Kann ein Verkäufer, nach Kaufvertrag mit Anzahlung, bei Abholung mehr Geld verlangen, weil er sich verrechnet hat?

Habe im Baumarkt einen größeren Posten gekauft und angezahlt. Da die Ware nicht vorrätig war, wurde sie bestellt. Bei Abholung wollte der Verkäufer mit einmal mehr Geld, da er sich bei der Rechnung angeblich verrechnet hat.
Selbst wenn das stimmt, kann er mehr Geld verlangen oder ist er an den abgeschlossen Kaufvertrag gebunden.

Vielen Dank!

Zunächst einmal ist nicht alles ein Kaufvertrag, was so aussieht. D.h. es stellt sich die Frage, ob hier überhaupt tatsächlich schon ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Das ist oft gar nicht so einfach.

Sollte tatsächlich schon ein Vertrag bestehen, kann der Verkäufer nicht einfach mehr verlangen. Allerdings kann er sich ggf. auf einen anerkannten Anfechtungsgrund berufen. Ein „Verschreiben“ wäre z.B. als Erklärungsirrtum relevant, ein tatsächlich offen gegenüber dem Kunden nachweisbar erklärter Kalkulationsirrtum würde als so genannter „Motivirrtum“ unbeachtlich sein.

Folge einer erfolgreichen Irrtumsanfechtung wäre dann, dass der Vertrag rückabgewickelt werden müsste. D.h. hier rein praktisch, dass es weder Geld noch Ware gibt. Dies würde den Verkäufer aber nicht daran hintern, im nächsten Moment ein neues, „korrektes“ Angebot zu machen. Dem verhinderten Käufer ist es dann überlassen, ob er dieses dann nun annimmt, oder nicht.

D.h. es wäre dann rein praktisch (wenn man mal die juristischen Zwischenschritte wegließe) durchaus möglich mehr zu fordern, der Käufer wäre aber frei, dann auf die Ware zu diesem Preis zu verzichten. D.h. er müsste die Ware nicht zu dem höheren Preis abnehmen.

Nein - er kann lediglich von dem Kaufvertrag zurücktreten bzw. genauer: den Kaufvertrag wegen Irrtums anfechten (§ 119 BGB). Voraussetzung ist, dass die Anfechtung ohne schuldhaftes Verzögern, d.h. unmittelbar „nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.“ (§ 121 BGB).

Selbstverständlich muss Dir dann deine Anzahlung in voller Höhe rückerstattet werden (ggf. mit marktüblichen Zinsen) sowie eventuell auch Schadensersatz geleistet werden, wenn Dir durch den Rücktritt ein solcher ensteht (§ 122 BGB). Etwa, wenn Dir durch die dadurch entstehende Verzögerung ein nachweislicher Schaden entsteht (z.B. eine mit dem bestellten Material zu renovierende Wohnung wegen Einholung neuer Angebote erst einen Monat später bezogen werden kann) oder wenn Du nachweisen kannst, dass Du ein ähnlich günstiges Konkurrenzangebot ausgeschlagen hast und dieses nun mittlerweile nicht mehr gilt.

Ich würde auf jeden Fall versuchen, mit dem Geschäftsführer zu verhandeln und diesem deutlich machen, dass Du so etwas für ein unseriöses Geschäftsgebaren hältst und Du auf keinen Fall einen höheren Preis als vereinbart bezahlen wirst. Dann sitzt der Geschäftsführer erst einmal auf der bestellten Ware, woran auch er vermutlich kein Interesse hat.

Freundliche Grüße,
Ralf

P.S.: oben stehendes ist nur meine persönliche Meinung und keine Rechtsberatung, für die ich in keiner Weise qualifiziert bin.

Ich denke, durch Leistung und Annahme der Anzahlung liegen beiderseits eindeutige konkludente Willenserklärungen vor - d.h. ein Kaufvertrag ist zustande gekommen.

Es ist die Frage, wie der „Kalkulationsirrtum“ zustande kam. Wenn sich der Verkäufer z.B. bei der Eingabe des Einzelpreises vertippt hat oder wenn er die falsche Produktnummer eingegeben hat (z.B. die einer höherwertigen und daher teureren Variante der Ware) ist auch dies ein Erklärungsirrtum. Eine bloße Angabe „ich habe mich verrechnet“, ohne dass dies nachgewiesen werden kann, ist da allerdings eher als Schutzbehauptung zu werten. Ein „Motivirrtum“ wäre es, wenn der Verkäufer zwischenzeitlich jemanden gefunden hätte, der bereit wäre, mehr zu zahlen (also den Käufer zu überbieten). Das ist natürlich kein Anfechtungsgrund - auch nicht auf Seiten des Käufers, wenn der in der Zwischenzeit ein günstigeres Angebot gefunden hat oder wenn seiner Frau die gekauften Tapeten nicht gefallen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Der Vollständigkeit halber sollte man ebenfalls noch erwähnen, dass auch der Kalkulationsirrtum beachtlich sein könnte. Möglicherweise gilt sogar ohne Weiteres der „echte“ Preis, wenn beide gemeinsam ihn anhand der Einzelpreise ausgerechnet haben.