Jeder sadistische Massenmörder ist ‚wertvoll‘?
Hi Juergen.
Ich denke, wir unterscheiden uns in der Definition von „Wert“. Für mich ist der Wert eines Menschen nicht relativ zu einer Leistung sondern Bestandteil des Menschen selbst.
Es ist eine Mystifikation, vom Menschen als etwas „Wertvollem an sich“ zu sprechen, so wie du es tust.
Denn das bedeutet, jedem bösartigen Schwein in der Menschheitsgeschichte einen positiven Wert zuzusprechen. Folterknechte, sadistische Serienkiller, kaltherzige Schreibtischtäter mit Tonnen von Blut auf ihrem Gewissen mutieren so zu „wertvollen“ Subjekten.
Der stinkreiche französische Marschall Gilles de Rais (Kampfgenosse von Jeanne d´Arc) ermordete Hunderte von entführten Kindern, indem er sich auf sie setzte, ihren Bauch aufschlitzte und sie dabei penetrierte, bis sie qualvoll starben. Er war der vielleicht schrecklichste Massenmörder aller Zeiten. Andere aber standen nicht weit hinter ihm zurück, bis in die Gegenwart.
Haben alle diese Horrorgestalten für dich einen „absoluten Wert“? Sind sie genauso viel „wert“ wie all die moralisch hochstehenden Menschen, die sich uneigennützig für andere aufopferten?
Kann das dein Ernst sein? Entschuldigst du ihre Bösartigkeit mit einer bedauerlichen Abweichung vom „wertvollen“ Kern ihres Selbst? Sind sie nur Verirrte? Die dennoch genauso viel „wert“ sind wie die Besten der Guten?
Die Beispiele zeigen doch, wie inflationär dein „Wert“-Begriff ist. Er ist selbst auf die größten Schweine anwendbar. Er besagt also im Grunde… gar nichts.
Ich sehe das Problem einfach darin, dass deine Verwendung von „Wert“ nicht dem Gebrauch entspricht, die dieser Begriff normalerweise hat. Ich denke, du verwechselt hier diesen Begriff schlichtweg mit „R e c h t“. Wenn du sagen würdest: „Alle Menschen haben gleiche Rechte“, dann wären wir natürlich d`accord.
„Wert“, das ist der Nutzen, den ein X für jemanden in bezug auf ein Y hat. Hier müssen also drei Faktoren vorliegen: „Jemand“, das X und das Bezugssystem Y. Etwas ist „wertvoll“, wenn es in einer bestimmten Weise nützlich ist.
Nur so macht dieser Begriff Sinn, und nur so wird er auch verwendet. Was dir unterläuft, ist, dass du ihn aus dem Kontext herausziehst und als etwas Selbständiges betrachtest. Genau das ist unlogisch. Denn ein Wert steht immer in einem Zusammenhang und kann von diesem nicht gelöst werden.
Du mystifizierst den Begriff, weil „Wert“ in gewissen Bereichen in unserer Kultur mystifizierend gebraucht wird. Das übernimmst du einfach. Z.B. Diamant/Edelstein: diese Objekte gelten als „wertvoll“. Aber warum? Weil sie zu ganz besonderen Dingen hochstilisiert werden. Dabei sind sie nur dumme Materie. Ihr angeblicher besonderer Wert wird einfach in sie hinein projiziert, es ist nur ein symbolischer Wert, kein realer. Genau so projizierst du „Wert“ in den Menschen hinein, als etwas vermeintlich von vornherein Gegebenes.
Die sachliche Verwendung von „Wert“ sieht aber so aus:
Beispiele: „Vitamin C“, „Kants Philosophie“, „Biene“.
Vitamin C ist für manche Lebewesen, speziell Menschen, wertvoll. Aber nicht für alle Lebewesen und schon gar nicht für Maschinen. Es hätte auch auf dem Planeten Jupiter keinen „Wert“ (denn wofür eigentlich?).
Kants Philosophie hatte ihren Wert im späten 18. Jhd. und darüber hinaus. In der Steinzeit wäre sie wertlos gewesen, keiner hätte damit was anfangen können. Auch für Tiere ist sie wertlos.
Bienen sind als Bestäuber wertvoll. Darüber hinaus ist es sinnlos, von ihrem Wert zu sprechen.
Kein Wert also ohne Bezugssystem, in welchem der Wert erst Sinn macht.
Du aber verwendest den Begriff ohne jeden Bezug auf ein System. Er steht einfach im luftleeren Raum, nur so dahindefiniert.
Eben weil du ihn mit „Recht“ verwechselst. „Gleiches Recht für alle“ - das allerdings ist eine wichtige Prämisse, die sogar begründet werden kann. Aber „gleicher Wert“? Da spannst du nur den Karren vor den Ochsen, statt umgekehrt (wie es sein sollte).
Wie gesagt, für mich mixen wir hier zwei Wertbegriffe. Einen absoluten, der durchaus von der Begrifflichkeit ähnlich ist wie die nicht relativierbare „Würde“ in unserer Verfassung und einen relativen, der sich aus der Handlung ergibt.
OK, etymologisch hängt Würde vielleicht mit Wert zusammen. ABER: unsere Verfassung verwendet diesen Begriff metaphorisch und unphilosophisch. „Würde“ ist ein empirischer Begriff, k e i n philosophischer. „Würde“. Er besagt im Kontext der Vefassung nur: keinem Menschen darf unnötig LEID zugefügt werden. Das hat nichts mit Wert zu tun, sondern mit Recht, nämlich Menschenrecht.
Man spricht bekanntlich von „Würdenträgern“ - ist ein Neugeborener etwa ein Würdenträger? Klänge doch komisch. Ein Würdenträger aber ist jemand, der seinen besonderen WERT erwiesen hat (innerhalb eines Bezugssystems). Du kannst den Würdebegriff nicht aus seiner wirklichen Verwendung herauslösen.
Nimm die Quandt-Familie: die kassiert jährlich 350 Millionen Euro an Dividenden aus den BMW-Profiten, ohne dafür adäquat zu arbeiten.
In einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist das ein schwieriger Ansatz. Was ist Arbeit?
Mir ist das Problem bewusst, das du anschneidest, und es wird viel diskutiert. Aber irgendwo ist logischerweise immer eine Grenze, und die ist im Quandt-Beispiel ganz klar überschritten.
Und zwar mindestens um den Faktor Zehn.
Im übrigen basiert das Quandt-Imperium auf blankem Opportunismus und nackter Profitgier. Hier ein Zitat aus Wiki (Quandt):
„Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme und anfänglichen Schwierigkeiten im Verhältnis zu den neuen Machthabern (der NSDAP nahestehende Teile des Vorstands der AFA versuchten 1933 ohne Erfolg, Günther Quandt zu stürzen) konnte Quandt seine Stellung innerhalb der deutschen Industrielandschaft festigen. 1937 wurde er zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Die Akkumulatoren der AFA dienten unter anderem U-Booten und Raketen als Antrieb; die Textilbetriebe lieferten – wie schon im Kaiserreich und in der Weimarer Republik – die Uniformen und Decken der Wehrmacht; andere Quandt’sche Unternehmen stellten Waffen und Munition her. Neuere historische Recherchen belegen, dass Quandt die Tätigkeiten seiner Firmen im Laufe des Krieges wissentlich durch den Einsatz von Zwangsarbeitern aufrechterhielt. Das geschah unter anderem durch die von der AFA betriebenen, firmeneigenen Konzentrations- und Arbeitslager, in denen die Zwangsarbeiter von SS-Mannschaften bewacht wurden.“
Zitat Ende.
Noch Fragen?
Für sehr viele von ihnen ist „gleicher Wert aller Menschen“ ein Fremdwort. Sie denken vornehmlich in Geld- und Sachwerten. Worin sie auch die Arbeiter einschließen (als Sache).
Das ist für mich kein Widerspruch.
Zu deinen Vorstellungen aber doch schon.
Gruß
Horst