Kant - Aufklärung - Verstand vs. Vernunft

Ihr lieben Philosophen,

wir mal wieder.
Mein Mann (Jan)steht kurz vor seiner mündlichen Magisterprüfung im Fach Philosophie und verzweifelt gerade an Kants Begriff von Verstand bzw. Vernunft.
Da ihm hier schon mehrmals gut geholfen wurde, hat er mich gebeten Euch zu fragen.
Ich hab im Archiv gesucht und bin gescheitert.

Deshalb hier jetzt seine Frage:

"Text: ‚Was ist Aufklärung‘ von I.Kant

  1. Aufklärung ist Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit durch selbstständigen Verstandesgebrauch.

  2. Später im Text: Unterscheidung von öffentlichem Vernunftgebrauch (als Motor der Aufklärung) und privatem Vernunftgebrauch (darf eingeschränkt werden)

Frage:
Warum spricht Kant einmal von (freiem) Gebrauch des Verstandes und einmal vom (freien) Gebrauch der Vernunft?
Worin unterscheidet Kant (allgemein/hier) Verstand und Vernunft?"

Soweit seine (Jans) Worte.
Ich weiß, dass er sich eine knackige, präzise Unterscheidung wünscht.

Vielen Dank für Eure Hilfe.
Gruß
Kerstin

Hallo Kerstin,

ich mach es mal kurz und knackig - wie gewünscht (natürlich könnte man seitenweise etwas dazu schreiben …). :smile:

Die Vernunft ist nach Kant das höhere Vermögen und schließt Verstand und Sinnlichkeit genauso ein wie die Urteilskraft.

In der Aufklärungsschrift steht der Verstandesbegriff für den Gebrauch der Logik als Gegensatz zum Gefühl bzw. zum Glauben. Hier geht es vor allem darum, dass man überhaupt erst einmal selbst denken soll (logisch denken soll) und sich nicht von anderen bevormunden lässt.

Die Vernunft hingegen ist bei Kant auch eine moralische Instanz, die in manchen Fragen des öffentlichen (!) Gebrauchs eingeschränkt werden darf (lax gesagt: Soldaten dürfen keine Kriegsdienstverweigerer sein, selbst wenn ihnen der Krieg suspekt sein sollte; Pfarrer müssen Gott verkünden, wenn sie meinen, das nicht zu können, dürfen sie eben keine Pfarrer mehr sein). Hier wird also nicht das logische Denken (der Verstand) eingeschränkt, sondern die moralische Bewertung eines Vorgehens, und zwar aufgrund von äußeren Gegebenheiten.

War das knackig und präzise genug?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas

Ich mische mich mal ein. Koennte man es noch formalhafter
ausdruecken:
Verstand=klares, logisches Denken
Vernunft=Verstand+Moral+Sinnlichkeit?
Was bedeutet aber Sinnlichkeit hier? Gefuehle wohl nicht, denn die
stehen ja der Vernunft gegenueber, oder?

Gruss, Tychi

Könnte mir vorstellen, daß mit Sinnlichkeit, Sinnhaftigkeit gemeint ist. Also die Sinnestätigkeit ansich.

Oder?

gruß
rolf

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Hallo Tychi,

Verstand=klares, logisches Denken
Vernunft=Verstand+Moral+Sinnlichkeit?
Was bedeutet aber Sinnlichkeit hier? Gefuehle wohl nicht, denn
die stehen ja der Vernunft gegenueber, oder?

nein, Gefühle sind hier nicht gemeint, sondern Wahrnehmungen und Erfahrungen (in Raum und Zeit). Diese werden nach Kant durch den Verstand geordnet, allerdings ohne zu werten. Diese Wertung findet durch die Vernunft statt, indem die Urteilskraft zwischen Sinnlichkeit und Verstand vermittelt.

Herzliche Grüße

Thomas

Hi Ihr alle,

kann ich nur bestätigen. Hab nochmal in meine Schulunterlagen (noch frisch *g*) gesehen und genau eure Worte gefunden. Sinnhaftigkeit ist sehr schön ausgedrückt. Die Vorstufe zur Erfahrung verläuft über die Sinne.

Ciao ciao
Maurice

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