Kaiserstuhl/Südliche Pfalz/Nördliches Elsass

Hallo zusammen,

Freunde von mir wollen ab Samstag für eine Woche in die oben benannte Ecke fahren und suchen

a) Eine Ferienwohnung (am Kaiserstuhl)bzw. über Auskunft darüber, ob man es in den Herbstferien riskieren kann, einfach dort hin zu fahren und vor Ort zu suchen.
b) Tipps für Restaurants, Besenwirtschaften und ähnlich nette unkomplizierte Lokalitäten sowie für etwas Kultur.

Habt Ihr Ideen dazu?

Wäre schön.

Anja

Hallo Anja,

ein paar nette Wirtschaften im nördlichen Elsass habe ich da:

  • Hotel/Restaurant „Aux Sept Chênes“, Route de Lembach (Höhe Abzweigung nach Langensoultzbach, früherer Bahnhof Langensoultzbach) unmittelbar nördlich von Woerth: Ein früheres Bahnhofshotel, gutbürgerlich-ländliche Küche, die Wirtsleute sind ein paar Jahre älter, Madame ist stolz darauf, daß sie immer einen gelernten Koch in der Küche hatte und hat. Ein hoch erfreuliches Exempel für die fast ausgestorbene „gutbürgerliche Mitte“ zwischen Steak-Frites und Sternegedöns. Und Madame hat einen ganz ordentlichen Clevner im Keller.

  • Hotel/Restaurant „Auberge de la Faveur“, Windstein (oberhalb des Ortes, zwischen den zwei Burgruinen Alt und Neu Windstein gelegen): Vor einigen Jahren von einem ambitionierten neuen Patron übernommen; gehobene, aber grade noch ohne Binder einzunehmende Küche, es kommen Fasanen und sonst allerlei Wild aus den Wäldern der Umgebung in die Röhre, außerdem die Highland-Urviecher, die überall in den Tälern der Umgebung das Gestrüpp abweiden. In der Auberge de la Faveur manchmal abends Literaturstammtische mit lokalen Autoren, Termine findet man auf der Homepage.

  • Hoefler in Niedersteinbach, schräg gegenüber vom berühmten Cheval Blanc - vor dem Cheval Blanc stehen die Audis, beim Hoefler vor dem Haus stehen Triumph Bonneville, BMW R50 & Co: Am Freitagabend Flammchueche vom Feinsten.

  • Ferme Auberge „Aux Sept Fontaines“ oberhalb Drachenbronn-Birlenbach: Ein Hof mit bäuerlicher Küche, da ist noch niemand hungrig hinausgegangen. Trotz der etwas überdimensionierten Portionen schlägt die Küche ihre deutschen Pendants Marke „Schnitzelparadies“ um Längen! Eine Adresse für Pot au Feu und Baeckeoffe.

  • „Ange“ in Climbach, liegt direkt vor der Nase des anderen berühmten Cheval Blanc und macht diesem ein wenig zu schaffen: Es geht biederer zu, niemand dienert und scharwenzelt, aber der Koch versteht sein Geschäft.

Zwischen Climbach und Lembach eine Besichtigung wert das „Oeuvre du Four à Chaux“ der Maginotlinie. Nicht wegen all dem martialischen Gerümpel, des meterdicken Betons, der Mechanik zum Hochfahren des Geschützturmes, sondern wegen ein paar Wandkritzeleien bei den Kojen, in der die Geschützbedienung nur ein paar Meter unter der Erde auf die Stukas warten musste: Mickey Mouse in verschiedenen Versionen, eine davon mit verschränkten Armen, breitbeinig, mit dem Text „On ne passe pas!“ - der damaligen Version des „No pasaran!“

Ein nettes kleines Museum (leider mit unregelmäßigen Öffnungszeiten, man sollte sich besonders jetzt im Oktober vorher kundig machen) die Werkstatt des Holzschuhmachers (Musée du Sabot) von Soucht (bei Meisenthal, schon auf der lothringer Seite der Vogesen). Dort werden die Maschinen aus den 1920er Jahren in Betrieb voergeführt, es ist ziemlich faszinierend, wie die Herstellung eines Sabots mit sehr einfachen Mitteln mechanisiert abläuft. Dabei noch eine kleine Sammlung von Sabots, unter anderem einem Paar mit langen Dornen beschlagen zum Ausschalen von Kastanien und einem Paar mit verkehrt herum geschnitztem Absatz, das man im Winter bei Schnee zum Holzstehlen anziehen kann: Die Spur geht immer in die andere Richtung, als man gegangen ist.

Direkt neben Soucht in Meisenthal (tut mir leid, die Orte heißen wirklich so) die frühere Kristallglasbläserei von Emile Gallé, eine hüsche Sammlung von Jugendstilglas aus der Schule von Nancy; heute Vorführungen von Glasbläserei, man kann von einer Empore aus dem Glasbläser auf die Finger schauen und erleben, wie eine Christbaumkugel entsteht.

Auf der anderen Seite des Hochwalds, östlich der Rheinebene zu, am nördlichen Rand des Haguenauer Forstes, liegt Betschdorf, das Zentrum der Steinguttöpferei. Ähnliche Bembel wie aus dem Westerwälder Kannebäckerland, graues Steingut mit blauem Dekor, aber in Form und Dekor vieles ein bissel leichter und wenn man sich Zeit zum Schauen lässt, auch zwischen den Lawinen von Kitsch einiges richtig Charmante zu finden.

Ganz im Norden, gleich an der Grenze Richtung Nothweiler - Fischbach, die Ruine Fleckenstein. Eine prächtige Anlage aus der Zeit der Stauferburgen in den nördlichen Vogesen; seit ein paar Jahren unangenehm „multimedial“ präsentiert mit Gedüdel, Gedudel und „Mittelalter“-Comicfiguren, aber mit Ohropax trotzdem immer noch ein schöner und interessanter Ort. Einige kleineren Ruinen aus dem Netz der Stauferburgen in der ganzen Gegend verteilt, in unterschiedlichem Erhaltungszustand.

Zwei „Postkartendörfer“ Hunspach und Oberseebach, voll fränkischer Fachwerkhöfe.

Wenn man in die Gegend kommt, egal ob mit PKW oder Radel auf jeden Fall einmal das Zinseltal von Zinswiller - Baerenthal - Mouterhouse und evtl. Fortsetzung nach Althorn entlang fahren: Schon nach fünfhundert Metern im Wald ist man aus der Welt, zumindest aus dieser jetzigen und hiesigen, draußen und irgendwo im Ungefähren.

Soweit zum Elsässer Norden - für den Rest gebe ich weiter.

Schöne Grüße

MM

Nur mal so nebenbei…
… es ist immer nett Deine ausführlichen Tipps zu lesen - es macht mir schon ziemlich Lust mich gleich auf´s Mopped zu schwingen und hinzufahren. Mal sehen ob ich für solch eine Tour mal ´ne Begleitung finde… :smile:

CU - Dominik

PS: Das mußte mal gesacht werden…

Hi Anja,

alldieweil sich der Samstag nähert, noch ein paar Dinge zu den Gegenden im Elsass, die ich nicht so kenne:

Herbst in und nach der Lese mit Weinlaubfärbung ist in den Weinbaugebieten im Südwesten noch einmal richtig Saison. Ich habe im Herbst 2007 tagelang am Telefon gehangen und die ganze Weinstraße entlang keine kurzfristig freie Ferienwohnung für unsere Gäste aus Libyen gefunden; am Kaiserstuhl wird es wohl ähnlich aussehen. Für spontane Unterkunft einen Versuch wert wären die südlichen Vogesen (Munstertal, Metzeral und Umgebung), wo die Kapazitäten auf Skitourismus Ende Dezember bis Februar ausgelegt sind.

Wegen besuchenswerten Orten und Flecken:

Ganz im Süden, kurz vor der Schweizer Grenze der Ausstellungsraum für moderne Kunst Fernet Branca in St Louis gleich bei Basel. Noch bis 24. Oktober eine Ausstellung „De Degas à Picasso“.

Nicht weit davon in Ottmarsheim ein kleines ottonisches Kirchlein in einer ziemlich seltenen Bauform, einem reinen Oktogon. Nach verheerendem Brand vor einigen Jahren wieder aufgebaut, aber auch in dieser Form einen Besuch wert.

Wenns noch ein bissel weiter in den Südwesten ans äußerste Ende der Vogesen gehen darf, die Notre Dame du Haut in Ronchamp. Ganz gleich was man von den städtebaulichen Konzepten von Le Corbusier hält, dieser Ort ist (noch!) etwas Besonderes. „Noch“ deswegen, weil in unmittelbarer Nähe der Neubau eines Klosters geplant ist, so daß dem Ort die Atmosphäre universeller Spiritualität bald verloren gehen wird. Nach Möglichkeit an einem hellen Tag besuchen, das Licht im Inneren wirkt dann besonders gut.

In Neuf-Brisach noch ein architektonisches Kuriosum: Eine annähernd vollständig konservierte Vauban-Festung, sozusagen eine Stadt vom Reißbrett.

In Séléstat/Schlettstadt die frühneuzeitliche Humanistenbibliothek mit einem wundervollen Bestand an Inkunablen, Wiegendrucken etc., in wechselnden Ausstellungen öffentlich zugänglich (halt nicht zum Anfassen…).

Von Séléstat eventuell ein Abstecher Richtung St. Dié nach Natzwiller-Struthof. Mich hat der Ort ziemlich bewegt, weil dieses scheinbar kleine, überschaubare KZ eher „fassbar“ ist als die industriellen Mordanstalten im Osten und daher auch unmittelbarer an Geist&Seele geht.

In der Gegend von Dambach la Ville das Zentrum des Elsässer Weinbaus; man herbstet insgesamt eher spät im Elsass, es kann noch sehr schöne Blicke über die Wingerte geben.

Colmar mit Unterlinden und dem Isenheimer Altar natürlich.

Strasbourg hat sich in der Ära Trautmann sehr herausgemacht, ist auch unter dem Kaufkraftzufluß steuerfreier Europa-Diäten eine Art feine Dame geworden, ich denke manchmal an Niedeckens Söödstadt: „Verzäll nix!“ Hat aber auch sehr angenehme Aspekte, z.B. kommunalen Fahrradverleih und eine super funktionierende Straßenbahn, das Blech lässt man am besten am Rand stehen. Dort klein aber fein und „très Alsacien“ das Tomi-Ungerer-Museum; mit dem eigenen teils melancholischen, teils schwarzen und hie und da frivolen Humor gibt Ungerer einen Blick auf die Elsässer „Waggis“, der ganz anders ausschaut als der übliche Trachtentrallala. Für Architekturfreunde ein Broschürchen „Ballades Strasbourgeoises“ beim Office de Tourisme, mit fußläufigen Parcours durch die Stadt, nach Stilepochen gegliedert. An der Place Kléber, gleich bei der FNAC, eine unbesiegbare Buchhandlung, von außen unscheinbar, im Inneren Stoff für mindestens einen halben Regentag.

Und natürlich noch vieles andere, Strasbourg ist ein Kapitel extra. - Ein nettes Kneiplein (vor allem ohne die sonst noch selbst bei den Dönerbuden fast obligatorische Mittagspause) ist „Au Brasseur“, rue des Veaux. Eigenes Bier, Hausmannskost.

A propos Bier: Inzwischen sind alle Elsässer Biere wieder erträglich geworden außer Kanter und Mutzig. Wo das gelb/rote „Météor“-Schild hängt, kann man immer hineingehen.

Jedenfalls umgehen: Haguenau. Dieser Ort kann einem die Laune gründlich verderben.

So, jetzt gebe ich aber endgültig weiter an Leute, die dieses Gäu besser kennen.

Schöne Grüße

MM

Bist ein Schatzerl, Martin,

habe alles weitergegeben und bin schon gespannt auf die Berichterstattung - am liebsten würde ich mitfahren :smile:

Herzlichst,
Anja

Hi Anja,

das freut mich, wenn das zu einer schönen Reise verhilft. Wir sagen, wenn wir ersatzweise für derzeit nicht finanzierbare „richtige“ Reisen zwei Tage ins Elsass gehen „Wir spielen Verreisen“…

An dieser Stelle noch ein Erratum: Bei Hoefler Niedersteinbach ist der Flammchueche-Tag wohl eher der Samstag und nicht der Freitag; ggf. telefonisch anfragen: 00 33 3 88 09 50 28 - Me schwatzt Düdsch.

Schöne Grüße

MM