Joseph Beuys

Hallo Kunstkenner!

Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit dem Werk von Joseph Beuys.
Aber irgendwie steige ich nicht so ganz dahinter, was der gute Mann nun wirklich mit seiner Kunst erreichen, bzw. aussagen wollte… Ist ja auch nicht ganz einfach bei Beuys. Wollte er nun den Menschen in seinem Denkprozeß an sich weiterbringen? Oder „die veroren gegangene Einheit von Natur und Geist sowie Kosmos und Intellekt“ wiederherstellen? Oder von allem ein wenig? Und wie sind Werke wie „Blitzschlag mit Lichtstrahl auf Hirsch“ zu interpretieren? Darf man sie überhaupt interpretieren?
Ihr seht, Fragen über Fragen - würd mich freuen einige Antworten zu bekommen.

Bernhard

Hallo,
bin kein ausgewiesener Kunstkenner, aber regelmäßiger Museumsgänger. Ich wohne in Kassel, wo Beuys ja mehrfach auf der documenta vertreten war und wo einige seiner bedeutenden Werke zu finden sind, von daher habe ich mich ein wenig mit ihm und seinem Werk befaßt.
Er kommt ja aus der „Fluxus“-Bewegung, einer fast dadaistischen Kunstform, in der Elemente aus Musik, Theater, Film, Kunst, Literatur und elektronischen Medien nicht nur gleichberechtigt genutzt, sondern zu einer neuen, übergreifenden Kunstform entwickelt wurden. Die Grenzen zwischen den Künsten sowie zwischen den Künstlern und dem Publikum sollte aufgehoben werden. Die Künstler stellten sich nicht in Werken, sondern nur in Aufführungen, Protesten und Ideen dar. Die Bewegung wollte auch sozial wirken. Das Kunstobjekt als funktionsloser Gegenstand, welcher nur verkauft werden soll, wurde strikt abgelehnt. Die oftmals anarchistischen Aktionen mündeten in dem utopischen Traum, die Kunst zu entkommerzialisieren und sie vor allem auch zu entprofessionalisieren. Die „life performance“ sollte im Mittelpunkt stehen, der Zufall sollte regieren, ein Drehbuch für die Aktionen gab es nicht und es regierte das Experiment.
Ich denke, die „Herkunft“ Beuys´ aus der Fluxus-Bewegung erklärt schon einiges von dem, was er mit seinem Werk „wollte“.

Zu einem gewissen Grad erklären sich zumindest Teile seines Werks auch aus seiner Biographie und der Verarbeitung des Erlebten in seiner Kunst: Beuys wurde als Soldat im 2. Weltkrieg mit einem Flugzeug abgeschossen und mußte sich im Winter durch Rußland schlagen (oder so ähnlich) - jedenfalls war er allein und es war lausig kalt und war am Verhungern. Uniformteile und eine Decke, die er mitgenommen hatte und die sein einziger Wärmegeber war, waren wohl aus Filz, und essenstechnisch war er immer heilfroh, wenn er etwas möglichst Fettes fand, da dies die meiste Energie und Sättigung brachte. Filz und Fett waren also die Wärme-, Wohlgefühl- und Geborgenheitsgeber in dieser lebensbedrohlichen Situation, woraus sich der vielfache Einsatz dieser Materialien in seinem Werk erklärt.

Eine ganz konkrete (ökologische und stadtplanerische) Auswirkung seines Schaffens kann man im gesamten Stadtbild Kassels erleben: Zur documeta 7 (1982) häufte er auf dem Friedrichsplatz 7000 Basaltstelen auf. Jeder konnte für (ich glaube) 500 DM eine Stele mit dazugehöriger Eiche kaufen und in der Stadt pflanzen - mit der Stele daneben. Die Aktion hieß „7000 Eichen - Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. Die 7000 Eichen mit Stelen daneben gehören inziwschen zum Stadtbild Kassels, ganze Alleen wurden so geschaffen und haben - meiner Ansicht nach - Kassel ein ganzes Stück schöner gemacht. Daß eine so konkrete, reale und positive Wirkung aus einem fast sinnlosen Wortspiel entsteht, wenn man es einfach umsetzt, finde ich faszinierend - und das ist bestimmt auch etwas, was Beuys mit seinem Werk wollte.

Grüße, Thomas