Angewandte Idiotie
Hallo Andras,
Ich frage mich ob eine Firma eigentlich von seinen Mitarbeiter
verlangen kann, das sie 100%ig fehlerfrei arbeiten?
Klar kann sie das verlangen. Sie kann auch von allen Mitabeitern verlangen, neben der Arbeit ein Wirtschaftsstudium abzulegen oder Chinesisch zu lernen. Inwieweit die Erfüllung der Forderungen realistisch ist, ist eine andere Frage.
Zunächst einmal gehen für die bisher gebrachten Beispiele mit Autos oder Flugzeuge am Thema vorbei. Auch bei der Produktion von Autos oder Flugzeuge werden Fehler gemacht. Durch eine sorgfältige Kontrolle der Produkte werden dann Fehler gefunden und ausgebessert (oder auch nicht). Hier geht es darum dass schon der Herstellungsprozess im ersten Ansatz fehlerfrei erfolgt.
Qualität kostet Geld. Fehlerfreiheit kostet viel Geld. Perfektion kostet immens viel Geld.
Wenn ein Massenprodukt, z.B. Schrauben gefertigt wird, geht man mit der Fertigungsqualität bis zu einen gewissen Level und akzeptiert fehlerhafte Produkte, die man danach auszuselektieren versucht. Alles andere ist unrentabel. Bei manchen elektronischen Produkten, z.B. bei manchen Monitoren, gibt es keine vernünftige Endkontrolle mehr. Ist ist rentabler dem Kunden ein defektes Gerät auszutauschen.
Jeden Tag kommt es von den 16.000 Produktionseinheiten auf
etwa 10(!) „nicht geschafften Produktionseinheiten“. Sie sind
entweder beschädigt oder Fehlerhaft oder zu spät
fertiggestellt.
Wenn es also der Leitung gelingt, dass weitere 10 Geräte fehlerfrei hergestellt werden, bedeutet dies eine Produktionssteigerung von 0,06 %. Auch wenn man den finanziellen Verlust der Ausgangsmaterialien berücksichtigt ist das einfach nur lächerlich.
Durch die ewigen Ermahnungen „Einträgen in die Personalakte“
und dergleichen geht die Moral in den Keller (doch dank der
Arbeitsmarktlage wissen sie ja, das niemand von selbst geht).
Menschen machen Fehler. Wenn Menschen schnell oder unter Druck arbeiten, machen sie mehr Fehler., je schneller oder je höher der Druck, desto mehr Fehler.
Manche Vorgesetzte haben nun ein leicht paranoides Menschenbild. Sie glauben, dass ihre Angestellten faul, schlampig und uninteressiert sind. Sie denken, dass sie ihren Mitarbeitern nur gehörig Dampf unter dem Hintern machen müssen und dann klappt das schon. Sie glauben auch, dass sie selber die gleiche Tätiglkeit noch schneller und ohne Fehler machen würden (ohne Witz). Druck machen ist eine einfache und häufig wirksame Strategie, die zudem sehr billig ist und auch vom dümmsten Vorgesetzten beherrscht wird.
Erfahrungsgemäß reagieren Mitarbeiter auf so was mit Vermeidungsstratien. Man versucht zu vermeiden, dass die Vorgesetzten Fehler sehen und versucht eine perfekte wunderbare Welt vorzuführen, was die Vorgesetzten in ihrer Einschätzung bestärkt (Kaum haue ich hier auf den Putz, schon klappt alles).
Die Mitarbeiter bekommen deswegen immer mehr Druck um diese
maximal 10 Einheiten ebenfalls noch auf die Strasse zu
bekommen.
Das ist angewandte Idotie. Wirtschaftlich wäre es viel sinnvoller 15.990 Einheiten mit 36 Angestellten herzustellen oder die Produktionszeit auf 3 Stunden und 25 Minuten zu senken.
Was will also die Leitung mit einer Fehlerquote von 0 %. Es ist eine Kennzahl, mit der man glänzen kann, wenn man sonst nicht viel zu bieten hat.
Was kann ich dir nun persönlich dazu sagen?
Zunächst einmal hast du mein Mitgefühl.
Dann kann ich dich damit trösten, dass du nicht allein bist. Ungerechte und irreale Anfordungen sind fast normal. Die Meisten hier im Forum können dir sicherlich Erfahrungen berichten.
Wenn ihr keine Ausweichstrategien entwickelt, z.B. mehr defekte Geräte überseht, wird es weiterhin eine Fehlerquote geben. Sie wird aufrund statistischer Fluktuation von Produktionslauf zu Produktionslauf schwanken.
Die Leitung wird irgendwann die Lust an dem Thema verlieren. Was soll sie denn anderes tun als drohen und sich aufblähen. Sie entlassen ja noch nicht mal den „langsamen“ Mitarbeiter. Wenn es also nicht wirkt, gibt sie irgendwann auf.
Gruß
Carlos