Hallo Jendrik,
Gaius Julius Rufus war Stifter des Amphitheaters in Lyon und des Gemanicusbogens in Saintes - ich nehme an, Du beschäftigst Dich mit einer der Inschriften dieser Bauwerke. Bei solchen Anfragen ist es sinnvoll, derartige Informationen nicht zu unterschlagen.
Er war ein romanisierter Gallier, vermutlich aus dem Stammesadel der Santonen stammend. Prae- und Gentilnomen „Gaius Julius“ zeigen an, dass die Familie von Gaius Julius Caesar das römische Bürgerrecht erhalten hatte. Rufus’ Vater führte noch den sehr ‚unrömischen‘ Cognomen Otuaneunus, der Großvater (der vermutlich der erste römische Bürger der Familie war) den Cognomen Gedomo.
In beiden Inschriften wird Rufus als Priester des Augustus und der Roma in Lyon bezeichnet. Die Verbindung von Roma und Augustus zeigt schon an, dass es sich um einen römischen Staatskult handelt. Gaius Octavius Augustus wurde kurz nach seinem Tod im Jahr 14 vom Senat konsekriert und fortan als Divus Augustus Divi filius (= Gott Augustus, Sohn des [ebenfalls vergöttlichten] Gottes [Gaius Iulius Caesar]) bezeichnet. Für den Kult wurde das Priesterkollegium der sodales augustales gegründet, dem ein Flamen und eine Flaminica Augustalis vorstanden. Die Mitgliedschaft in diesem Priesterkollegium war äußerst ehrenvoll, die meisten Mitglieder waren Angehörige der kaiserlichen Familie. Erster Flamen war Germanicus, erste Flaminica Augustus’ Witwe Livia.
Gaius Julius Rufus gehörte allerdings nicht zu diesem Priesterkollegium. Deswegen der Hinweis, dass es sinnvoll gewesen wäre, Du hättest die Inschrift, auf die Du Dich beziehst, genauer angegeben. Der Staatskult wurde nämlich in Nachahmung Roms auch in bedeutenderen Provinzstädten - in diesem Fall Lyon - ausgeübt. Besonders häufig war dies der Fall im griechischen Osten des Imperiums; die Konsekrierung von Herrschern war dort seit den Zeiten der hellenistischen Herrscher ein vertrauter Brauch.
Die Errichtung eines Tempels für den Staatskult war allerdings von einer ausdrücklichen kaiserlichen Erlaubnis abhängig - die Stadt musste sich ein dafür erforderliches repräsentatives Tempelgebäude und dessen Unterhaltung auch leisten können. In der Regel wurden die Tempel auch von den Mitgliedern des dann natürlich einzurichtenden lokalen Priesterkollegiums gesponsort. Die Zugehörigkeit zum Priesterkollegium des Staatskultes selbst in einer Provinzstadt war äußerst prestigeträchtig. Gaius Julius Rufus war sicherlich einer der reichsten und prominentesten Provinzialen Galliens.
Der Kult des Divus Augustus Divi filius hatte Bestand bis 391 - der Einführung des Christentums als Staatsreligion. Es war übrigens vor allem die Weigerung der Christen, an diesem Staatskult teilzunehmen, die sie als Staatsfeinde verdächtig machte. In religiöser Hinsicht war man ansonsten - ganz anders als unter der Ägide des Christentums - tolerant und pluralistisch eingestellt.
Freundliche Grüße,
Ralf