Kannst Du einen Stern berühren?

fragte man das Kind. „Ja“, sagte es, neigte sich und berührte die Erde.
Hugo von Hofmannsthal

Seid Ihr so lieb und könnt mir Anregungen geben, was Ihr unter dem Spruch versteht, mit was Ihr in verbindet und was Euch so durch den Kopf geht, wenn Ihr ihn lest?

Herzlichen Dank und liebe Grüße,
Tanja

Tja, also streng genommen ist die Erde ja kein Stern (weil keine Gaskugel), aber im laienhaften Sprachgebrauch nennt man ja alle Himmelskörper (also auch Planeten) Stern. Somit wäre auch die Erde ein Stern, jedenfalls wenn man bedenkt, dass sie von anderen Orten aus als Himmelskörper erscheint. Das kluge Kind weiß das und zeigt, dass alles eine Frage der Perspektive ist. Wir, das sind die anderen :wink:

Levay

fragte man das Kind. „Ja“, sagte es, neigte sich und berührte
die Erde.
Hugo von Hofmannsthal

Hi, Tanja,

es war ein wissendes Kind, wenn man unterstellt, dass die „Wandelsterne“ des Altertums und Mittelalters, sprich: die Planeten der Sonne, als „Sterne“ angesprochen werden dürfen, quasi als Oberbegriff von „Wandelstern“ und „Fixstern“.

Zum zweiten ist das Bild des Neigens, um die Erde zu berühren, rührend, denn sicher stand das Kind auf der Erde und berührte sie daher bereits mit den Füßen; das Neigen führte also höchstens zu einer doppelten Berührung.

Zum dritten suggeriert der Begriff „Stern“ die (nahezu) unendliche Ferne der Welten, die wir den Sternen (im Unterschied zum Irdischen) zuordnen müssen. Bilder wie „ich greife nach den Sternen“ stehen und standen für das Unerreichbare - kaum denkbar, dass die Gedankenwelt eines Kindes diese Weite zu überwinden vermag und aus der Beschaffenheit der Erde als einer von mehreren Planeten der Sonne diese Weite auf einen Handgriff reduziert - die Menschheit hat dazu Jahrtausende gebraucht!

Welch ein Glaube an die geistige Kraft des Menschen offenbart sich in dieser symbolischen Handlung eines Kindes! Hugo von Hofmannsthal hat sicher nicht die heutige Kinder-Generation gemeint.

Gruß, mucu

Hallo Tanja
Als erstes ging mir -wie den Anderen hier offenbar auch-durch den Kopf, dass die Erde ja ein Planet und kein Stern ist. Aber dann dachte ich: Ja, man sollte öfter bei seinen eigenen Gefühlen bleiben und nicht nur soviel projezieren.
Gruß,
Branden

Liebe Tanja
Dazu fällt mir Erich Kästner ein:
Es ist doch so: Die ‚Fragen sind es, aus denen das, was bleibt, entsteht. Denkt an die Frage jenes Kindes: ,Was tut der Wind, wenn er nicht weht?‘“
Viele Grüße
Voltaire

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fragte man das Kind. „Ja“, sagte es, neigte sich und berührte
die Erde.
Hugo von Hofmannsthal

Seid Ihr so lieb und könnt mir Anregungen geben, was Ihr unter
dem Spruch versteht, mit was Ihr in verbindet und was Euch so
durch den Kopf geht, wenn Ihr ihn lest?

Mir fällt da ein alter Poesiealbumsspruch ein:

Wozu in die Ferne schweifen,
sieh das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
denn das Glück ist immer da.

Sonst genieße ich einfach, wie schön Hofmannsthal es sagt - er kann es natürlich viel besser!

Beate