Hallo,
du hast nichts Erkennbares falsch gemacht, aber: Aggressives Verhalten gegenüber Artgenossen kann man einem Hund nicht abgewöhnen. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass Aggression zum natürlichen Bauplan eines Raubtieres gehört.
Der Zeitpunkt des Auftretens ist ebenfalls nicht untypisch. Viele Rassen brauchen um die drei Jahre, bis sie psychisch erwachsen sind. Das wiederum ist der Zeitpunkt, zu dem die (Wolfs-)Natur vorgesehen hat, dass sich Artgenossen nicht mehr alle lieb haben müssen, sondern ihre eigenen Interessen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln durchsetzen können.
Bei Rüden bedeutet das häufig verstärkte Rangordnungskämpfe, Hündinnen untereinander diskutieren weniger um den Status als ums Revier, denn dieses stellt die Nahrungsgrundlage für ihre (potentiellen) Nachkommen dar. Dass sie keine solchen kriegen können/werden, wissen sie nicht, und auch die Tatsache, dass das Futter pünktlich serviert wird, interessiert die alten Instinkte wenig.
Besonders deutlich treten die Querelen zwischen einander fremden Hunden auf. Innerhalb von Gruppen, die sich regelmäßig sehen, bildet sich im Normalfall eine Rudelordnung aus, die oft über lange Zeit stabil bleibt. Das ist der Grund, warum es mit vertrauten Hunden derzeit (noch) klappt. Auch hier kann es aber durchaus zu Diskussionen kommen.
Dass sie nach der Auseinandersetzung mit der Hündin vor einigen Wochen verstärkt aggressives Verhalten zeigt, ist die Konsequenz aus dieser Erfahrung: Bevor ihr wieder eine an die Wäsche geht, sorgt sie durch Bellen und sich Aufbauen schon mal dafür, dass ihr andere vom Leib bleiben.
Tun sie das nicht, musst du damit rechnen, dass es knallt. Leider sind Hündinnen untereinander deutlich weniger zimperlich als Rüden. Nachdem ihr erklärtes Ziel ist, die Konkurrentin los zu werden, sind Raufereien unter Hündinnen oft blutiger und gefährlicher als unter Rüden, die meist nur viel Lärm um nichts machen.
Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder gehst du Fremdbegegnungen mit anderen Hündinnen aus dem Weg und lässt deine Lady angeleint. Dann wirst du stark an der Leinenaggression arbeiten müssen, da deine Hündin - weil sie angeleint nicht flüchten kann - vermutlich immer deutlicher zeigen muss, dass die andere ihr fernbleiben soll. Das kann man durchaus in den Griff kriegen.
Oder du lässt sie bewusst auch weiterhin von der Leine, damit deine Hündin frei agieren und kommunizieren kann - Fluchtmöglichkeit inklusive - und sich das Verhalten im Laufe der Zeit möglicherweise wieder weitestgehend normalisiert.
Was du in jedem Fall (auch mit bekannten Hunden!) vermeiden solltest ist, Beute ins Spiel zu bringen. Bälle, Stöcke, Leckerchen sind die Hauptursache für Raufereien unter erwachsenen Hunden. Die Zeit des lockeren Miteinanderspielens ist bei den meisten Hunden ab einem gewissen Alter einfach vorbei. Dabei sollte man sich immer vor Augen führen, dass JEDES Spiel unter Hunden nur zwei Zwecken dient: Der sozialen Kommunikation/Rangklärung und dem Üben der Jagd. In jungen Jahren steht meist die (gemeinsame) Jagd im Vordergrund, mit zunehmendem Alter werden Rangklärungen immer bedeutsamer.
Mein Tipp wäre, erst mal gelassen zu bleiben. Sorge dafür, dass keine Beute im Spiel ist und ermögliche deiner Hündin auch weiterhin unangeleint soziale Kontakte. Achte in den nächsten Wochen verstärkt auf die Auswahl der Partner, so dass die Hündin den Angriff vergessen kann.
Wenn sie aber immer wieder heftiger zulangt, wirst du nicht drumrum kommen, sie vermehrt angeleint zu lassen oder sie mit einem Maulkorb zu sichern. Hier geht es letzten Endes um den Schutz anderer Hunde.
Und: Sieh deine Hündin als das, was sie ist: Ein soziales Raubtier, bei dem alle Instinkte, die es zum Überleben braucht, noch vorhanden sind. Daran ändert die Tatsache, dass ein Mensch es lieb hat, absolut nichts. Die meisten Unfälle passieren, weil Menschen die Natur ihrer Hunde verkennen und ihre potentiellen Reaktionen falsch einschätzen.
Schöne Grüße,
Jule