Kann hier mal jemand hilfbar sein?

Liebe ExpertInnen,

Ihr möget mir das Thema verzeihen, wahrscheinlich grölt gleich jemand „Nicht schon wieder!“, aber mir geht langsam der Draht aus der Mütze: Im Forum ist die Rede von unflirtbaren Männern und unabstürzbaren Browsern. Unkaputtbar mag ja noch als Verballhornung durchgehen, aber wenn mir im Spiegel-Kulturteil unverletzbare Gefühle und im Krimi unschwimmbare Stiefel begegnen, dann beiße ich ein Stück aus der Tischkante. Mein Glaube an das Überleben der Sprache wird langsam zerstörbar. Sowas ist einfach unhinnehmbar.

Wie kann man diesen Unseligen denn auf die Sprünge helfen? Das -bar ist nun mal etwas, das dem Substantiv innewohnt, dem es beigestellt ist. So denke ich, dass zur Not ein Napfkuchen stürzbar sein darf, aber kein Browser unabstürzbar; der Mann mag gelegentlich nicht beflirtbar sein, nein, das macht auch lange Zähne, dann schon lieber nicht becircbar becircebar bezirzbar nunissguttsowirddasnix. Woher aber kommen solche Missbildungen? Spielen uns da wieder mal die Übersetzer einen Streich nach dem anderen? Wer weiß was?

Das ist denkbar sonderbar! (owT)
(hier nix guckbar!)

Meine Theorie: es beginnt alles mit der Ur-Verballhornung

Unkaputtbar

Daraus wird ein Gesellschaftsspiel, jeder erfindet was neues:

unflirtbare Männer
unabstürzbare Browser

und am Ende weiß keiner mehr, daß alles nur ein Spaß war, und die jungen Leut’ übernehmen das womöglich noch als ganz normale Wörter…

(Entspricht meiner Lieblingstheorie zur Entstehung von „OK“:
eine Abkürzungsmode von Zeitungen in Boston der 1830er Jahre - z.B.
OFM für „Our First Men“ oder
GT für „Gone to Texas“
also noch ganz normale Abk. (gewissermaßen voll korrekt), die in einer zweiten Phase durch absichtlich falsche Abküzungen verballhornt wurden wie
OW für „_O_ll _W_right“
KG für „K_no_w Go“
KY für „K_no_w _Y_use“
oder eben OK für „_O_ll _K_orrect“.)

NS (Nuff Said)

Hallo,

vermutlich halten sich die Nutzer solcher linguistisch nicht haltbaren Konstrukte für ausgesprochen geistreich, sozusagen für Jünger desbegriffs „unkaputtbar“. Und da der deutsche humor die Eigenart hat, alles auszutreten (siehe unsere merkwürdigen Slapstick-Komödien), dürfte das nur ein weiterer uswuchs sein. Womöglich steckt auch die Angst vor dem Komma (ja wohin gehöt es denn im Satz?) dahinter, Nebensätze zu bilden, die stilvoll und korrekt ausdrücken, was gemeint ist. Schnodderigkeit, Lässigkeit, was auch immer. Wunderbar sind diese Wortschöpfungen auf keinen Fall. Da stimme ich Dir voll zu.

Grüßle,

Susanne

Woher aber kommen solche Missbildungen? Spielen uns da wieder
mal die Übersetzer einen Streich nach dem anderen? Wer weiß
was?

Hallo, Ralf,
nichts dergleichen, Werbung, der Sprachzertörer ist’s.
Man will auffallen, unverwechselbar sein, also greift man nach jedem Strohhalm.

War noch der Erfinder des „unkaputtbar“ mit seiner Plastikflasche einigermaßen originell, war aber mit diesem fingerdünnen Loch im Deich bereits der Dammbruch vorprogrammiert. Die Horde derer, die auch zwanghaft originell sein wollten, stürzten sich darauf wie der Geier aufs Aas und wähnten sich ebenso geistreich wenn sie nun mit un*bar, bar jeden Sprachempfindens jedes adjektiv verbanden.

Mittlerweile ist diese Mißgeburt der zwanghaften Kreativität aber dank solcher Protagonisten wie der unsagbaren Veronika F. soweit ins Kleinhirn des Volkes vorgedrungen, dass sich Lieschen Müller schon gar nichts mehr dabei denkt (falls sie oder ihr männliches Pedant das denn jemals getan haben), wenn sie ihrer Sprache in dieser Weise Gewalt antun.

Werbung geht es darum, im Wortsinne „merkwürdige“ Sprüche zu erfinden. Sprüche, die dem Volke im Gedächtnis haften bleiben, wenn es denn die Produkte, die sie bewerben selbst nicht tun. Und da Werbung heute leider allgegenwärtig ist, sind die krampfhaft kreativen Wortverschandelungen es eben leider auch.

Gruß
Eckard

Nur Bares ist nicht immer Wahres
Hallo Drambeldier,

da ich den Zwiebelfisch ebenfalls lesbar vor mir hatte und glaube, mich in Deinem Beitrag wiederfindbar gemacht zu haben, möchte ich entgegenbar sein. Aber seien wir ernstbar:

Auch mich stört dieses Sonder bar e. Selbst bei Begriffen, bei denen man das -bar anwenden darf, frage ich mich, warum man beispielsweise „Das ist entschuldbar“ statt „Das ist zu entschuldigen“ zu sagen pflegt. Und obwohl ich mir sicher bin, dass viele Dinge machbar ist, so wäre es angenehm, wenn sie ebenso einfach zu machen wären. (Kommt womöglich bald auch der „machbare Sinn“?)
   Bisweilen fällt es mir schwer, die Unterschiede noch festzustellen, weil einem diese Begriffe überall um die Ohren (und Augen) gehauen werden. Aber wie Du gesehen haben dürftest, hatte ich das „unabstürzbar“ in meiner Frage nach einem Browser, der nicht abstürzen kann, in Anführungsstriche gesetzt - wohlweislich, damit der Zwiebelfisch nicht vom Kopfe stinkbar wird! ;o)

Marco

Die Horde derer, die auch zwanghaft originell
sein wollten,

Hallo Eckard,
Ich glaube, das ist des Rätsels Lösung generell.

Gruß
Irene

Ebenfalls liebe Experten und Epertinnen!

Ich hatte bereits im Fremdsprachenbrett bei der Diskussion über ‚Sabbatikal‘ Dampf abgelassen und über die Doppelzüngigkeit, um nicht zu sagen Chuzpe gemeckert, wie sich einige Leute hier im Brett immer wieder über solche Dinge künstlich aufregen und auf der anderen Seite mit viel Einsatz die Einführung unnötiger Fremdwörter in die deutsche Sprache betreiben.
Im besagten Fall hatte ich auf eine Reihe von Einwänden warum ‚Sabbatikal‘ ‚unbedingt notwendig ist‘ weil es ‚ganz was anderes ist‘ vier deutsche, gebräuchliche Entsprechungen gebracht. Aber keiner reagierte drauf!
Es hat etwas mit Selbstgefälligkeit und Geltungsbedürfnis zu tun wenn man zum Ausdruck bringen will man sei ‚cool‘ und ‚IN‘.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

Also doch verzichtbar…
Ein herzliches Dankeschön an Euch alle!

Der Grundtenor lautet wohl, dass die Werber sowas in die Welt setzen. Davon bin ich aber nicht ganz überzeugt. Beim schokoladig höre ich noch so ein gewisses Augenzwinkern heraus (ohjemine, was für eine Metapher…), wenn Nachrichtensprecher bei ARD und ZDF aber von unverzichtbar sprechen, klingt das nicht so, als spielte da jemand mit der Sprache.

@Marco: Die Hochstriche um unabstürzbar habe ich übersehen resp. sie für Fliegendreck auf meiner Brille gehalten. Mit Tüttelchen wäre das nicht passiert, aber das ist natürlich mein Problem… Witzigerweise antwortete einer dann mit „abstürzbar“, allerdings ganz ohne Hervorhebung. Der scheint das Wort seinem Sprachschatz einverleibt zu haben.

@Alexander: Dunkel ist Deiner Rede Sinn. Soll ich das als Beschwerde auffassen? Über wen - etwa über mich? *blödguck*

Gruß Ralf

Hallo Eckard,
ich hätt’ da jerne mal 'ne Fräge…

Ich verstehe nicht ganz, was an Wörtern wir „unabstürzbar“ (ich stürze, äh, stütze mich jetzt mal auf das Beispiel). Für mich klingt es auch nicht richtig, ich kann aber nicht so ganz feststellen, wieso. Ist es, weil das Wort in keinem Duden/Wahrig/Grimm steht und es eben ein Neologismus ist? Oder ist es wirklich sachlich falsch?
Wenn ich genauer über „ein unabstürzbarer Browser“ nachdenke, dann komme ich darauf, dass „unabstürzbar“ ja eigentlich impliziert, dass niemand den Browser abstürzen könne, was sprachlich ja nicht geht, da „abstürzen“ intransitiv ist. In der Hinsicht würde ich’s verstehen.
Als ich die Thread-Überschrift las, dachte ich auch zuerst, jemand suche irgendwen, dem man helfen könne (mir geht’s tatsächlich manchmal so).

Falls letzteres, dann okay, dann geh ich mit.
Falls ersteres, dann versteh ich den Trouble darum nicht ganz, da man doch durchaus neue Wort schaffen kann, so lange sie Sinn machen.

  • André (der momentan etwas auf dem Schlauch steht)

Hallo, André,

Ich verstehe nicht ganz, was an Wörtern wir „unabstürzbar“
(ich stürze, äh, stütze mich jetzt mal auf das Beispiel).

weil deutsche Sätze, um verständlich zu sein, eines Prädikats!

Wenn ich genauer über „ein unabstürzbarer Browser“ nachdenke,
[…]
was sprachlich ja nicht geht, da „abstürzen“ intransitiv ist.

Die Nachsilbe -bar dient zur Bildung passiver Adjektive, die eine Möglichkeit ausdrücken sollen. Sie wird dazu an den Stamm eines Verbs angehängt.

Im Falle „stürzen“ wäre die Bildung „stürzbar“ durchaus denkbar, wenn sie sich z.B. auf einen Pudding bezöge.

Im Falle „kaputt“ kann kein -bar angehängt werden, da es sich dabei ja nicht um ein Verb handelt. Die Vorsilbe „un-“ macht die Bildung sprachlich vollends falsch.
Dennoch ist im Zusammenhang mit der Plastikflasche dieser falsche Begriff un-mittel-bar verständlich (nicht „verstehbar“!), einleuchtend.
Er sorgt eben dadurch, dass er eine Fehlbildung ist, für eine gewisse Erheiterung, wie wir sie z.B. auch bei sprachlichen Fehlleistungen von Kindern empfinden, ist in sofern originell und aufmerksamkeitsträchtig, kurz werbewirksam.
Wird aber dieses Prinzip inflationär angewendet, verliert es seine Originalität, wirkt bemüht. Man spürt die Absicht und man ist verstimmt.

Gruß
Eckard

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Nur ganz ‚‚kurzbar‘‘
Servus Ralf!

@Marco: Die Hochstriche um unabstürzbar habe ich
übersehen resp. sie für Fliegendreck auf meiner Brille
gehalten. Mit Tüttelchen wäre das nicht passiert, aber das ist
natürlich mein Problem… Witzigerweise antwortete einer dann
mit „abstürzbar“, allerdings ganz ohne Hervorhebung. Der
scheint das Wort seinem Sprachschatz einverleibt zu haben.

Ja, das Dumme ist, dass im Titel/Betreff die doppelten in einfache Anführungsstriche umgewandelt werden. Aber ich möchte ungern zwei Apostrophe setzen, wie ich es jetzt einmal gemacht habe. Sieht etwa hässlich aus.

Marco