Kann ein Betriebsrat befangen sein?

Guten Tag,

ich habe mal eine Frage bezüglich der möglichen Befangenheit von Betriebsräten. Die Fragestellung kam in einem Gespräch mit einem Kollegen über unseren Betriebsrat zustande.

Wir sind ein Uternehmen mit ca. 3000 Mitarbeitern in Deutschland und der Betriebsrat in unserem Unternehmen hat sich vor Jahren dahin gehend entwickelt, das 80% der Mitglieder des Betriebsrates, Kollegen aus meiner Abteilung sind.

Nun stellt sich mir die Frage, ob ein Betriebsrat bei Entscheidungen die meine Abteilung betreffen (also die Abteilung in der 80% unserer Betriebsratsmitglieder sind), unter Umständen befangen sein kann. Dies müsste eigentlich doch der Fall sein oder nicht? (Beispiel: Entscheidungen die Boni oder neue Strukturen in unserem Bereich betreffen.)

Für Antworten wäre sehr dankbar. Die Frage beschäftigt mich irgendwie und im Internet finde ich nur etwas zu einzelnen BR Mitgliedern aber nicht zum gesammten. :smile:

Viele Grüße

Hallo friday24
die rechtliche Seite kenne ich nicht. Da sollte mal ein Arbeitsrechtler oder die Rechststelle der zuständigen Gewerkschaft befragt werden. Grundsätzlich bin ich persönlich aber der Meinung, dass dies der Fall sein kann. Schließlich lässt sich die BR Arbeit und die sonstige Tätigkeit nicht im Alltag mit absoluter Sicherheit trennen. Deshalb ist es immer gut, wenn das Gremium gleichmäßig durchmischt ist von allen Abteilungen. Bei uns sind sowohl gewerbliche als auch kaufmännische Mitarbeiter vertreten; Tarifangestellt ebenso wie un Außertarifler, die keine leitenden Funktionen innehaben aber wegen Ihrer Tätigkeit nicht in die Tarifstruktur passen. So können immer alle Aspekte bedacht und betrachtet werden. Das ist dann selten ganz konfliktfrei untereinander. Aber es schützt vor Entscheidungen im Sinn von Klientel-Politik.Schließlich vertritt der BR als Gremium ja alle Mitarbeiter des Unternehmens (von den „leitenden“ mal abgesehen) Das ist auch klar im Gesetz so formuliert!
Trotzdem scheint es so zu sein, dass die Mitarbeiter wohl mit Euren Entscheidungen zufrieden zu sein; oder Ihr würdet wohl etwas aus der Belegschaft hören. Ein untrügerisches Kennzeichen ist aber auch die Nachfrage von Mitarbeitern zu Eurer Arbeit und zu persönlichen Problemen am Arbeitsplatz. Wenn es da im BR-Büro still ist, besteht schon die Gefahr, dass mit den Füßen abgestimmt wird und Ihr keine wirkliche Rolle bei den Kolleginnen und Kollegen spielt! Wenn der Gedankenaustausch mit den Mitarbeitern aller Bereiche/Abteilungen des Unternehmens rege ist, scheint alles ok zu sein.Sonst sollte Ihr Eure Arbeit einmal kritisch hinterfragen! Selbst wenn es rechtlich unbedenklich ist, scheint es mit wichtig zu sein, dass Ihr Euch der Gefahr der Klientenpolitik stets bewußt seit und so etwas zu vermeiden sucht. Dafür gibt es übrigens die vom Gremium selbst formulierte „Geschäftsordnung“ Da kann als § 1 durchaus formuliert sein: „der BR ist für alle Mitarbeiter verantwortlich; nicht nur für die der eigenen Abteilung!“ Wenn die Geschäftsordnung dann öfters mal zur Hand genommen wird ( kann genauso ständiger Tagesordnungspunkt der BR-Sitzung sein - z.B. im 3-Monatstakt - wie die Besprechung von einem wechselnden Paragraphen des BtrVG, des AGG und sonstiger einschlägiger Gesetzte und Verordnungen oder wie regelmäßige Informationen über aktuelle Urteile des Arbeitsgerichtes.
Gefahr erkannt=Gefahr gebannt gilt hier nicht.
Besser: Gefahr bekannt = Gefahr immer wieder benannt!

Läßt sich durch die Aktivierung von „Kandidaten-Schläfern“ bei der neuen BR-Wahl etwas korrigieren? Das wäre auch ein Zeichen dafür, dass Ihr es Ernst meint mit dem Problem!! Auch wenn es selbst „Verzicht“ bedeutet.

Viel Erfolg
Bernd

Hallo,

selbstverständlich könnte ein Betriebsrat befangen sein. Betriebsräte sind auch nur Menschen, die die gleichen Schwächen und Stärken haben, wie die Belegschaft von denen sie gewählt worden sind.
Die Belegschaft hat die Möglichkeit ihn zur nächsten BR-Wahl (Frühjahr 2010) nicht wieder zu wählen, falls sie der Meinung ist, dass er seine Wähler nicht richtig vertritt.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ihn wegen Verletzung grober Pflichten zur Verantwortung zu ziehen. Das Schlüsselwort ist hier allerdings „grober“.
Siehe bitte § 23 Betriebsverfassungsgesetz.
Andersrum macht sich der Arbeitgeber strafbar, wenn er seiene(n) Betriebsrat(Räte) bevorzugt § 78 BetrVG.
Ihr als Belegschaft habt nach § 84 BetrVG ein Beschwerdrecht, wo ihr euer Anliegen dem BR mitteilen könnt, und er verpflichtet ist, der Sache nach zu gehen.

Der allerbeste Wege jedoch ist es, wenn du dich selbst zur nächsten BR-Wahl als Kandidat zu Verfügung stellt. Da kannst du dich, falls du gewählt bist, voll ausleben und alles anders und besser machen, als die „Räte“ die momentan dran sind.

moeve

Hallo,
ich bin seit März 1996 freigestellter BR Vorsitzender bei einer Versicherung. Wir sind ein 9er Gremium für ca 380 MA hier vor Ort.

Das Thema Befangenheit kenne ich nur auf Einzelpersonen bezogen. Bsp: Gehaltsvorlage für ein BR mitglied. Hier ist der Betroffene befangen und wir halten es so, dass er zu dieser Abstimmung die Sitzung verlässt.

Befangenheit eines Gremiums kenne ich so nicht. Der mögliche Grund, dass 80 % des BR aus einer Gruppe kommen liegt ja nicht ursächlich im BR sondern in den Wahlen.

Also ich denke, da jedes BR Mitglied für alle wahlberechtigten MA zuständig ist und nicht nur für den Bereich aus dem es kommt, kann nur die Person, aber nicht das Gremium befangen sein.

Gruß RGK

Hallo,

da der Betriebsrat in einem Betrieb mit ca. 3.000 Beschäftigten aus 21 oder gar 23 Mitgliedern besteht ist eigentlich nicht davon auszugehen, das ein komplettes Gremium befangen ist. Wahrscheinlich gibt darüber hinaus auch noch verschiedene Listen/Fraktionen in so einem großen Gremium.

Relativ logisch ist jedoch, dass einzelne Gremiumsmitglieder naturgemäß die Interessen ihres Wahlbereichs (also Abteilung, Standort, Beschäftigtengruppe usw) schwerpunktmäßig vertreten (dafür werden sie ja auch von dort entsandt/gewählt). Wenn nun dieser Wahlbereich z.B. aufgrund seiner Beschäftigtenzahl (oder weil aus anderen Abteilungen nicht genügend Kandidat/innen zur Verfügung standen) eine Sitzmehrheit in einem Gremium hat können natürlich gewisse Themen auch von so einer Gruppe dominiert werden. Dies ist aber in der Politik (s. Bundestag) auch nicht anders. Minderheiten bzw deren Interessen kommen dann sehr oft zu kurz.

Ob Euer Betriebsrat sich auch für Minderheitenangelegenheiten engagiert kann aus der Ferne (gilt ggf auch für Beschäftigte im Betrieb) oftmals nicht oder nur schwer wahrgenommen werden. Beschäftigte die das Gefühl haben, dass ein Betriebsrat sich nicht um ihre Belange kümmert, sollten hier gezielt Anträge/Fragen stellen und sich Positionen erklären lassen. Vielleicht gibt es ja Aktivitäten oder Hinderungsgründe, die im Betrieb nicht bekannt sind. Darüber hinaus ist eine Betriebsversammlung das Forum, wo Beschäftigte ihre Fragen einbringen können. Hierbei sollte aber nicht vergessen werden, dass der Verursacher für die meisten Probleme im Betrieb nicht der Betriebsrat, sondern der Arbeitgeber ist. Aus der Anfrage entnehme ich, dass es u.a. um Umstrukturierungen geht. In dieser Frage liegt die Organisationsgewalt allein beim Arbeitgeber (verfügt über sein Eigentum). Über einen Interessenausgleich hat ein Betriebsrat nur begrenzte Möglichkeiten und ein Sozialplan lindert lediglich die Folgen etwas. Verhindern kann ein BR Organisationänderungen nicht. In den meisten Fällen scheitern Vorschläge und Initiativen eines Betriebsrates an der Blockadehaltung von Arbeitgebern.

Fazit: Betriebsräte handeln auf Grundlage von Beschlüssen/Abstimmungen, die in einer Sitzung gefasst werden und somit demokratisch zustande kommen. Hier kann also schwerlich von einer Befangenheit eines ganzen Gremiums ausgegangen werden. Klar ist jedoch, dass Mehrheiten (wie in der Politik auch) zu bestimmten Schwerpunkten in der Arbeit/Politik führen.

Gruß Gerd

Guten Tag,

ein Betriebsrat (dies ist ein Gremium) kann nicht befangen sein. Dies setzt Eigeninteresse voraus. In Ihrem geschilderten Fall geht es um eine Frage der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten § 87 Abs. 1 Ziff. 11 BetrVG. Leistungsentlohnung ist eine individuelle Angelegenheit und schafft dem BR weder Vor- noch Nachteile.

Mit freundlichen Güßen
dk

Ich hatte mal gehört, dass mehr als die Hälfte der BR Mitglieder in irgend einer Weise befangen sind.