Kaiser Commodus in der Gladiatoren-Arena?

Hi zusammen.

Ich recherchiere z.Zt. über den römischen Kaiser Commodus (spätes 2. Jh.) und bin auf widersprüchliche Angaben gestoßen, was seine faktische Beteiligung an Gladiatorenkämpfen betrifft.

Meine Frage lautet:

Trat Commodus überhaupt in der Gladiatorenarena auf, und wenn ja, hat Commodus dort mit „scharfen“ Waffen gekämpft?

Eine kürzlich gesendete TV-Doku über Commodus hat das so dargestellt.

Wie also sind die gegensätzlichen Standpunkte in dieser Frage gegeneinander abzuwägen?

Ich füge unten ein Zitat und Links an, die die konträren Positionen featuren.

Was mich an den Angaben des in diesem Punkt skeptischen Wiki-Artikels etwas irritiert, ist die am Schluss des Zitats angeführte These, dass Commodus „allenfalls mit einem Holzschwert bewaffnet (…) im Circus öffentlich gegen Menschen“ gekämpft habe. Ein Kaiser mit Holzschwert in der Arena? Hätte sich Commodus dermaßen offensichtlich als Amateur kompromittiert? Immerhin hatte er eine gründliche Ausbildung. Es reichte doch (was überliefert wird), dass seine Gegner entweder vorher durch eine Verletzung gehandicapt wurden (wie im „Gladiator“-Film, wo Commodus von J. Phoenix gespielt wird) oder dass sie genötigt wurden, dem Kaiser keine Verletzung zuzufügen (was der Zeitgenosse Cassius Dio behauptet).

(Wiki-Artikel „Commodus“):

Dass Commodus hingegen, wie Herodian und die Historia Augusta behaupten und oft von modernen Autoren übernommen wurde, selbst öffentlich als Gladiator aufgetreten sei, ist falsch: Die beste Quelle, der Zeit- und Augenzeuge Cassius Dio, berichtet ausdrücklich (Cass. Dio 73,17,2), der Kaiser sei zwar als Wagenlenker aufgetreten und habe auch an Tierhetzen (venationes) teilgenommen; Commodus habe aber nur privat und ohne Publikum als Gladiator gekämpft und sei so niemals in die Öffentlichkeit getreten: „Gerne kämpfte er als Gladiator, und zwar zu Hause bei sich und in einer Art und Weise, dass er ab und zu einen Gegner tötete […]. In der Öffentlichkeit hingegen verzichtete Commodus auf Eisen und Menschenblut.“ Allenfalls mit einem Holzschwert bewaffnet kämpfte der Kaiser im Circus öffentlich gegen Menschen.

In „Die römischen Kaiser“ (Verlag C.H.Beck, 1997) heißt es auf Seite 168:

In diesen Zusammenhang gehören schließlich auch Commodus´ Auftritte als Gladiator oder Tierjäger im Amphitheater. Was den anwesenden Senatoren als lächerliche und entwürdigende Maskerade erschien, die nur einem durch und durch verderbten Charakter in den Sinn kommen konnte, war für Commodus und wohl auch manche seiner Zuschauer die handgreifliche Vergegenwärtigung und geradezu rituelle Beglaubigung der alles überragenden Tugenden (virtus) des wiedererschienenen Gottes Herakles.

Sowie:

http://gladiator.zeman.ch/index.php?area=Analyse&the

http://www.der-historische-film.de/Antike/Gladiator/

Danke

Chan

Hallo Chan,

Trat Commodus überhaupt in der Gladiatorenarena auf, und wenn
ja, hat Commodus dort mit „scharfen“ Waffen gekämpft?

eine eigene ‚Gladiatorenarena‘ gab es nicht. Und nein: öffentlich hat Commodus nicht mit scharfen Waffen gekämpft.

Eine kürzliche gesendete TV-Doku über Commodus hat das so
dargestellt.

Ach weisst Du … sog. ‚TV-Dokus‘ sind mit ihrem „Histotainment“ häufig noch ein gutes Stück unseriöser als Blätter à la ‚PM-History‘. Das sind doch heutzutage fast immer Doku-Soaps mit ‚scripted reality‘ in historischen Kostümen. Auf Deutsch: Publikums-Verarsche.

Wie also sind die gegensätzlichen Standpunkte in dieser Frage
gegeneinander abzuwägen?

Hier gilt es vor allem die Quellen, nicht die ‚Standpunkte‘ abzuwägen. An Zeitzeugen haben wir Lucius Cassius Dio Cocceianus und Herodianos. Der erste ein seriöser Geschichtsschreiber, der als Senator unmittelbarer Augenzeuge war. Der andere ein kleiner Verwaltungsbeamter, der ein bemerkenswertes Talent für Klatsch und Kolportage zeigt (er hätte prima in die Redaktion von ‚PM-History‘ gepasst) und der fehlende Detailkenntnis (wie nachgewiesen) schon mal gerne durch Fantasie ersetzt. Die im Zusammenhang mit Commodus noch oft als Quelle genannte Historia Augusta (Verfasser unbekannt) ist nicht zeitgenössisch; sie schöpft vor allem gerade aus Herodianos und ist notorisch unzuverlässig bzw. fehlerhaft. Die ‚Biografien‘ dieses Werks könnte man heutzutage allenfalls als historischen Roman in den Verkauf bringen.

Ergänzend zu Cassius Dio: er veröffentlichte seine ‚Römische Geschichte‘ erst Jahre nach Commodus’ Tod (192, die ‚Geschichte‘ geht bis 229) - er hatte also keinerlei Veranlassung, aus Furcht in Bezug auf Commodus irgend etwas zu beschönigen - allenfalls, ihn seinen Nachfolgern zuliebe schlechter zu machen, als er war. In der Tat äußert er sich auch äußerst kritisch über ihn.

Was mich an den Angaben des in diesem Punkt skeptischen
Wiki-Artikels etwas irritiert, ist die am Schluss des Zitats
angeführte These, dass Commodus habe „allenfalls mit einem
Holzschwert bewaffnet (…) im Circus öffentlich gegen
Menschen“ gekämpft. Ein Kaiser mit Holzschwert in der Arena?

Es handelte sich ausschließlich um unblutige Schau- und Trainingskämpfe, die mit Übungswaffen ausgetragen wurden. Gewissermaßen das Vorprogramm, die Kindervorstellung (children’s matinee heisst das in ‚The Life of Brian‘).

Hätte sich Commodus dermaßen offensichtlich als Amateur
kompromittiert?

Hätte er sich nicht noch viel schlimmer kompromittiert, wenn er mit scharfer Waffe gegen einen mit einer Übungswaffe ausgestatteten Gegner oder einen mit Handicap angetreten wäre? Wäre er nicht dumm gewesen, gegen einen professionellen Gladiator mit scharfer Waffe anzutreten?

Immerhin hatte er eine gründliche Ausbildung.

ja, natürlich. Hatte er. Und er hätte wahrscheinlich einen wirklich guten Gladiator abgegeben, wenn er nicht zufällig Sohn von Marcus Aurelius gewesen wäre sondern irgend ein nobody aus der Subura oder ein dakischer Kriegsgefangener…

Es reichte doch (was überliefert wird), dass seine Gegner
entweder vorher durch eine Verletzung gehandicapt wurden

Genau deswegen war das auch nicht notwendig. Und Cassius Dio weiss davon auch nichts.

(wie
im „Gladiator“-Film, wo Commodus von J. Phoenix gespielt wird)

nunja - das würde ich nun nicht als „Überlieferung“ bezeichnen …

oder dass sie genötigt wurden, dem Kaiser keine Verletzung
zuzufügen (was der Zeitgenosse Cassius Dio behauptet).

Hmm - wo bitteschön soll das stehen? Ich finde auch da bei Cassius Dio nichts, obwohl er (sich für den Klatsch entschuldigend) versichert (LXXIII, 18):

„… da ich selbst gegenwärtig war und an allem, was gesehen, gehört und gesprochen wurde, selbst teilnahm, habe ich es als angemessen erachtet, keine Details zu unterdrücken sondern sie zu überliefern, seien sie auch trivial, genau wie jegliche Vorkommnise von größtem Gewicht und Bedeutung.“

Zu dem Wikipedia-Zitat:

Dass Commodus hingegen, wie Herodian und die Historia Augusta
behaupten und oft von modernen Autoren übernommen wurde,
selbst öffentlich als Gladiator aufgetreten sei, ist falsch:

Wenn man „als Gladiator auftreten“ als „mit scharfen Waffen in echten Kämpfen antreten“ versteht, dann hat Wikipedia recht. Ansonsten nicht - Cassius Dio schreibt wörtlich (LXXIII, 19):

„… er stieg von oben in die Arena herab und hieb alle Tiere nieder, die sich ihm näherten sowie auch einige, die ihm zugeführt oder in Netzen vor ihn gebracht wurden. Er tötete auch einen Tiger, ein Nilpferd und einen Elefanten. Nach Vorführung dieser Heldentaten zog er sich zurück, doch später, nach dem Mittagsmahl, kämpfte er als Gladiator. Die Form des Kampfes, die er ausübte und die Ausrüstung, die er benutzte, waren die der Secutoren, wie sie genannt werden: er hielt den Schild in seiner rechten Hand und das Holzschwert(sic!) in seiner linken und war in der Tat stolz darauf, ein Linkshänder zu sein. Sein Gegner war irgendein Athlet oder vielleicht ein Gladiator, bewaffnet mit einem Stab*; manchmal war es ein Mann, den er selbst herausgefordert hatte, manchmal einer der vom Publikum ausgewählt wurde …“

[*ein Secutor trat idR gegen einen mit Netz und Dreizack bewaffneten Retiarius an - so wie der scharfe Gladius durch ein Holzschwert ersetzt wurde, wurde der Dreizack durch einen Holzstab ersetzt]

Die beste Quelle, der Zeit- und Augenzeuge Cassius Dio,
berichtet ausdrücklich (Cass. Dio 73,17,2), der Kaiser sei
zwar als Wagenlenker aufgetreten

Cassius Dio berichtet vielmehr (LXXIII, 17, 1): „In der Öffentlichkeit lenkte er nie Wagen, außer manchmal in einer mondlosen Nacht, denn - obwohl er begierig war, in der Öffentlichkeit den Wagenlenker zu spielen - so schämte er sich doch auch, gesehen zu werden, wenn er dies tat; privat jedoch tat er dies ständig, wobei er die Uniform der Grünen trug.“

„In der Öffentlichkeit“ bedeutet im Circus statt auf Privatgelande - aber nicht vor Publikum, was „aufgetreten“ suggeriert.

und habe auch an Tierhetzen
(venationes) teilgenommen;

Das - und auch die Maßlosigkeit dabei - schildert Cassius Dio ausführlich.

Pro:

http://gladiator.zeman.ch/index.php?area=Analyse&the

http://www.der-historische-film.de/Antike/Gladiator/

Vergiss das am besten …

Danke

Bitte,
Ralf

Altrömische Grüne
Hallo

… wobei er die Uniform der Grünen trug."

Was für Grüne?

Viele Grüße

Was für Grüne?

Viele Grüße

http://de.wikipedia.org/wiki/Zirkusparteien

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Adrian Goldsworthy über Commodus´ scharfes Schwert
Hi Ralf.

… sog. ‚TV-Dokus‘ sind mit ihrem „Histotainment“ häufig noch ein gutes Stück unseriöser als Blätter à la ‚PM-History‘…

Tja, das ist so ´ne Sache, denn kein Geringerer als der Militärexperte Adrian Goldsworthy behauptet darin, dass Commodus nicht nur mit Holz kämpfte.

Hier ist ein Link zum „Gladiator-Die wahre Geschichte“-Doku (auf N24 zu sehen gewesen).

http://www.youtube.com/watch?v=sTHeVvQs2_s

Ab 22 min 50 sec geht es um Commodus.

Ab 38 min 15 sec behauptet Goldsworthy, dass Commodus in der Arena ein Schwert " mit der schärfsten Schneide hat, die ein Schwert haben kann". Goldsworthy ist Fachberater für den History Channel und - was dir sicher nicht schmecken wird :smile: - auch Experte für Reenactment-Spielshows. Er ist jedenfalls ein Topexperte für römische Geschichte, siehe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Adrian_Goldsworthy

Eine wirklich 100%e Sicherheit, dass Commodus nur mit Holz kämpfte, habe ich noch nicht, solange die Aussage von Goldsworthy im Raum steht. Warum ignoriert ein Experte wie er die Berichte von Cassius Dio?`Warum macht er sich so angreifbar? In anderen Kontexten beruft sich Goldsworthy auf Cassius Dio, warum also nicht in diesem? Zieht er Herodians Version nur vor, weil die spektakulärer ist? Kann ich mir kaum vorstellen.

Vielleicht hast du eine Antwort.

Chan

Hallo Chan,

zunächst - ich habe mir einen Ausschnitt aus der Doku angetan. Er war nicht dazu geeignet, mein Urteil über diese Art Geschichtsdarstellung zu ändern. Ich habe schon früher beobachtet, dass z.T. tatsächlich Fachleute dort zu Wort kommen, und zwar wie hier auch in einzelnen Zitatfetzen, die dann die Authentizität der bunten Bildchen belegen sollen. Solche Bruchstücke ernsthaften historischen Diskurses werden aus ihrem Kontext gerissen und als Versatzstücke in einen anderen Kontext - eben ‚Histotainment‘ - eingebracht und dadurch entwertet.

Es gibt Wissenschaftler, die bei so etwas im Interesse der Popularisierung der Wissenschaft mitspielen, aber auch solche, die hinterher verärgert sind, für verzerrte Darstellungen missbraucht worden zu sein und solche, die sich dieser Art ‚Bildungsfernsehen‘ grundsätzlich verweigern. Goldsworthy gehört offensichtlich zur ersten Kategorie. Das ist nicht grundsätzlich zu tadeln, aber es gehört schon ein gerütteltes Maß an wissenschaftlicher Bedenkenlosigkeit dazu.

Kommen wir zum ernsthaften Diskurs. Geschichte ist eine Wissenschaft; wenn da jemand eine historische Tatsachenbehauptung aufstellt, dann hat er die entweder als Hypothese zu formulieren oder aber seine Quellen dafür offenzulegen - und zu Commodus’ Gladiatorenspleen gibt es nur die drei Primärquellen, die ich Dir genannt habe (wobei die Historia Augusta die Bezeichnung ‚Primärquelle‘ nicht wirklich verdient). Wenn sich die Primärquellen widersprechen - wie hier partiell Cassius Dio und Herodian - dann stellt man als Historiker diesen Widerspruch dar oder man entscheidet, der einen Quelle vor der anderen den Vorzug zu geben. Und selbstverständlich muss eine solche Entscheidung nachvollziehbar begründet sein, sonst kann man nicht mehr von Wissenschaft reden.

Was nun das Pro und Contra für Cassius Dio einerseits und Herodian andererseits angeht, so fällt das Urteil seriöser Althistoriker eindeutig zu Gunsten von Cassius Dio aus. Die Quellen zu Commodus und Literaturverweise zu deren Bewertung findest Du im 3. Band des Handbuchs der Altertumswissenschaft, 10… angegeben. An neuerer Literatur zu Herodians Bewertung (das Handbuch ist von 1982) ist vor allem zu nennen:

Geza Alföldy
Die Krise des Römischen Reiches.
Geschichte, Geschichtsschreibung und Geschichtsbetrachtung. Ausgewählte Beiträge
Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien 5
ISBN 3515051899 Buch anschauen

  • speziell der Aufsatz ‚Zeitgeschichte und Krisenempfindung bei Herodian‘. Weitere Literatur gibt auch der wikipedia-Artikel zu Herodian an - die Arbeiten Martin Zimmermanns kenne ich nicht, aber ich bezweifle, dass er zu einer positiveren Einschätzung des historischen Wertes von Herodian kommt.

Falls Herr Goldsworthy - der mir nun noch nicht als Spezialist der Quellenlage des 2. Jahrhunderts aufgefallen ist - zu einer anderen Einschätzung der Quellen kommt, dann legt er dies jedenfalls nicht in der Doku dar. Unter anderem auch deswegen haben solche Sendungen nichts mit Geschichtswissenschaft zu tun, das ist bloße Unterhaltung und der Unterhaltungsanspruch steht da im Vordergrund. Was nur zu häufig auf Kosten der Seriosität der Darstellung geht.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Email an Goldsworthy zwecks Aufklärung
Hi Ralf.

Danke für die angegebenen Quellen.

Falls Herr Goldsworthy - der mir nun noch nicht als Spezialist
der Quellenlage des 2. Jahrhunderts aufgefallen ist - zu einer
anderen Einschätzung der Quellen kommt, dann legt er dies
jedenfalls nicht in der Doku dar.

Wofür dort sicher nicht der geeignetste Ort war. Dass Goldsworthy Cassius Dio geringschätzt, kann man jedenfalls mit Sicherheit verneinen. Eine Internetrecherche zeigt schnell, dass er sich sehr oft auf ihn bezieht, ihn also, wie alle seine Kollegen, als Standardquelle hernimmt. Warum er in der Schwertsache von Dio abweicht, bekomme ich am einfachsten heraus, wenn ich ihn das selbst frage.

Nämlich über seine Kontaktadresse, die in seiner Homepage angegeben ist, siehe:

http://www.adriangoldsworthy.com/index.html

Vielleicht nimmt er sich ja die Zeit, mir auf entsprechende Fragen zu antworten. Mir haben schon viele Fachleute, auch sehr bekannte, auf fragende Mails geantwortet, warum nicht auch er?

Ich lasse dich´s wissen, wenn sich was tut.

Chan

Hallo Horst,

Ich lasse dich´s wissen, wenn sich was tut.

Danke. Würde mich auch interessieren - grundsätzlich halte ich Goldsworthy schon für seriös.

Gruß,
Ralf