Jungfrauenschaft beweinen

Hab vor kurzem im Alten Testament gelesen:

Bei Richter 11 kommt z. B. der Ausdruck „Jungfrauschaft beweinen“ vor.
Was bedeutet das eigentlich genau?

Und was bedeutet z.B. „zerreißt seine Kleider“, ist das ein zeremonieller Ausdruck von Wut?

Ich meine, war es früher so üblich, dass wenn die Leute wütend waren, dass sie sich dann die Kleider zerrissen?

Mit manchen Formulierungen im AT komme ich nicht klar.

Tommi

Bei Richter 11 kommt z. B. der Ausdruck „Jungfrauschaft
beweinen“ vor.
Was bedeutet das eigentlich genau?

Dass Jiftachs Tochter ihren jungfräulichen Stand beweinte, und der wird dann beweint, wenn man ihm unfreiwillig ausgeliefert ist, denn sie konnte nicht mehr heiraten bis zu dem Tag, an dem sie getötet wurde.

Die Stelle Ri 11 ist äusserst seltsam. Es handelt sich um das einzige Menschenopfer in der Heiligen Schrift, das nicht als abscheulich oder grausam gekennzeichnet ist; die Stelle ist sowohl für die Debatte um Moralvorstellungen als auch für die geschichtlichen und exegetischen Debatten von grösstem Belang, es wird ihr nach meinem Dafürhalten auch in Wissenschaftskreisen oft nicht die Beachtung geschenkt, die sie verdient.

Und was bedeutet z.B. „zerreißt seine Kleider“, ist das ein
zeremonieller Ausdruck von Wut?

Meist von Trauer, Niedergeschlagenheit und innerer Zerrissenheit. Wer seine Identität als zerrissen betrachtet, der zerreist seine Kleider seit alters her. Es kann auch mal Wut bedeuten.

Ich meine, war es früher so üblich, dass wenn die Leute wütend
waren, dass sie sich dann die Kleider zerrissen?

Ja; das ist übrigens auch im NT von Belang (Passion, Mt 26,65: „Da zerriss der Oberste Priester sein Gewand“).

Mit manchen Formulierungen im AT komme ich nicht klar.

Welche Übersetzung benützt Du? Aber ungeachtet der Übersetzung ist klar, dass erzählte Geschehnisse immer sprachlich und kulturell an zeitliche Ereignisse, Begebenheiten und Moden gebunden sind, auch in der Bibel.

Tommi

Gruss
Mike

Dass Jiftachs Tochter ihren jungfräulichen Stand beweinte, und
der wird dann beweint, wenn man ihm unfreiwillig ausgeliefert
ist, denn sie konnte nicht mehr heiraten bis zu dem Tag, an
dem sie getötet wurde.

Vielen Dank für die Antwort. Also muß man sich das vorstellen:

Sie ist einfach so in die Berge gegangen und hat 2 Monate lang darüber geweint, weil sie jetzt nicht mehr die Gelegenheit hatte zu heiraten.
Ich finde das alles bischen merkwürdig. Oder wollte sie einfach noch so über ihr Leben nachdenken, wahrscheinlich ist das gemeint.

Ach ja, und was ist mit „Brandopfer“ gemeint. Wenn der Vater seine Tochter als Brandopfer gibt, bedeutet das, dass sie dann bei lebendigem Leibe verbrannt wurde oder wie muß man sich das vorstellen.
Es wird nie was genaues dazu gesagt. Es ist alles so grausam.

BS"D

Hallo Tommi.

Bei Richter 11 kommt z. B. der Ausdruck „Jungfrauschaft
beweinen“ vor.
Was bedeutet das eigentlich genau?

Das sie unverheirtatet sterben wird.

Und was bedeutet z.B. „zerreißt seine Kleider“, ist das ein
zeremonieller Ausdruck von Wut?

Nein, wenn jemand vom Tod eines nahen Angehörigen hört, dann reisst er das Oberkleid ein. Dieses ist auch heute noch im Judentum ein Ausdruck von Trauer und genau so ist diese Stelle hier zu verstehen, denn durch sein Gelübte wusste Jiftoch, dass seine Tochter des Todes ist.

Gruss,
Eli

BS"D

Hallo Tommi.

Ich finde das alles bischen merkwürdig. Oder wollte sie
einfach noch so über ihr Leben nachdenken, wahrscheinlich ist
das gemeint.

Nein, das ist hier nicht gemeint, sondern es geht wirklich um die Ehelosigkeit, darum ein unerülltes Leben gehabt zu haben.

Ach ja, und was ist mit „Brandopfer“ gemeint. Wenn der Vater
seine Tochter als Brandopfer gibt, bedeutet das, dass sie dann
bei lebendigem Leibe verbrannt wurde oder wie muß man sich das
vorstellen.

Nein, es kommt erst einmal darauf an, wo genau das geschrieben steht. In Richter ist hier von einem Ganzopfer die Rede, was auf die Art anspielt, wie G’tt wieder etwas in seinen Besitz bekommt. So verhält es sich auch an vielen anderen Stellen im Tanach, dass dadurch ein Vergleich hergestellt wird, in welchen Kontext etwas gesehen wird.

Es wird nie was genaues dazu gesagt. Es ist alles so grausam.

Dazu muss auch nichts genaues gesagt werden, da es sich hierbei ja um jüdische Überlieferungen handelt und in diesem Kontext sind diese Punkte alle klar verständlich.

Gruss,
Eli

Vielen Dank für die Antwort. Also muß man sich das vorstellen:

Man muss nicht, sondern man könnte. Das Problem wird erklärbar, bleibt aber bestehen.

Sie ist einfach so in die Berge gegangen und hat 2 Monate lang
darüber geweint, weil sie jetzt nicht mehr die Gelegenheit
hatte zu heiraten.

Darüber, dass sie so jung sterben sollte, und dazu gehörte dann auch, dass sie nie Mutter und Hausfrau werden würde, worin sie offensichtlich ihre Aufgabe erblickt hätte, da sie so erzogen war.

Der Ergänzung halber sei hier vermerkt, dass es auch eine andere Auslegung dieser Bibelstelle gibt, welche sie ein wenig entschärfen kann. Man könnte annehmen, Jiftach habe das getan, was Israeliten auch mit der menschlichen Erstgeburt taten, wenn sie sie dem Herrn weihten. Sie hatten sie dem Herrn zu übereignen, töteten sie aber nicht, sondern opferten an deren Stelle entsprechende Tiere in besonderem Ritual, vgl. Buch Levitikus. So hätte dann Jiftach seine Tochter durch ein Tier ersetzt, sie selber wäre aber als „dem Herrn Geweihte“ in jungfräulichem Stand verblieben und hätte beim Heiligtum ihr Leben lang ihren Dienst versehen. So kann man die Stelle zwar lesen, dann macht es aber keinen Sinn, dass von „sterben“ die Rede ist und dass die Tochter von den israelitischen Frauen bis heute beweint wird.

Ich finde das alles bischen merkwürdig.

Immer noch?

Oder wollte sie
einfach noch so über ihr Leben nachdenken, wahrscheinlich ist
das gemeint.

Natürlich auch. Oder wie würdest Du Dich in der Galgenfrist verhalten

Ach ja, und was ist mit „Brandopfer“ gemeint.

Man schlachtet das Opfertier und verbrennt es dann, vgl. Lev 1,1ff.

Wenn der Vater
seine Tochter als Brandopfer gibt, bedeutet das, dass sie dann
bei lebendigem Leibe verbrannt wurde oder wie muß man sich das
vorstellen.

Sie wurde getötet und dann als Brandopfer dargebracht. Selbstverständlich entsprach das nicht jüdischem oder auch nicht natürlichem, geschweige denn göttlichem Recht.

Es wird nie was genaues dazu gesagt. Es ist alles so grausam.

Auch die besten Menschen ausser Einem waren grausam, vgl. David, der auch als ein Sünder geschildert ist, auch weitere „ansonsten“ als gut geschilderte biblische Gestalten und uns Menschen. Da zeigt sich wieder einmal, dass auch die Bibel kein Schwarz-Weiss-Denken kennt, wenngleich sie klar zu benennen pflegt, was gut und was böse sei.

An der Stelle, wo Jiftach seine Tochter opfert, wird von „gut“ oder „böse“ nichts gesagt. Es ergibt sich aber aus dem biblischen Zusammenhang bzw. dem sonst striktestens durchgehaltenen Verbot des Menschenopfers von selber, dass dieses Opfer Gott wohl unmöglich gefallen konnte. Jiftach wollte sein Gesicht vor Gott wahren. Wie er den Knoten, den er selbst geknüpft, besser hätte lösen können, muss offenbleiben. Es gibt allerdings eine Parallelgeschichte dazu:
Gen 22,1-19, die Opferung Isaaks. Abraham hatte Isaak als Opfer darzubringen und Gott sandte ihm am Ende einen Widder, den er an Isaaks Stelle schlachten konnte. Der Unterschied zur Jiftachgeschichte besteht darin, dass Abraham nicht selber versprochen hatte, ein Opfer zu bringen, sondern dass Gott es von ihm verlangt hatte. Nun nahm Gott Seine Verantwortung auch wahr.
Jiftach wurde die Verantwortung hingegen nicht abgenommen. Was er im Nachhinein hätte tun können oder sollen, um sein Gesicht zu wahren, bleibt offen.

Gruss
Mike

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Nachtrag

So hätte dann Jiftach seine Tochter durch ein Tier
ersetzt, sie selber wäre aber als „dem Herrn Geweihte“ in
jungfräulichem Stand verblieben und hätte beim Heiligtum ihr
Leben lang ihren Dienst versehen. So kann man die Stelle zwar
lesen, dann macht es aber keinen Sinn, dass von „sterben“ die
Rede ist und dass die Tochter von den israelitischen Frauen
bis heute beweint wird.

Ich gehe dabei nach der Übersetzung „Gute Nachricht“ und bin mir bewusst, dass nicht alle Übersetzungen explizit von „sterben“ reden.

na ja, jeder, der in einwr Stadt wohnte, die der Herr den Israeliten zu zerstören befahl, um Platz für sein Volk zu schaffen, fiel üblicherweise dem Bann anheim, dh die Stadt wurde mit Stumpf und Stiel ausgerottet.
Sàuglinge, Tiere inbegriffen.
das entspricht ja auch einem Menschenopfer, wenn man Gefangene, die wehrlos sind und zuvor keine Gewalt anwendeten, tötet.

es herrschten archaische Sitten. Niemand war verpflichtet Gelübde, so wie Jephta sie machte, zu machen. Gott zwang niemanden zu solchen Gelübden.
Wenn man aber ein Gelübte getroffen hatte, dann war es einzuhalten.
Eine Ausnahme bildet offensichtlich das Gelübde Sauls, welches Jonathan getroffen hätte. Da war es im Narrativ aber eher deswegen eingesetzt, um die Verworfenheit Sauls zu demonstrieren.
Gelübde wurden ja oft eingesetzt, um Gott zu einem Entgegenkommen zu nötigen.

Dir brutalste Geschichte finde ich übrigens Richter Kapitel 19 bis 21.
Solche Unmännlichkeit, Kaltblütigkeit, Menschenverachtung und Grausamkeit gegenüber Frauen, die in diesen Kapiteln in den archaisch-patriarchalischen Sitten zutage tritt, sollte jeden Mann rot vor Scham und Wut werden lassen.

in Kapitel 20 gibt es übrigens wieder ein unbedachtes, vorschnell ausyesprochenes Gelübde, weoches im Nachspiel immenses Leid für tausende Menschen bedeutete.

Ich glaube nicht an Götter als Wesen, die den Menschen Kommandos geben. Schon die Übergabe der Gebote ist ja nur ein Gerücht, von einer einzigen Person erlebt oder erfunden.

Dass Gläubige zu ihren Göttern flehen und beten und dabei so etwas wie Befriedigung empfinden, kann ich nachvollziehen, das geht ja auch durch Meditation ohne Götter.

Aber diese Rückmeldungen von Gott sind doch Fantasien des menschlichen Geistes? Als Kind habe ich davon gehört, dass Gott ein Brandopfer dann annimmt, wenn der Rauch gerade in den Himmel steigt (steht wohl irgendwo in der Bibel). Also habe ich irgendwas aus dem Garten verbrannt und den Rauch beobachtet. Heute muss ich darüber schmunzeln.

Frage: Wie sind die Aussagen zu verstehen, in denen Gott einzelnen Menschen oder einer Gruppe Aufgaben gibt? Sind das eher Wünsche des selbsternannten „Bodenpersonals“?

14 Jahre braucht ihr für eure Antwort und dann habt ihr nicht mal die Frage gelesen?

Reife Leistung…

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Liebe @PeterSilie
Wenn man glaubt, dass da draussen „etwas“ ist, dann kann „es“ doch wohl auch antworten, oder? Was den Christengott betrifft, so ist das Kinderopfer Ihm ein sehr wichtiges Thema! Nicht etwa weil Er wie der Moloch Kinderopfer fordern würde, sondern weil Er Sein Kind Jesus opfert, sprich zum Menschen werden lässt, der dann prompt von den Menschen schlecht behandelt wird. Darin liegt nach christlichem Verständnis auch der Sinn des Abrahams-Opfers:
„Weil du, Abraham, bereit warst, Mir dein Kind zu opfern - was Ich am Ende verhindert habe -, bin Ich nun bereit, für die Menschen Mein Kind zu opfern.“
Bei der Jiphtach-Geschichte ist zwar die Frage weniger im Vordergrund, denn Jiphtach legt aus eigener Initiative das Gelübde ab. D. h. die Frage nach der Art, wie die Aufgabe gegeben wird und warum der Mensch Gott für glaubwürdig hält (die sich bei Abraham evtl. noch stellt, wie tönt Gottes Stimme usw.) ist bei der Jiphtach-Geschichte nicht so deutlich gestellt.
Die theologische Frage hingegen bleibt bestehen: „Wenn - ich sage w e n n - Du aus welchen Gründen auch immer Gott für absolut glaubwürdig oder die Marienerscheinung für bewiesen oder den Auftrag für 100% gegeben erachtest, wie krass darf der Auftrag dann sein, dass du ihn noch ausführst?“ Spirituell stellt sich jedem das Problem: Isaak war immerhin Abrahams Liebstes auf der Welt, Jiphtachs Tochter sein Liebstes auf der Welt usw. - - ist Gott mir wirklich das Wichtigste und warum? Oder was sonst ist mir das Liebste, und wie lange wird das so bleiben?
Gruss an alle,
der nach 14 Jahren immernoch lebende
Dahinden

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