Hallo,
Das Gebot „Du sollst keine anderen Götter haben
außer mir“ verträgt sich einfach nicht dem antiken Götterbild.
Die Heiligenverehrung ist aber sehr ähnlich dem antiken
Götterbild. Osterprozessionen in Spanien erinnern extrem stark
an die antik römische Religion. Sogar einzelne Figuren sollen
Verbingungen haben, wie Hera = Maria, Jesus = Herakles usw.
Ist ja auch einleuchtend, denn keine Religion entsteht im
luftleeren Raum sondern nimmt immer Elemente der Umgebung auf.
Die These ist beliebt, dadurch aber nicht unbedingt richtig.
Erst einmal:
Für die Spätantike, also die Zeit, in der sich das Christentum ausbreitet, können wir nicht mehr von einem Götterglauben ausgehen, wie wir ihn uns heute aufgrund von Homers Werken vorstellen. Also nach dem Motto, man hatte den einen Gott dafür, wenn man Ärger mit diesem hatte, wandte man sich an den nächsten etc.
Vielmehr gibt es einerseits eine ungeheure Attraktivität der sog. Mysterienkulte, die mit diesem Götterglauben recht wenig zu tun hatte, und auch eine Entwicklung zum monotheistischen Vorstellungen, dies vor allem, aber nichtnur, in intellektuellen Kreisen. Jedenfalls war das Bild vom HÖheren / Transzendenten bei weitem nicht so „materiell“ wie uns so ein Homer’scher Götterpantheon scheinen lassen möchte.
Allgemein sollte man auch sehr vorsichtig sein, den antiken Religionsbegriff mit unserem zu verwechseln. Religion war in der Antike nicht unbedingt eine Privatsache oder irgendetwas „innerliches“.
Die frühe Heiligenverehrung bezog sich auf Märtyrer. Dass wir hier, allgemein historisch und auch religionsgeschichtlich, von einem „Ersatz“ sprechen könne, ist für Ende des vierten Jh. mit Ambrosius und seiner wundersamen Märtyrergebeinefindung anzunehmen. Selbst hier solte man noch vorsichtig sein, aber immerhin haben wir dann zunehmend im 5.Jh. Märtyrer als Stadtpatrone, die die vorhergehenden antiken Gottheiten ersetzten.
Dennoch ist die naive Gleichsetzung falsch:
Märtyrer, später Heilige, unterschieden sich, obwohl ihnen ähnlich wie den antiken Gottheiten spezielle Funktionen zugesporchen wurden (gegen Krankheiten, für Fruchtbarkeit etc.), entscheidend dadurch, dass sie entindividualisiert sind. Selbst dort, wo man von einem individuellen irdischen Leben zu berichten weiß, ist keine Individualität mehr in dem zu erkennen, was den Betreffenden zum Heiligen macht (oft ein möglichst grausiger, aber stereotyper Tod). Auch sind diese Heiligen keine KOnkurrenten untereinander - anders als im antiken DEnken, wo die Frage der Schutzgottheit einer Stadt auch eine Frage des Prestiges gegenüber anderen Schutzgottheiten anderer Städte war -, sondern sie alle dienen dem einen Gott.
Zu guter letzt sind diese Heiligen nicht nur alle mit gleicher Macht ausgestattet, sondern vor allem können sie bzw. kann mit ihrer Hilfe kein Schadenszauber ausgeführt werden.
So bestechend einfach die These des Fortbestands antiker Gottheiten in den Heiligen der Christen ist, so ist sie bei genauerem Hinsehen falsch.
Auch deswegen, weil ja in diesem nicht luftleeren Raum die antiken Götter schon nicht mehr das waren, was sie in Homers Werken sind.
Grüße
Taju