John Rawls Gerechtigkeitstheorie

Vielleicht kann mir jemand dabei helfen, John Rawl zu verstehen.
Soweit bin ich gekommen. John Rawl hat versucht, herauszufinden, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen würde.
Daraufhin ist er darauf gekommen, dass Menschen in einem gewissen Urzustand, in dem keiner privilegiert ist, gleiche Grundrechte und -pflichten bestimmen würden. Allerdings sagt er dann: „Zum anderen den Grundsatz, dass soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten […] nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht, dass einige weniger haben, damit es anderen besser geht. Es ist aber nichts Ungerechtes an den größeren Vorteilen weniger, falls es dadurch auch den nicht so Begünstigten besser geht.“
Und da hört mein Verständnis auf :smiley: Vielleicht kann mir jemand erklären, was er mit den letzten Sätzen meint, besonders mit „Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht, dass einige weniger haben, damit es anderen besser geht.“
Vielleicht kann jemand mein verwirrtes Gedankennetz entwirren!

Hallo,

Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht, dass einige
weniger haben, damit es anderen besser geht. Es ist aber
nichts Ungerechtes an den größeren Vorteilen weniger, falls es
dadurch auch den nicht so Begünstigten besser geht."
Und da hört mein Verständnis auf :smiley: Vielleicht kann mir jemand
erklären, was er mit den letzten Sätzen meint, besonders mit
„Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht, dass einige
weniger haben, damit es anderen besser geht.“
Vielleicht kann jemand mein verwirrtes Gedankennetz entwirren!

es ist immer spekulativ Aussagen darüber zu machen, was irgend
jemand gemeint haben könnte in einer Aussage wenn diese Aussage
nicht von vornherein klar oder gar strittig ist.
Und - ist es überhaupt von Bedeutung was er damit meint !!
Wichtig ist doch nur ob DU diese Aussage wie sie gegeben ist
akzeptierst oder nicht.
Hier offensichtlich nicht.
Dies wäre ein Ansatzpunkt um über den Inhalt der Aussage zu
diskutieren, wie Du sie bewertest,nicht über ein anders Verständnis
von John Rawl(wie auch immer).
Vielleicht sind diese „Ungerechtigkeiten“ keine als solche, sondern
nur „Ungleichheiten“ welche nicht gewollt so zugewiesen werden
sondern sich aus der Aufgaben oder der „Leistung“ des Begünstigten
ergeben und so eigentlich gerecht sind.
Gruß VIKTOR

Lieber abcd
Du klärst uns über John Rawls auf:

Daraufhin ist er darauf gekommen, dass Menschen in einem
gewissen Urzustand, in dem keiner privilegiert ist, gleiche
Grundrechte und -pflichten bestimmen würden. Allerdings sagt
er dann: „Zum anderen den Grundsatz, dass soziale und
wirtschaftliche Ungleichheiten […] nur dann gerecht sind,
wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben,
insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft.
Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht, dass einige
weniger haben, damit es anderen besser geht. Es ist aber
nichts Ungerechtes an den größeren Vorteilen weniger, falls es
dadurch auch den nicht so Begünstigten besser geht.“
Und da hört mein Verständnis auf :smiley: Vielleicht kann mir jemand
erklären, was er mit den letzten Sätzen meint, besonders mit
Vielleicht kann jemand mein verwirrtes Gedankennetz entwirren!

Hmm…
Vielleicht helfen dir diese Links weiter:

http://www.zum.de/Faecher/Eth/SA/stoff12/rawls.htm

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=John_Rawls…

Vielleicht meinte Rawls mit seiner Aussage folgendes:

"Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht,

Meinte er damit einen Zustand, der hinzunehmen sei, da er auch als „kleine“ Ungerechtigkeit eine größere Gerechtigkeit sozusagen im Schlepptau herstellt?
Aber so richtig schlau wird man nicht draus.

Viele Grüße
Voltaire

Lieber ACAB!

Vielleicht kann mir jemand dabei helfen, John Rawl s zu
verstehen.

Weiter unten wurde schon gesagt, dass bei erklärungsbedüftigen Zitaten doch bitteschön der Kontext mitgeliefert werden sollte …
Vermutlich stammt es aus Rawls’ „Theorie der Gerechtigkeit“, dann gib doch einfach die Seitenzahl an.

Vielleicht kann mir jemand
erklären, was er mit den letzten Sätzen meint, besonders mit
„Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht, dass einige
weniger haben, damit es anderen besser geht.“
Vielleicht kann jemand mein verwirrtes Gedankennetz entwirren!

Man muss wissen, dass Rawls sich in der uralten ethischen Debatte Utilitarimus vs. Kantianismus bzw. konsequentialistische Ethik vs. deontologische Ethik gegen den Utilitarismus wendet und selbst eine von ihm revidierte Kantianische Perspektive vorschlägt.

Dann muss man wissen, dass „Zweckmäßigkeit“ ein wichtiger Begriff des Utilitarismus ist.
Und dass „Zweckmäßigkeit“ auf die „empirische Welt“ verweist: Kosten-Nutzen-Kalküle, während „Gerechtigkeit“ über diese empirische Welt der Kalküle hinausreicht.

Insofern interpretiere ich diese Textstelle mangels Kontextwissens als Ausdruck von Rawls’ Grundprogramm, indem er u.a. zeigen will, dass man bei einer utilitaristischen Ethik nicht stehen bleiben kann, weil „Gerechtigkeit“ nicht auf Nutzen bzw. Zweckmäßigkeit reduziert werden darf.

„Es ist vielleicht zweckmäßig, aber nicht gerecht, dass einige
weniger haben, damit es anderen besser geht.“

Das utilitaristische Programm ist die Maximierung des Gesamtnutzens (den Kuchen so groß wie möglich machen), über Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen schweigt sich der moderne Utilitarismus dabei aus, weil diese Dinge empirisch nicht greifbar wären.

Insofern ist eine bestimmte Ungleichverteilung eben „zweckmäßig“, weil es den Gesamtnutzen maximiert.

Aber sie ist nicht „gerecht“, wendet Rawls nun ein.

Wir kennen das alles ja aus den ökonomischen Diskussionen zur Genüge.

Rawls’ Clou ist nun der:
Er weiß, dass man eine Ungleichheitsverteilung, die den Gesamtnutzen maximiert, just damit rechtfertigen kann.
Und diejenigen, die verteilungstechnisch gut gestellt sind, führen dies auch an.
Diejenigen, die verteilungstechnisch schlecht gestellt sind, führen dagegen so etwas wie „Gleichheit“ unter blinder Inkaufnahme des weniger großen Kuchens an, oder sie stimmen der Logik der Gesamtnutzenmaximierung zu, und fügen sich in ihr Schicksal usw.

Lösung: der Schleier des Nichtwissens.
Rawls sagt, man müsse diese Diskussion der Verteilung so führen als wüsste man nicht, auf welcher Seite man steht.
Also soll man die Verteilungsfrage so lösen, dass einerseits größtmöglicher Gesamtnutzen herauskommt, andererseits dies bei einer solchen Verteilungslage geschieht, die auch für die schwächste Position noch annehmbar ist.

Eigenes Beispiel zur Verdeutlichung:
Robinson, Crusoe, Freitag und Donald Duck stranden auf einer einsamen Insel und beraten darüber, welche wirtschaftlichen Parameter sie setzen soll, damit es ihnen gut geht.

Sie beschließen, man solle für sie, die sie vier Leute sind, die vier Lose A,B,C und D bereitstellen, dann etwa die Position A zum Unternehmer, B zum Manager, C zum Arbeiter und D zum Fußbodenkosmetiker machen.
Sie wissen, A muss mehr verdienen als B, dieser mehr als C usw, damit Aufstiegsanreize gegeben sind, Machtgefälle entstehen, damit man C und D richtig ausbeuten kann usw.
Alles im Dienste der Vergrößerung des Gesamtnutzens, also des Kuchens.

Weil sie aber nichtwissen, wer dann welches Los zieht, sind sie bestrebt, auch C und D verteilungstechnisch so auszustatten, dass auch denen noch ein gutes Leben möglich ist.

Jeder von den vieren wird dies so wollen, denn es könnte das Los ja mich treffen …

==> Wo der Utilitarismus also nur die Maximierung des Gesamtnutzens ins Auge fassen kann (bzw. das Pareto-Optimum), ist eine Verteilungs- und Gerechtigkeits-Diskussionen bei Rawls eine Minimax-Frage geworden:
Maximierung des Gesamtnutzens bei gleichzeitiger Minimierung des individuellen Risikos, beim Los-Ziehen richtig schlecht weg zu kommen, also Minimierung von „schlechter Verteilungslage“.

Ich habe Rawls’ Programm hier etwas zu stark vereinfacht und zu stark auf direkt ökonomische Fragestellungen zugeschnitten.
Das hat den Vorteil, dass meine Erklärung gut verständlich sein dürfte, hat aber den Nachteil, dass es ausblendet, dass Rawls’ Theorie keine bloß ökonomische ist, sondern eine ethische, dass also bei Gerechtigkeit und Verteilung nicht nur Güter gemeint sind, sondern auch Pflichten, Rücksichten, Tugenden usw.

Außerdem konzipiert er den „Schleier des Nichtwissens“ weit komplexer, wie du schon sagtest, als eine Art „immerwährender Urzustand“, nicht wie ich als Robinsonade mit Lose-Ziehen. Auch das diente der leichteren Verständlichkeit.

Aber ich denke jedenfalls, dass die Konfrontation des Empirischen und des Transzendentalen (Schleier des Nichtwissens) der ganze Clou bei Rawls ist.
Man muss Gerechtigkeitsfragen so diskutieren als ob man dabei von jeder Position, über die man diskutiert, betroffen sein könnte. Man diskutiert dann notwendig nicht als der konkrete empirische Mensch, der man ist, sondern als DER MENSCH, oder als ALLE MENSCHEN.

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Gerecht ist auf Erden vielleicht nicht immer nur jene Sache, welche mehr Arme hat und bessere Gewehre.
(John Emil Americain)_

Vielen Dank erstmal für die ausführliche Antwort. Ich muss sagen, dass mir der Utilitarismus kein Stück bekannt war und es auch - trotz Bemühungen um eine einfache Erklärung- schwierig war, das Geschriebene nachzuvollziehen. Doch ich glaube, es nun besser verstanden zu haben. Da ist nur eine Sache, die immer noch eine Frage in mir aufwirft:

Insofern ist eine bestimmte Ungleichverteilung eben
„zweckmäßig“, weil es den Gesamtnutzen maximiert.

Und zwar bin ich mir nicht sicher, ob ich diesen Teil richtig verstanden habe. Warum dient es dem Gesamtnutzen, wenn etwas ungleich verteilt ist? Ich kann mir das höchstens so erklären, dass auch weniger anspruchsvolle Aufgaben von Menschen mit geringerer Intelligenz/Körperkraft verrichtet werden und dadurch alle profitieren, da sie diese Aufgaben nicht mehr verrichten müssen. Das würde dann den Gesamtnutzen steigern, es wäre allerdings nicht gerecht. Habe ich das so richtig verstanden? Oder ist etwas völlig anderes gemeint?

Im Übrigen tut es mir Leid, keine richtigen Quellen angegeben zu haben, es ist nur so, dass ich hier relativ neu bin und deshalb den Regeln noch nicht so vertraut. In Zukunft werde ich diesen Fehler vermeiden! (Jetzige Quelle: Eine Theorie der Gerechtigkeit, Suhrkamp, Frankfurt 1975, S.28f.)

Lieber ABCD!

Im Übrigen tut es mir Leid, keine richtigen Quellen angegeben
zu haben, es ist nur so, dass ich hier relativ neu bin und
deshalb den Regeln noch nicht so vertraut. In Zukunft werde
ich diesen Fehler vermeiden! (Jetzige Quelle: Eine Theorie der
Gerechtigkeit, Suhrkamp, Frankfurt 1975, S.28f.)

Kein Problem, es ist keine spezielle Regel hier, aber es verbessert natürlich die Antworten, wenn man solche Textstellen nachlesen kann.

Ich habe die „Theorie der Gerechtigkeit“ neben mir liegen, leider vermutlich eine andere Ausgabe (stw), weshalb ich die Passage nicht finde. Egal jetzt.

Da ist nur eine
Sache, die immer noch eine Frage in mir aufwirft:

Insofern ist eine bestimmte Ungleichverteilung eben
„zweckmäßig“, weil es den Gesamtnutzen maximiert.

Und zwar bin ich mir nicht sicher, ob ich diesen Teil richtig
verstanden habe. Warum dient es dem Gesamtnutzen, wenn etwas
ungleich verteilt ist? Ich kann mir das höchstens so erklären,
dass auch weniger anspruchsvolle Aufgaben von Menschen mit
geringerer Intelligenz/Körperkraft verrichtet werden und
dadurch alle profitieren, da sie diese Aufgaben nicht mehr
verrichten müssen.

Genau, u.a. ist es so gemeint.
Man könnte hierzu auch noch das „Motivationsproblem“ nennen, das im Systemvergleich von Kapitalismus und Sozialismus immer angeführt wird, dass die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg zur Arbeit anreizen würde usw.
Im Gesamten kommt damit der größere Kuchen zustande, als wenn alle Menschen in etwa gleich viel hätten und alle zufrieden wären, solala über die Runden zu kommen.

Das würde dann den Gesamtnutzen steigern,
es wäre allerdings nicht gerecht.

Rawls meint es ein bißchen anders, das habe ich aber nicht ausgeführt.
Es geht ihm darum, die Frage der Gerechtigkeit nicht auf die Frage der „Zweckmäßigkeit“ zu reduzieren.

Rawls hat logischerweise keine feste Definition dessen, was „gerecht“ ist (kann man nicht haben, weil jeder etwas anderes für gerecht hält, darum lässt auch der Utilitarismus diese Frage einfach weg), sondern es geht ihm darum, dass er eine „faire Diskussion“ (dazu gleich!) darüber fordert, was Gerechtigkeit ist. Seine Theorie ist so gesehen eigentlich eine Fairness-Theorie, keine Gerechtigkeitstheorie.

Und diese „faire Diskussion“ kann nur unter dem „Schleier des Nichtwissens“ geführt werden, weil -vereinfacht gesagt- nur so die Egoismen und glücklichen Zufälle der Diskutanten wegfallen.

Ich zitiere mal zur Vertiefung auf der angesprochenen S. 28 meiner Ausgabe (suhrkamp, stw, 1979) für alle Leser hier, die das Buch nicht zur Verfügung haben, sich aber interessieren:

„Die Grundsätze der Gerechtigkeit werden hinter einem Schleier des Nichtwissens festgelegt. Dies gewährleistet, dass dabei niemand durch die Zufälligkeiten der Natur oder der gesellschaftlichen Umstände bevorzugt oder benachteiligt wird. Da sich alle in der gleichen Lage befinden und niemand Grundsätze ausdenken kann, die ihn aufgrund seiner besonderen Verhältnisse bevorzugen, sind die Grundsätze der Gerechtigkeit das Ergebnis einer fairen Übereinkunft oder Verhandlung“

Als „unfair“ zu betrachten sind also Festlegungen wie z.B.:

  • gerecht ist, was der Arbeitsmarkt an Verteilung hervorbringt
  • gerecht ist, dass der weißen Rasse das meiste zusteht
  • gerecht ist, wenn der körperlich Starke weiter kommt als der körperlich Schwache
  • gerecht ist, dass Europäer und Amerikaner den Planeten mehr verschmutzen dürfen als Drittweltländer
    usw.

Rawls würde sagen: In einer fairen Diskussionen hätte diesen Gerechtigkeitsvorstellungen niemand zugestimmt, weder die jetzt davon benachteiligten noch die Begünstigten, weil beide Gruppen unter dem „Schleier des Nichtwissens“ nicht gewusst hätten, ob sie nicht zu den Benachteiligten zählen würden, so dass sich alle auf „bessere“ Gerechtigkeitsvorstellungen geeinigt hätte im Sinne des von mir schon genannten Minimax-Prinzips.

Rawls Theorie der Gerechtigkeit gibt also so gesehen keine Definition von Gerechtigkeit vor, sondern ist eine permanente Kritik an bestehenden Gerechtigkeitsvorstellungen. Alles wird am „Urzustand“ gemessen, also dieser idealen Vorstellung einer fairen Verhandlungssituation unter dem Schleier des Nichtwissens.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

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Chapeau!
Wie so oft ziehe ich meinen Hut vor dieser Erklärung, Candide.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Branden