Ich dachte eigentlich, dass er die Gesetze, die die
Nationalversammlung verabschiedet hat, unterschreibt.
Es wäre natürlich möglich, dass die Karikatur Louis nur noch als reinen ‚Urkundsbeamten‘ darstellt und verspottet, was er nach Auffassung der emigrées und anderer Verfechter des Absolutismus nach der Septemberverfassung nur noch war. De facto (wenn auch nicht nach dem Text der Verfassung) war er es tatsächlich, wie die massiven Reaktionen zeigten, als er sein verfassungsmäßiges suspensives Vetorecht gegen die Stationierung von 20.000 féderées in Paris und die Deportation von Priestern, die den Eid auf die Verfassung verweigerten, in Anspruch nahm.
Dazu passt allerdings nicht, dass gerade Leopold nicht zu den Kritikern der Septemberverfassung gehörte - im Gegenteil, er hatte sie als einen ‚Sieg der Vernunft‘ bezeichnet. Der Auftritt Leopolds in der Karikatur ergäbe also keinen Sinn. Für eine exakte Interpretation müsste man das genaue Entstehungsdatum der Zeichnung wissen.
Dachte Ludwig denn selbst überhaupt noch, dass er
handlungsfähig sei?
Seit eben den Reaktionen auf sein Veto und den Ereignissen vom 20. Juni 1792 (dem 3. Jahrestag des Ballhausschwurs, als er von 8.000 sansculottes in Partylaune Besuch bekam) sicherlich nicht mehr.
‚Handlungsfähig‘ fühlte sich Louis sicher noch im April 1792 - kurz nach Leopolds Tod - als er selbst für den Krieg gegen Österreich plädierte. Er hielt das für eine win-win-Situation. Entweder Frankreich siegte, was ihn als (immer noch) persönlichen Oberkommandierenden der Streitkräfte stärken würde und ihm womöglich militärische Ressourcen zur Unterdrückung der Revolution in die Hand gäbe - oder die Koalition würde siegen und ihn wieder in seine alten Rechte einsetzen. Im November 1792 wurde dann auch bekannt, dass er zusätzlich Geheimverhandlungen mit dem Kriegsgegner führte. Das war Hochverrat, für den Louis mit seinem Kopf bezahlte.
Freundliche Grüße,
Ralf