Kant-Zitat?

Hallo Kantianer,

vor einiger Zeit hab ich einen Satz gelesen, der Kant zugeschrieben war:

„Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft“

Nun hab ich keinen Beleg gefunden, außer der Fundstelle in Wikiquote. Dort steht aber, das der Satz Kant nur zugeschrieben wird, ohne Beleg.

Frage:
Stammt der Satz von ihm und wie hat er diesen Satz gemeint, denn bisher hab ich noch gar nicht gewusst, daß Kant sich zum Anarchismus geäußert hat.

Gandalf

Anarchie bei Kant
Hallo Gandalf,

„Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft“
Stammt der Satz von ihm und wie hat er diesen Satz gemeint,
denn bisher hab ich noch gar nicht gewusst, daß Kant sich zum
Anarchismus geäußert hat.

in den Reflexionen aus dem Nachlass (Refl. 1522) findet sich eine stichwortartige Äußerung Kants zur Anarchie als „Freiheit und Gesetz ohne Gewalt“, der in die „Anthropologie i. pragm. Hins.“ aufgenommen wurde (S. 331, s. E. Der Charakter der Gattung., dann: Grundzüge der Schilderung …).

Das genaue Zitat habe ich auf die Schnelle nicht nachweisen können.

Herzliche Grüße

Thomas

Hallo Thomas,

in den Reflexionen aus dem Nachlass (Refl. 1522) findet sich
eine stichwortartige Äußerung Kants zur Anarchie als „Freiheit
und Gesetz ohne Gewalt“,

der alte Knabe wird mir immer sympatischer!

Das genaue Zitat habe ich auf die Schnelle nicht nachweisen
können.

Keine Eile!
Wenn Dich aber mal die Langeweile übermannen sollte …

Vielen Dank schon mal

Gandalf

Hallo Gandalf,

du kannst dir vielleicht denken, dass mir sowas keine Ruhe lässt.

In den Schriften (also außerhalb des Nachlasses) finden sich zwei weitere Hinweise in Anmerkungen: einmal ist vom „Zustand der Anarchie mit allen ihren Greueln“ (Über den Gemeinspruch …) die Rede, das andere Mal von der Anarchie als „Regierungslosigkeit“ (Streit der Fakultäten). Dann gibt es noch eine Stelle in der ersten Auflage (!) der Kritik der reinen Vernunft, die ich aber nicht gefunden habe, weil ich die Ausgabe Cassirer nicht habe (stw III, 12), ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dort der Begriff politisch verwendet wird.

Und nun noch einmal zur „Anthropologie“, wo es fast ganz am Ende heißt:
"II. F r e i h e i t und G e s e t z … sind die zwei Angeln, um welche sich die bürgerliche Gesetzgebung dreht. - Aber damit das letztere auch von Wirkung und nicht leere Anpreisung sei: so muß ein Mittleres (hier habe ich die Anm. gestrichen, TM) hinzu kommen, nämlich G e w a l t , welche, mit jenen verbunden, diesen Prinzipien Erfolg verschafft. - Nun kann man sich aber viererlei Kombinationen der letzteren mit den beiden ersteren denken:

A. Gesetz und Freiheit ohne Gewalt (Anarchie).
B. Gesetz und Gewalt ohne Freiheit (Despotismus).
C. Gewalt ohne Freiheit und Gesetz (Barbarei).
D. Gewalt mit Freiheit und Gesetz (Republik).

Man sieht, daß nur die letztere eine wahre bürgerlihe Verfassung genannt zu werden verdiene; wobei man aber nicht auf eine der drei Staatsformen (Demokratie) hinzielt, sondern unter R e p u b l i k nur einen Staat überhaupt versteht und das alte Brocardicon: Salus civitatis (nicht civium) suprema lex esto nicht bedeutet: Das Sinnenwohl des gemeinen Wesens (die G l ü c k s e l i g k e i t der Bürger) sollte zum obersten Prinzip der Staatsverfassung dienen; denn dieses Wohlergehen, was ein jeder nach seiner Privatneigung, so oder anders, sich vormalt, taugt gar nicht zu irgendeinem objektiven Prinzip, als welches Allgemeinheit fordert, sondern jene Sentenz sagt nichts weiter als: Das V e r s t a n d e s w o h l , ist das höchste Gesetz einer bürgerlichen Gesellschaft überhaupt; denn diese besteht nur durch jene."

Habe ich dir den alten Knaben jetzt wieder unsympathischer gemacht?

Herzliche Grüße

Thomas

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Hi Thomas,

Das V e r s t a n d e s w o h l , ist das höchste Gesetz einer
bürgerlichen Gesellschaft überhaupt; denn diese besteht nur
durch jene."

je älter ich werde desto mehr kann ich das unterschreiben - bin ich jetzt alt?!

Habe ich dir den alten Knaben jetzt wieder unsympathischer
gemacht?

Nö, das geht nicht so schnell :wink:

Nochmals vielen Dank, Du alter Kantianer

Gandalf