Kann ein Kreis umfallen? -Ein Mathstudent meine ja

Laut Wikipedia schon:

nur, weil ein allgemeines Nachschlagewerk Begriffe extrem
einschränkend definiert, heißt das nicht, dass man an diese
Einschränkungen gebunden ist.

Deshalb schrieb ich ja auch explizit „Laut Wikipedia“. Dass Wikipedia nicht unfehlbar ist, ist eine Binsenweisheit. Aber wie lautet die Definition denn nun wirklich? Da sich das Problem auf diese eine Frage reduziert, lässt es sich nur lösen, indem hier jemand die offizielle Definition aus einer zuverlässigen Quelle zitiert.

Die Konstruktion funktioniert in jedem metrischen Raum – es
wäre unsinnig, diese Punktmengen nur in euklidischen Räumen
Kreise zu nennen.

Wenn ich mich recht entsinne, ist π als Verhältnis von Umfang und Durchmesser eines Kreises definiert. Wenn das der Fall ist (möglicherweise lautet lautet die offizielle Definition auch hier anderes), dann wäre π keine mathematische Konstante, sondern würde von der Wahl der Metrik abhängen, wenn die Kreisdefinition nicht auf den euklidischen Raum beschränkt ist. Mit dem Manhatten-Abstand würde sich beispielsweise π=2·√2 ergeben. Wäre das nicht unsinnig?

OT: π
Hallo!

Wenn ich mich recht entsinne, ist π als Verhältnis von Umfang
und Durchmesser eines Kreises definiert. Wenn das der Fall ist
(möglicherweise lautet lautet die offizielle Definition auch
hier anderes), dann wäre π keine mathematische Konstante

Deine Bedenken bezüglich der Kreiszahl kann ich zerstreuen: π ist eine ganz bestimmte reelle Zahl. Dafür braucht es keine exakte Definition zu geben, aber ich könnte diese Zahl - wie jede andere reelle Zahl auch - als Äquivalenzklasse einer Folge rationaler Zahlen angeben.
Welche Folge ich mir hierbei aussuche, ist relativ unerheblich. Ich könnte z.B. die Partialsummen der Taylorentwicklung der Arkuskosinusfunktion an der Stelle -1 bestimmen, und diese konvergieren dann gegen π. Es gibt auch eine andere relativ häufig auftretende Reihe (die mir leider im Moment nicht einfällt), deren Grenzwert π²/6 ist. (Σ1/n² könnt’s sein.) Darüber kann ich dann auch π definieren. Oder ich benutze die Kettenbruchentwicklung … Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Dass diese reelle Zahl einen eigenen Namen hat, liegt allerdings an der Eigenschaft, dass sie in der euklidischen Geometrie das Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser angibt, und die euklidische Geometrie nun einmal die wichtigste Geometrie im Alltag ist (es sei denn, man ist Pilot, Seefahrer oder Landvermesser). Aber als Definition für eine reelle Zahl eine geometrische Eigenschaft heranzuziehen, das würde den Wert der Algebra und Zahlentheorie infrage stellen.

Liebe Grüße
Immo

Deine Bedenken bezüglich der Kreiszahl kann ich zerstreuen: π
ist eine ganz bestimmte reelle Zahl. Dafür braucht es keine
exakte Definition zu geben […]

Dass diese reelle Zahl einen eigenen Namen hat, liegt
allerdings an der Eigenschaft, dass sie in der euklidischen
Geometrie das Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser
angibt […]

Was Du schreibst ist zwar alles richtig, passt aber nicht so ganz zur Geschichte dieser Konstante. Man hat sie ja nicht erst als Grenzwert irgend einer Reihe kennengelernt und dann festgestellt, dass sie zufällig dem Verhältnis von Umfang und Durchmesser eines Kreises im euklidischen Raum entspricht, sondern man ist umgekehrt von diesem Verhältnis ausgegangen und hat dann systematisch nach dem dazugehörigen Zahlenwert gesucht.

Hallo,

Deshalb schrieb ich ja auch explizit „Laut Wikipedia“. Dass
Wikipedia nicht unfehlbar ist, ist eine Binsenweisheit.

tatsächlich ist die Definition aus der Wikipedia ja nicht falsch – sie enthält nur die, mathematisch völlig überflüssige, Einschränkung, nur in der euklidischen Ebene zu gelten. Die Eigenschaft, sich in einem euklidischen Raum zu befinden, hat aber absolut nichts mit der Eigenschaft zu tun, ein Kreis zu sein.

Aber wie lautet die Definition denn nun wirklich?

Aus didaktischen Gründen wird wahrscheinlich in fast jedem einführenden Buch ähnlich vorgegangen: zunächst wird ausschließlich im euklidischen Raum gearbeitet – aber auch hier lautet die Definition etwa der Einheitskreislinie typischerweise (z. B. Königsberger, Konrad : Analysis 1. Springer, Berlin 1995. 3. Auflage, S. 119)
S^1 := {z\in\mathbb{C}:\lvert z\rvert = 1}
Faktisch wird hier natürlich die euklidische Norm verwendet – aber die Definition ist grundsätzlich davon unabhängig.

Erst später wird das Konzept auf allgemeine metrische Räume erweitert und Herr Prof. Königsberger zeichnet (Königsberger, Konrad : Analysis 2. Springer, Berlin 1997. 2. Auflage, S. 9) „Einheitskreise bezüglich || ||p für p = 1, 2, ∞.“

Wenn ich mich recht entsinne, ist π als Verhältnis von Umfang
und Durchmesser eines Kreises definiert.

Wie du richtig bemerkst, ist diese Definition von der metrischen Struktur des Raumes abhängig – wenn man π so definieren wollte, müsste man dazusagen, dass man die euklidische Ebene meint. Tatsächlich ist ein metrischer Raum allein für diese Definition garnicht ausreichend, da man für den Umfang die Bogenlänge der Kreislinie berechnen muss, welche rektifizierbar sein muss.

Heutzutage definiert man π aber eher als das doppelte der Nullstelle der Cosinus-Funktion im Intervall [0; 2]. Erst nach längerer Arbeit stellt man fest, dass diese Zahl wie durch Zufall als Fläche der Einheitskreisscheibe der euklidischen Ebene wieder auftaucht :wink:.

Mit dem Manhatten-Abstand würde sich beispielsweise
π=2·√2 ergeben.

Noch viel schönere Beispiele, warum dies keine geeignete Definition für π ist stellen die Französische-Eisenbahn-Metrik oder die triviale Metrik.


PHvL

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Aber wie lautet die Definition denn nun wirklich?

Aus didaktischen Gründen wird wahrscheinlich in fast jedem
einführenden Buch ähnlich vorgegangen: zunächst wird
ausschließlich im euklidischen Raum gearbeitet – aber auch
hier lautet die Definition etwa der Einheitskreislinie
typischerweise (z. B. Königsberger, Konrad : Analysis 1.
Springer, Berlin 1995. 3. Auflage, S. 119)
S^1 := {z\in\mathbb{C}:\lvert z\rvert =
1}
Faktisch wird hier natürlich die euklidische Norm verwendet –
aber die Definition ist grundsätzlich davon unabhängig.

Das war es, was mich irritiert hat. Ich habe alles durchstöbert, was ich bei mir an Mathematikbüchern herumstehen habe und überall wird die Kreisdefinition in einem Atemzug mit der euklidischen Norm genannt, ohne den geringsten Hinweis, dass das nur ein Spezialfall ist.

Erst später wird das Konzept auf allgemeine metrische Räume
erweitert und Herr Prof. Königsberger zeichnet (Königsberger,
Konrad : Analysis 2. Springer, Berlin 1997. 2. Auflage, S. 9)
„Einheitskreise bezüglich || ||p für p =
1, 2, ∞
.“

Für Laien besteht das Problem leider darin, dass viele Bücher nur das „zunächst“ behandeln und nicht bis zum „später“ kommen.

Heutzutage definiert man π aber eher als das doppelte der
Nullstelle der Cosinus-Funktion im Intervall [0; 2].
Erst nach längerer Arbeit stellt man fest, dass diese Zahl wie
durch Zufall als Fläche der Einheitskreisscheibe der
euklidischen Ebene wieder auftaucht :wink:.

Auch das war für mich etwas vrwirrend, weil es - wie schon gesagt - historisch genau andersrum war. Allerdings habe ich nicht bedacht, dass sich auch die Verwendung verschiedener Metriken historisch entwickelt hat. Als man angefangen hat, sich mit π zu beschäftigen, kannte man nur die euklidische Metrik (bzw. hat sie intuitiv verwendet). Damit steckt die Beschränkung auf diese Metrik von Anfang an in der Definition von π als Kreiszahl.