Hallo Lisa,
ich halte den Begriff „Kampf der Kulturen“ für deplaziert. Kampf der Religionen trifft es besser. Kampf der Kulturen würde einschließen, dass beide Seiten die jeweils andere Kultur verachten. In der Tat war es aber so, dass die europäisch-christliche und die arabische Welt kulturell nie so sehr voneinander gelernt und profitiert haben, wie zur Zeit der Kreuzzüge. Das beeinhaltet Naturwissenschaften, Medizin, Kunst und nicht zuletzt Kriegshandwerk. Es herrscht die Meinung, dass hierbei das Abendland mehr vom Morgenland profitiert hätte als umgekehrt aber das tut nichts zur Sache. Den kulturellen Austausch gab es auch schon vorher, besonders auf der ibrischen Halbinsel, die zur Zeit des ersten Kruzzugs von den Almoraviden und später von den Almohaden teilweise besetzt war. Hier fand ein reges Miteinander von Christen, Muslimen und Juden zum Wohle des kulturellen Fortschritts statt.
Es handelt sich bei den Kreuzzügen also wohl eher um religiös als kulturell motivierte Kriege. Wobei die Religion oft auch nur ein Deckmäntelchen war um den Kreuzfahrern ein gemeinsames Ziel zu setzen. Macht- und Territorialpolitik waren eindeutig die vorderrangige Motivation für die Kreuzzüge.
Zum einen dienten sie der Befriedung Europas, denn der gemeinsame Kampf gegen einen „äußeren Feind“ lenkte von den ständig schwelenden Kriegen und Konflikten zwischen den europäischen Großmächten (hauptsächlich England, Frankreich, Burgund, HRRDN und den ital. Staaten) ab. Andererseits waren sie perfekt für die Landgewinnung. Da das heilige Land ein flecken Erde war, auf den man ja aus religiösen Gründen Anspruch hatte, erhofften sich vor allem viele zweit- und drittgeborene Söhne des europäischen Adels die Möglichkeit, ein eigenes Stück Land, einen Herrschaftsbereich für sich zu erobern, denn in ihrer Heimat war das komplett aufgeteilte Land den Erstgeborenen vorbehalten und den Jüngeren blieb dann oft nur ein Leben als (Bettel-)Ritter oder Kleriker.
Im Nahen Osten konnten sich einige von diesen Söhnen Ländereien erobern, die sehr viel einträglicher waren als die ihrer Verwandten daheim. Die Kirche bzw. der Papst versprach sich durch die Rückeroberung der heiligen Stätten nicht nur mehr Ansehen und Macht, war er doch in Europa ohnehin schon meistens die einzige wirklich überregionale Autorität, nein, der „Besitz“ der heiligen Stätten versprach auch enorme finanzielle Einnahmen von den Pilgern (egal ob Juden, Christen oder Muslime) die zu diesen Orten pilgerten.
Das es bei den Kruzzügen nicht wirklich um die „gerechte Sache“ des Glaubens oder der Kultur ging, zeigt sich spätestens bei der ersten Eroberung Jerusalems, bei der die Bevölkerung, egal ob Christen, Juden oder Muslime, abgeschlachtet wurde. Und schon beim 4. Kreuzzug wurde das eigentliche Ziel, die Eroberung Ägyptens, ganz schnell vergessen und stattdessen das christlich-ortodoxe Konstantinopel nur wegen seiner Reichtümer geplündert. Nicht selten haben die europäischen Herrscher die zu Kreuzzügen aufbrachen, ihre Beute, wenn sie denn welche machten, dazu genutzt um nach ihrer Rückkehr ihre teuren Kriege in Europa weiterzuführen.
Die machtpolitischen und finanziellen Möglichkeiten der Kreuzzüge zeigt auch die Geschichte der vor diesem Hintergrund entstandenen Ritterorden (Templer, Malteser etc.).
Die Kreuzzüge haben also in ihrer Entstehungsidee und auch bei den meisten Ausprägungen zwar das offizielle Gepränge des religiösen Abwehrkampfes des sich auf dem Vormarsch befindlichen Islams, die konkreten Ziele der einflussreichen Teilnehmer waren meistens aber doch finanzieller und politischer Natur. Nicht zuletzt nahmen viele Potentaten auch nur das Kreuz, um ihre Verhältnis zum heiligen Stuhl zu verbessern.
Das als allgemeine Ansicht zum Thema Kulturenkampf. Gerne können wir über einzelne Punkte noch ausführlicher sprechen.
Grüße