gibt einen Teilaspekt der Frage, der mich sehr interessiert und unten für meine Begriffe noch nicht ausreichend erklärt wurde:
Wenn man mal von der naturwissenschaftlichen Seite des Problems absieht, sich, sagen wir mal, auf den Stand der Wissenschaft von 1900 begibt, gibt es dann eine schlüssige philosophische Widerlegung der Annahme, dass die Welt eine unendliche deterministische Kausalkete ist und zwar ohne Anfang (=war schon immer da)?
Ich habe immer mal wieder Widerlegungen dieses Gedankens gelesen (z.B. in Kants „Kritik der Urteilskraft“), die mich aber nicht vollständig überzeugt haben (vielleicht hatte ich sie nicht verstanden).
Mit ehrlicher Neugier
F.

Hallo Fredun!
Zu Deiner Frage fällt mir eigendlich nur der "Gödel"sche Unvollständikeitssatz ein.
Gödel meinte:smiley:ie wahrheit von Mathematischen Sätzen ist nicht an ihre Beweisbarkeit gekoppelt.In jeder mathematischen Theorie kann es also Sätze geben,die Wahr sind,auch wenn sie nicht bewiesen werden können.Das bedeutet,philosophisch gesehen,das es keine Grenzen der menschlichen Erkenntnis gibt.
Damit wird eigentlich jede Form von Kausalität über den Haufen geworfen.
Ich hoffe ich habe deine Frage nicht falsch verstanden.
Viele Grüße
Gerhard

Das Gesetz des Karma, wie es der Osten nennt. Dazu hier ein Link:

http://www.odinring.de/karma/karma.htm

gruß
rolf

Antinomie
Hallo,

Wenn man mal von der naturwissenschaftlichen Seite des
Problems absieht, sich, sagen wir mal, auf den Stand der
Wissenschaft von 1900 begibt, gibt es dann eine schlüssige
philosophische Widerlegung der Annahme, dass die Welt eine
unendliche deterministische Kausalkete ist und zwar ohne
Anfang (=war schon immer da)?
Ich habe immer mal wieder Widerlegungen dieses Gedankens
gelesen (z.B. in Kants „Kritik der Urteilskraft“), die mich
aber nicht vollständig überzeugt haben (vielleicht hatte ich
sie nicht verstanden).

Für Kant ist in der Kritik der reinen Vernunft das Problem nicht, ob man das eine oder das andere: zeitlicher Anfang oder Unendlichkeit, beweisen bzw. widerlegen könne, sondern er versucht zu zeigen, dass man beides durch Widerlegung des jeweiligen Gegenteils beweisen könne, und dies ist für ihn eine „Antinomie“, eine Gegengesetzlichkeit der Vernunft, durch die der menschliche Verstand in seiner Begrenzung unfähig ist, hier eine Entscheidung nach richtig oder falsch zu treffen:

http://12koerbe.de/phosphoros/antinom1.htm

Grüße
Oranier

Hallo Oranier,
vielen Dank erst mal für den Link, der für mich sehr aufschlussreich ist.
Eine Sache ist mir unklar. Da steht bei der Thesis:

„Denn, man nehme an, die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang:
so ist bis zu jedem gegebenen Zeitpunkte eine Ewigkeit abgelaufen,
und mithin eine unendliche Reihe aufeinander folgender Zustände der Dinge in der Welt verflossen.
Nun besteht aber eben darin die Unendlichkeit einer Reihe, daß sie durch sukzessive Synthesis niemals vollendet sein kann.
Also ist eine unendliche verflossene Weltreihe unmöglich, mithin ein Anfang der Welt eine notwendige Bedingung ihres Daseins; welches zuerst zu beweisen war.“

Was ich daran nicht verstehe:
Nur die Tatsache, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein (vorläufiges) Ende der Reihe erreicht ist, heißt doch nicht, dass sie nicht rückwärts gerichtet unendlich ist. Anders ausgedrückt: Die unendliche Reihe kann doch sehr wohl durch sukzessive Synthesis vollendet sein, wenn diese Synthesis unendlich ist. Und wenn sie immer war, ist sie unendlich, auch wenn sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ein (vorläufiges) Ende findet.
Oder?
lg
F.

Hallo Oranier,
vielen Dank erst mal für den Link, der für mich sehr
aufschlussreich ist.
Eine Sache ist mir unklar. Da steht bei der Thesis:

„Denn, man nehme an, die Welt habe der Zeit nach keinen
Anfang:
so ist bis zu jedem gegebenen Zeitpunkte eine Ewigkeit
abgelaufen,
und mithin eine unendliche Reihe aufeinander folgender
Zustände der Dinge in der Welt verflossen.
Nun besteht aber eben darin die Unendlichkeit einer Reihe, daß
sie durch sukzessive Synthesis niemals vollendet sein kann.
Also ist eine unendliche verflossene Weltreihe unmöglich,
mithin ein Anfang der Welt eine notwendige Bedingung ihres
Daseins; welches zuerst zu beweisen war.“

Was ich daran nicht verstehe:
Nur die Tatsache, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein
(vorläufiges) Ende der Reihe erreicht ist, heißt doch nicht,
dass sie nicht rückwärts gerichtet unendlich ist. Anders
ausgedrückt: Die unendliche Reihe kann doch sehr wohl durch
sukzessive Synthesis vollendet sein, wenn diese Synthesis
unendlich ist. Und wenn sie immer war, ist sie unendlich, auch
wenn sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ein (vorläufiges) Ende
findet.

Hallo Fredun,
du stellst mich vor eine herbe Herausforderung, ich bin leider auch nicht der intimste Kenner der Kr.d.r.V.

Trotzdem folgender Versuch nach meinem Verständnis, den andere ja ggf. präzisieren oder korrigieren können:

Kant versucht hier ja nicht tatsächlich zu beweisen, dass die Welt einen zeitlichen Beginn habe, sondern er will eigentlich beweisen, dass man das eben mit den Mitteln unseres begrenzten Verstandes nicht beweisen kann, genauso wenig, wie das Gegenteil.

Dazu operiert er mit einem von ihm so genannten „transzendentalen“ Begriff von Unendlichkeit, das bedeutet m.E.: Wie können wir Unendlichkeit (und Endlichkeit) nur denken, (nicht: vorstellen). Seine Antwort: Die „sukzessive Synthesis“ (aufeinanderfolgende Zusammensetzung) der gedachten Einheit kann in Durchmessung eines Quantum niemals vollendet sein. Bis zu einem gegebenen (gegenwärtigen) Zeitpunkt kann nicht eine Ewigkeit wirklicher aufeinanderfolgender Zustände verflossen sein. Anders ausgedrückt: Man müsste so das Unendliche als Endliches denken, und das ist unmöglich. Also kann die Aufeinanderfolge nur endlich sein und muss daher einen Beginn haben.

Das ist aber für Kant eben, wie gesagt, zwar ein in sich schlüssiger, aber trotzdem kein gültiger Beweis für einen zeitlichen Anfang der Welt, sondern „nur“ das Durchexerzieren eines bestimmten, metaphysischen, Beweisverfahrens, von einem Begriff der Unendlichkeit ausgehend, dem er kontradiktorisch den leichter verständlichen, in sich ebenso schlüssigen, Gegenbeweis mit der leeren Zeit gegenüberstellt.

Was Kant zusammenfassend mit dem Vorführen dieser „Antinomie“ zeigen will, ist ja gerade, dass unser Verstand zu begrenzt ist, die Endlichkeit oder Unendlichkeit aus reinen Vernunftbegriffen heraus zu beweisen, wie er es auch in entsprechender Weise mit der Frage der Existenz bzw. Nicht-Existenz Gottes vorführt.

Grüße
oranier

1 Like

Salut „Oranier“ (warum auch immer Du so heißt),
sorry erst einmal für die späte Antwort, ich hatte höllisch viel zu tun die letzten Tage.
Deine Antwort hilft mir tatsächlich sehr weiter, ich fürchte nur, ich muss mich durch die entsprechende Stelle in der KdrV noch mal durchackern, denn ich ahne zwar, was Kant da meint, habe es aber noch nicht wirklich 100%ig begriffen.
Viele Grüße
F.

Kant
Hallo Fredun,

Salut „Oranier“ (warum auch immer Du so heißt),

Das hat einen rein persönlichen Bezug. (Einen solchen gibt es auch noch zufällig zu den Niederlanden, keinesfalls jedoch zu militanten nordirischen Protestanten.)

Deine Antwort hilft mir tatsächlich sehr weiter, ich fürchte
nur, ich muss mich durch die entsprechende Stelle in der KdrV
noch mal durchackern, denn ich ahne zwar, was Kant da meint,
habe es aber noch nicht wirklich 100%ig begriffen.

Tröste dich, das geht mir und vielen anderen auch so.
Ich hatte ja gehofft, uns würden noch Experten zu Hilfe eilen.
So bleibt uns beiden denn, in Ermangelung von Kant-Päpsten, nur, die Schrift zu studieren. Viel Erfolg dabei!

Grüße
oranier

Hallo,

Tröste dich, das geht mir und vielen anderen auch so.
Ich hatte ja gehofft, uns würden noch Experten zu Hilfe eilen.
So bleibt uns beiden denn, in Ermangelung von Kant-Päpsten,
nur, die Schrift zu studieren. Viel Erfolg dabei!

Wo konkret liegt denn das Problem? Also bei der Antinomie, die Welt hat einen Anfang in der Zeit und ist räumlich begrenzt/die Welt ist sowohl in Ansehen der Zeit als auch des Raumes unendlich, sind sowohl Thesis als auch Antithesis falsch, weil sie voraussetzen, dass die Welt ein AN SICH existierendes Ganzes sei, was falsch ist. Auf die Welt als DING AN SICH können die Anschauungsformen Raum und Zeit nicht angewendet werden, nur auf die Welt als Inbegriff der Erscheinungen.
Das DING AN SICH kann nicht erkannt werden, weil alles was erkannt werden kann, vom erkennenden Subjekt mitgeformt ist.

Ein wenig Sekundärliteratur sei hier zu empfehlen:
Kulenkampf, Antinomie und Dialektik
Stegmüller, Das Wahrheitsproblem und die Idee der Semantik
Oder der hier von „Experten“ zu unrecht schon diskreditierte
G. Prauss, Kant und das Problem der Dinge an sich

Für die Ewigkeit kennen wir 2 Definitionen.

  1. Eine unendlich lange Zeitdauer, die sich in Vergangenheit und Zukunft erstreckt. Die infinite Ewigkeit, oder Unendlichkeit.
  2. Zeitlosigkeit. Die Ewigkeit in diesem Sinne wird jenseits von Zeit verstanden, sie untersteht nicht diesen Bedingungnen, sie geht den zeitlichen Ereignissen weder voraus noch folgt sie ihnen oder begleitet sie. Diese Ewigkeit bezeichnet also keine unendlich lange Zeitdauer, sondern Nichtzeitlichkeit.
    Wenn du dir diese Definitionen verinnerlichst, wird dir Kants Aussage vielleicht ein wenig klarer?
    Ein Kant-Papst bin ich allerdings auch nicht, mir stehen andere P. näher. Wieso die Experten nicht (mehr) antworten, ist eine andere Frage…

Gruß
HC

Hi,
vielen Dank erst mal für die Erklärung.

Wo konkret liegt denn das Problem? Also bei der Antinomie, die
Welt hat einen Anfang in der Zeit und ist räumlich
begrenzt/die Welt ist sowohl in Ansehen der Zeit als auch des
Raumes unendlich, sind sowohl Thesis als auch Antithesis
falsch, weil sie voraussetzen, dass die Welt ein AN SICH
existierendes Ganzes sei, was falsch ist. Auf die Welt als
DING AN SICH können die Anschauungsformen Raum und Zeit nicht
angewendet werden, nur auf die Welt als Inbegriff der
Erscheinungen.
Das DING AN SICH kann nicht erkannt werden, weil alles was
erkannt werden kann, vom erkennenden Subjekt mitgeformt ist.

Ich glaube, vestanden zu haben, warum Kant in der Einführung in die KdrV sagt, dass die Welt als Ding an sich nicht erkannt werden kann.
Aber wieso ist dieses an-sich-existieren - wie Du schreibst - eine Voraussetzung für die Thesis, dass die Welt sowohl in Ansehen der Zeit als auch des Raumes unendlich ist?
Jede Aussage, die wir über die Welt treffen, ist begrenzt durch unser Wahrnehmungs-/Denkvermögen, insofern jede Erklärung der Welt ein Spiegel der Möglichkeiten unseres Denkens. aber wieso gerade die Unendlichkeit der Welt dabei ein Problem darstellt, habe ich noch nicht wirklich verstanden.

Für die Ewigkeit kennen wir 2 Definitionen.

  1. Eine unendlich lange Zeitdauer, die sich in Vergangenheit
    und Zukunft erstreckt. Die infinite Ewigkeit, oder
    Unendlichkeit.

Von der spreche ich…

  1. Zeitlosigkeit. Die Ewigkeit in diesem Sinne wird jenseits
    von Zeit verstanden, sie untersteht nicht diesen Bedingungnen,
    sie geht den zeitlichen Ereignissen weder voraus noch folgt
    sie ihnen oder begleitet sie. Diese Ewigkeit bezeichnet also
    keine unendlich lange Zeitdauer, sondern Nichtzeitlichkeit.

von der nicht.
lg
F.

Hi,

Aber wieso ist dieses an-sich-existieren - wie Du schreibst -
eine Voraussetzung für die Thesis, dass die Welt sowohl in
Ansehen der Zeit als auch des Raumes unendlich ist?

Eine Unendlichkeit der Zeit, könnte auch unabhänig von der
Endlichkeit des Raumes existieren. Wenn du beweist, dass es eine unendliche Zeit gibt, beweist du damit nicht automatisch,
dass auch der Raum unendlich ist. Du gehst auch nicht davon aus,
dass vor deiner Existenz bzw. danach nichts mehr existiert einfach gesagt. Die ersten beiden Antinomien sind lediglich falsch, die dritte und vierte, „Es gibt Willensfreiheit. - Alles geschieht nach Gesetzen der Natur.“ Und „Es gibt schlechthin notwendiges Wesen. - Es existiert kein schlechthin notwendiges Wesen“, allerdings können alle beide wahr sein.

Für die Ewigkeit kennen wir 2 Definitionen.

  1. Eine unendlich lange Zeitdauer, die sich in Vergangenheit
    und Zukunft erstreckt. Die infinite Ewigkeit, oder
    Unendlichkeit.

Von der spreche ich…

Dann versuche einmal die Zeit in einer Linie darzustellen. Dazu
mußt du aber ersteinmal zurück zu einem Anfang, den wiederum
findest du nicht, weil du in die Ewigkeit mußt. Da du aber
ganz konkret im hier und jetzt bist, ist dies ein Anfang, folglich
kann es keine unendliche Zeit geben.
Die Ausführungen Kants sind natürlich trotzdem hochinteressant.
Kant ist von der Erkenntnis, dass man das Ding an sich nicht erkennen
kann ja auch nicht schon immer ausgegangen. Das war ein Denkprozess
über viele Jahre hinweg. Ursprünglich glaubte er noch das Gegenteil.
Und andere Philosophen wie z.B. Hegel haben hierin versucht Kant zu
überwinden.

Gruß
HC