Hi Anja,
alldieweil sich der Samstag nähert, noch ein paar Dinge zu den Gegenden im Elsass, die ich nicht so kenne:
Herbst in und nach der Lese mit Weinlaubfärbung ist in den Weinbaugebieten im Südwesten noch einmal richtig Saison. Ich habe im Herbst 2007 tagelang am Telefon gehangen und die ganze Weinstraße entlang keine kurzfristig freie Ferienwohnung für unsere Gäste aus Libyen gefunden; am Kaiserstuhl wird es wohl ähnlich aussehen. Für spontane Unterkunft einen Versuch wert wären die südlichen Vogesen (Munstertal, Metzeral und Umgebung), wo die Kapazitäten auf Skitourismus Ende Dezember bis Februar ausgelegt sind.
Wegen besuchenswerten Orten und Flecken:
Ganz im Süden, kurz vor der Schweizer Grenze der Ausstellungsraum für moderne Kunst Fernet Branca in St Louis gleich bei Basel. Noch bis 24. Oktober eine Ausstellung „De Degas à Picasso“.
Nicht weit davon in Ottmarsheim ein kleines ottonisches Kirchlein in einer ziemlich seltenen Bauform, einem reinen Oktogon. Nach verheerendem Brand vor einigen Jahren wieder aufgebaut, aber auch in dieser Form einen Besuch wert.
Wenns noch ein bissel weiter in den Südwesten ans äußerste Ende der Vogesen gehen darf, die Notre Dame du Haut in Ronchamp. Ganz gleich was man von den städtebaulichen Konzepten von Le Corbusier hält, dieser Ort ist (noch!) etwas Besonderes. „Noch“ deswegen, weil in unmittelbarer Nähe der Neubau eines Klosters geplant ist, so daß dem Ort die Atmosphäre universeller Spiritualität bald verloren gehen wird. Nach Möglichkeit an einem hellen Tag besuchen, das Licht im Inneren wirkt dann besonders gut.
In Neuf-Brisach noch ein architektonisches Kuriosum: Eine annähernd vollständig konservierte Vauban-Festung, sozusagen eine Stadt vom Reißbrett.
In Séléstat/Schlettstadt die frühneuzeitliche Humanistenbibliothek mit einem wundervollen Bestand an Inkunablen, Wiegendrucken etc., in wechselnden Ausstellungen öffentlich zugänglich (halt nicht zum Anfassen…).
Von Séléstat eventuell ein Abstecher Richtung St. Dié nach Natzwiller-Struthof. Mich hat der Ort ziemlich bewegt, weil dieses scheinbar kleine, überschaubare KZ eher „fassbar“ ist als die industriellen Mordanstalten im Osten und daher auch unmittelbarer an Geist&Seele geht.
In der Gegend von Dambach la Ville das Zentrum des Elsässer Weinbaus; man herbstet insgesamt eher spät im Elsass, es kann noch sehr schöne Blicke über die Wingerte geben.
Colmar mit Unterlinden und dem Isenheimer Altar natürlich.
Strasbourg hat sich in der Ära Trautmann sehr herausgemacht, ist auch unter dem Kaufkraftzufluß steuerfreier Europa-Diäten eine Art feine Dame geworden, ich denke manchmal an Niedeckens Söödstadt: „Verzäll nix!“ Hat aber auch sehr angenehme Aspekte, z.B. kommunalen Fahrradverleih und eine super funktionierende Straßenbahn, das Blech lässt man am besten am Rand stehen. Dort klein aber fein und „très Alsacien“ das Tomi-Ungerer-Museum; mit dem eigenen teils melancholischen, teils schwarzen und hie und da frivolen Humor gibt Ungerer einen Blick auf die Elsässer „Waggis“, der ganz anders ausschaut als der übliche Trachtentrallala. Für Architekturfreunde ein Broschürchen „Ballades Strasbourgeoises“ beim Office de Tourisme, mit fußläufigen Parcours durch die Stadt, nach Stilepochen gegliedert. An der Place Kléber, gleich bei der FNAC, eine unbesiegbare Buchhandlung, von außen unscheinbar, im Inneren Stoff für mindestens einen halben Regentag.
Und natürlich noch vieles andere, Strasbourg ist ein Kapitel extra. - Ein nettes Kneiplein (vor allem ohne die sonst noch selbst bei den Dönerbuden fast obligatorische Mittagspause) ist „Au Brasseur“, rue des Veaux. Eigenes Bier, Hausmannskost.
A propos Bier: Inzwischen sind alle Elsässer Biere wieder erträglich geworden außer Kanter und Mutzig. Wo das gelb/rote „Météor“-Schild hängt, kann man immer hineingehen.
Jedenfalls umgehen: Haguenau. Dieser Ort kann einem die Laune gründlich verderben.
So, jetzt gebe ich aber endgültig weiter an Leute, die dieses Gäu besser kennen.
Schöne Grüße
MM