Kaiser von G.Britannien

Hallo Wissende,

England hat bis in die Neuzeit wahrlich ein Weltreich zusammengerafft, das mit Australien, Kanada, Indien etc. dem Weltreich Karls V ebenbürtig war (d.h. über dem die Sonne nie unterging). Der Engl. König nahm aber die Kaiserwürde nicht an - abgesehen vom Titel „Kaiser von Indien“. Warum eigentlich nicht? War den Engl. Königen nicht danach oder war es, weil der Titel nur im Heiligen Deutschen Reich Deutscher Nation vergeben wurde?

Danke für Eure Mitteilungen.

Wolfgang D.

Hallo!

Ein König ist zunächst einmal ein souveräner Herrscher über ein Königreich.

Ausnahme: Der Deutsche König im Mittelalter war - etwas flapsig ausgedrückt - ein von den Herzogen (usw.) aus ihrer Mitte gewählter Anführer.

Der Titel „Kaiser“ bezeichnet noch höhere Ansprüche:

  • Die weltliche Macht Gottes auf Erden. So sahen sich zumindest die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Deswegen wurde der Wahlkönig des HRR meistens (aber nicht immer) vom Papst in den Rang eines Kaisers erhoben.
  • Man steht in der Tradition der Römischen Caesaren. Da das Weströmische Reich zugrunde ging, wurde die Kaiserwürde zunächst ausschließlich in Byzanz weiter getragen. Mit dem Erlöschen der des Byzantinischen Reiches starb auch diese Tradition; der Begriff lebte aber in dem Adelstitel „Zar“ fort.
  • Ein Herrscher über Könige. Napoleon wählte den Titel „Kaiser“ weil er sich von den Bourbonen, die „nur“ Könige waren, abheben wollte, weil er sich eh für so etwas wie Caesar hielt und weil er großzügig Königstitel für seine Vasallen verteilen konnte, ohne seine eigene Autorität anzukratzen.

Diese Punkte gelten für die britischen Könige (wenn überhaupt) nur sehr eingeschränkt. Der wichtigste Punkt ist aber wahrscheinlich:

Wie wird man denn Kaiser? Man ist entweder größenwahnsinnig genug, sich die Kaiserkrone selbst aufs Haupt zu setzen (wie Napoleon) oder man braucht jemand, dessen Würde groß genug ist, diesen Titel zu verleihen. Meiner Meinung nach besitzt nur der Papst diese Würde. Der konnte schlecht zwei Monarchen zum Kaiser krönen. Und nach Heinrich dem VIII hatte sich das mit dem Papst für England dann eh erledigt…

Michael

Moin,

Wie wird man denn Kaiser? Man ist entweder größenwahnsinnig
genug, sich die Kaiserkrone selbst aufs Haupt zu setzen (wie
Napoleon) …

… und Karl d. Große. Meines Wissens hat er dem Papst die Krone aus der Hand genommen und sie sich dann selber auf’s Haupt gesetzt.
Nun, ob er größenwahnsinnig war? Jedenfalls sehr, sehr machtbebusst. Wohl auch gegenüber dem Papst.

Gruss
Laika

… und Karl d. Große. Meines Wissens hat er dem Papst die
Krone aus der Hand genommen und sie sich dann selber auf’s
Haupt gesetzt.

Meines Wissens hingegen war es Papst Leo, der Karl die Kaiserkrone aufsetzte. Sein Sohn, Ludwig soll sich selbst zum (Mit-)Kaiser gekrönt haben.

Aber ich hätte noch einen selbstgekrönten Kaiser, dessen geistige Gesundheit aber umstritten sein dürfte: Jean-Bedel Bokassa von Zentralafrika.

Selbstkrönungen
Hallo Laika,

auch wenn von uns keiner dabei war, ist für das Mittelalter so eine Handlung auszuschließen. Der König in Preußen musste mangels höherer Gewalzt am 18.1.1701 zu diesem Mittel greifen.

Gruß
Andreas

Hallo Andreas,

auch wenn von uns keiner dabei war, ist für das Mittelalter so
eine Handlung auszuschließen.

Ich meine, ich hätte das in einem Buch gelesen, kann mich natürlich täuschen, ungenau erinnern. Dem Selbstverständnis Karls hätte das aber auf alle Fälle entsprochen.

Gruß
Laika

Aber ich hätte noch einen selbstgekrönten Kaiser, dessen
geistige Gesundheit aber umstritten sein dürfte: Jean-Bedel
Bokassa von Zentralafrika.

Ja, habe ich damals im Radio gehört. Ganz ernst wurde da gesagt: „Jetzt hat die Welt wieder drei Kaiser!“
Tja, so sind wir immer noch, sowas ist manchen/vielen offensichtlich noch wichtig.

Laika

Hallo Andreas,

auch wenn von uns keiner dabei war, ist für das Mittelalter so
eine Handlung auszuschließen.

tatsächlich? Wieso denn? Um zunächst einmal mit der Standardreplik zu kommen, die im Mittelalterbrett so häufig notwendig ist: das Mittelalter ist lang. Wenn etwas im 13. Jahrhundert auszuschließen ist, muss das noch lange nicht für das 8. Jahrhundert gelten.

Es ist richtig, dass die Behauptung, Karl d.Große habe geistesgegenwärtig die Krone ergriffen und sie sich selbst aufgesetzt, eine spätere Legende ist, die durch die zeitgenössischen oder zeitnahen Quellen nicht gestützt wird. Einhards Vita Caroli Magni XXVIII gibt lediglich an, Karl sei durch die Krönungszeremonie überrascht worden und hätte trotz des hohen Feiertages an diesem Tag die Kirche nicht betreten, wenn er von der Absicht des Papstes gewusst hätte.

Sonderlich wahrscheinlich ist das nicht, wohl eher (neben der in solchen Fällen üblichen demonstrativen ‚Bescheidenheit‘) eine Schutzbehauptung, weil diese Krönung wesentliche Ursache für den dann auch militärisch (um Venetien und Dalmatien) ausgetragenen Konflikt mit Byzanz wurde. Jedenfalls - wie die Zeremonie im Einzelnen ablief, ist nicht bekannt. Man kann annehmen, dass sie sich am byzantinischen Krönungszeremoniell orientierte - d.h. dass der Patriarch (nur eben der von Rom anstelle des Patriarchen von Konstantinopel) dem Prätendenten die Krone aufs Haupt setzte. Einen Vorrang des Papstes (als ‚Belehnendem‘) wollten eifrige Pfaffen erst Jahrhunderte später daraus ableiten - weder Karls Zeitgenossen und schon gar nicht die Byzantiner wären auf einen (um 800) solch albernen Einfall gekommen.

„Auszuschließen“ ist eine Selbstkrönung allerdings definitiv nicht - aus einer Krönung eine sakrale Handlung zu machen, war im 7. und 8. Jahrhundert bei den Franken ein eher ungewöhnlicher Gedanke. Karls Vater Pippin hatte sich selbst zum König der Franken gekrönt und auch Karl der Große hatte sich selbst zum König der Langobarden gekrönt, ohne dass es dazu eines Priesters bedurft hätte. Insofern stand auch der „König in Preußen“ in einer altehrwürdigen Tradition.

Bei Karls Sohn Ludwig dem Frommen differieren die Quellen (Einhard und Theganus) lediglich in der Frage, ob Ludwig durch seinen Vater (zum Mitkaiser und zum Erben des kaiserlichen Titels) gekrönt wurde (Einhard, Vita Caroli Magni XXX) oder ob er sich selbst auf Befehl seines Vaters die Krone aufsetzte (Theganus, Gesta Hludovici Imp. VI). Die Quellen sind nicht einmal zwangsläufig widersprüchlich, wenn man Einhards Darstellung als lediglich verkürzt auffasst.

Selbstverständlich sah NIEMAND irgendeine Notwendigkeit, die so vollzogene Kaiserkrönung Ludwigs durch den Papst oder einen anderen Geistlichen wiederholen oder auch nur bestätigen zu lassen. Formal erforderlich war lediglich die Akklamation der Konstituenten - also der anwesenden ‚Großen‘ des Reichs. Dazu gehörten (anders als in Byzanz, das auch für diese ‚Mitkaiser-Krönung‘ offensichtlich das Modell lieferte) auch Bischöfe (Theganus: „coram omni multitudine pontificum et optimatum“), aber eben nicht in ihrer Eigenschaft als Priester und in sakraler Funktion, sondern als Angehörige der Reichselite.

Freundliche Grüße,
Ralf

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