Hallo!
Ich, wagemutig wie ich bin, habe ich mir vorgenommen mal gegen das ewige Ostalgie-Gelaber und das Vergessen anzubloggen.
Auf das Thema kamen wir im Gespräch am Abend in geselliger Runde. Ein Ostdeutscher in der Runde meinte er müsse uns erzählen wie toll alles damals war und wie schlecht heute alles ist. Ich erzählte ihm dann von meinem, bitte nicht lachen, Kindheitstrauma das mich bis heute begleitet. Ich erzähle es kurz bevor ich zur Frage komme, bitte nehmt Euch die Zeit, vll. finde ich einige denen es ähnlich geht (schreibt mir dann bitte)!
Als ich (werde dieses Jahr 29) zur Schule ging, speziell Grundschule, da gab es ein paar mal im Jahr Probealarm. Die Sirenen heulten, und wir Kids fandens immer bloss doof laut. Meine Grosseltern erzählten mir dann eines Tages vom Krieg. Fliegeralarm, Sirenen. Von da an war klar: Sirene - bedeutet nichts Gutes!
Eines Tages dann, da kam ein Mann in die Schule, und er sagte um 12:00 ist Probealarm und wir müssen eine Übung machen, in den Schulkeller gehen. Er erzählte wie wir uns verhalten sollen, Zweierreihen, an die Hände fassen, nicht drängeln, eine Hand immer am Treppengeländer usw… Dann verteilte er eine Broschüre vom Katastrophenschutz. Es ging um den ABC-Alarm und was er im Verteidigungsfall bedeutet. Dann heulten die Sirenen und es ging los.
Monate gingen ins Land. Eines Abends (ich fange häufig mit „eines“ an, oder?!) sahen meine Eltern fern. Ich schlich ins Wohnzimmer, konnte nicht schlafen. Sie sahen einen Film der damals lief. „The Day after - Der tag danach“. Wer den Film nicht kennt: Ein Katastrophenfilm zum Thema Atomkrieg. Ein beängstigender Film, und das obwohl er grenzenlos untertreibt, was Auswirkungen und Schutzmaßnahmen angeht. Ich war nie ein blödes Kind, deshalb war schnell klar - da kommt kein Superman und vertreibt die Aliens, das ist alles real.
Von da an war mein Leben von Angst geprägt. Jedes Gewitter, jeder Blitz, jeder Probealarm - jetzt ist es soweit! Die Broschüre habe ich mir häufiger angeschaut, ich hatte Angst ich würde das Sirenensignal nicht erkennen, für Feueralarm halten und mich nicht in Sicherheit bringen.
Zwischendurch gabs Tschernobyl. Wir spielten draussen. Mein Spielkamerad sagte, als an einem sonnigen Sommertag plötzlich Wolken heranzogen „Das is die radioaktive Wolke!“ „Ach Du spinnst ja, Doofmann!“ und dann brach sich das Licht grün-bläulich. Bin ganz schnell heimgerannt, Fenster zu! Denn ich wusste schon was Radioaktivität heisst.
In der Realschule (ja ich bin medium Looser) stand im Schulbuch das tolle Thema „Was in Ulm, um Ulm, und um Ulm herum passieren würde“ …wenn da ne Atombombe einschlägt. Zu dem zeitpunkt war mir klar das Buch ist veraltet. Es werden Warheads sein die in der Athmosphäre detonieren, und sie werden overkillen, sprich mehr Sprengkraft haben als schlimm genug wäre. Wenn in Ulm sowas passiert fühl ich mich auch in Kiel nicht mehr sicher, das steht mal fest.
Um mich von dieser prägenden Angst zu lösen beschloss ich mich zu erkundigen. Anstatt auf beruhigendes zu stossen fand ich jedoch beängstigende Erstschlagspläne im Internet, Seiten über das nukleare Waffenarsenal, Störfallstatistiken (ich will nicht für die Seriösität der Quellen bürgen, aber bevor man deren Wahrheitsgehalt prüft hat man schon erstmal ne Zeit lang den Kaffee auf!). Besonders bedrückend waren die Strategiepläne. Wo überallen Basen waren die jederzeit hätten den Status „ready“ erreichen können, wie oft wir kurz davor waren, wie oft es in Erwägung gezogen wurde…au man!
Neulich im TV kam ein Bericht über einen möglichen Stützpunkt in der Nähe von Berlin. Ständig findet man neue Informationen die die gedanken wieder aufwühlen. ich fühle mich auch immernoch nicht sicher, trotz Mauerfall, Ende des kalten Kriegs usw. Neuerliche Auseinandersetzungen zw. Schröders Gasmann und Texaco-Schorsch wirken nicht sehr vertrauenserweckend, zumal die amerikanische Waffen- und Weltraumlobby ganz dringend verkaufen will, und da die Kids schon „overarmed“ sind und die Väter nen grösseren Waffenschrank haben als Afrikaner Häuser, muss man wieder den alten Goldesel anzapfen. Abwehrsysteme, neue unterirdische Raketensilos mit Multi-Missile-Management, die bis zu 8 ICBMs seriell launchen können, mobile Mittelstrecken-Systeme usw., Antipersonenwaffen, Bunkerknacker, strategische Mini-Nukes. Was man damit verdienen könnte, gerade jetzt wo der Taliban Klingelmännchen macht und Korea jetzt auch mit der Bombe spielt, und die Islamic-Bomb, und der Iran!
Meiner Meinung nach vergisst man bei der ganzen Diskussion den möglicherweise zukünftigen Hauptaggressor China. Ein Land das mit aller Macht nach vorne strebt, ohne Rücksicht auf Verluste, Hackangriffe und Wirtschaftspionage betreibt, Innovationen klaut, die BenQ-Taktik (kaufen, Patente klemmen, Tochterfirma dichtmachen, nochmal kassieren, Brand und Patente mitnehmen und von zuhause aus melken). Ich würde mir langsam Sorgen machen wie lang es dabei bleibt. Irgendwann wird mehr Land benötigt, oder werden Kolonien als Machtsymbole interessant. Spekulation, Hirngespinnste, meinetwegen. Aber lohnt sich mal zu überlegen wer gefährlicher ist, der bärtige Mann aus dem Orient oder der grössenwahnsinnige weltmachtrückerlangungswillige Diktator?!? Meiner Meinung nach würde es einfacher sein einen religiösen Fanatiker friedlich zu stimmen als einem Machthungrigen Diktator davon zu überzeugen doch bitte auf seine Macht ein Stück weit zu verzichten.
Naja wieder zurück ins etwas Sachlichere. Ich finde dass neben Stasi, Verschuldung, Illoyalität untereinander (wenn man die Schwester bei der Stasi anschwärzt z.B.), Neid, militärischer Spielball und Druckmittel sein auch die ständige Bedrohung Krieg ganz konkret Grund genug sein sollten sich diese Zeit NICHT zurückzuwünschen. Mir kann niemand erzählen dass er lieber verdampfen würde als jetzt im wiedervereinten Deutschland zu leben. Naja ein paar Irre gibts immer.
Viele Kids lassen sich von der Ostalgie (MEIN Unwort des LEBENS!!!) ihrer verzweifelt unselbstständigen und nicht freiheitsfähigen (machen wir uns nichts vor - Zeitung lesen, Politmagazine, Grundgesetz - alles zuviel verlangt, bloss nicht informieren, nur schön dagegen sein. Und wenn man den Zucker nich innen Hintern bekommt: NPD wählen!) Eltern anstecken. Dem möchte ich auf dem Wege der Information entgegenwirken versuchen.
Ich möchte über die Situation damals berichten, aus Erzählung, und möchte etwas Material zur Verfügung stellen, per Verlinkung oder Bild doer Dateianhang, habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht.
Also genau darum geht es jetzt:
Ich suche diese Merkblätter zum ABC-Alarm und verwandten Zivilschutz betreffenden Themen die an die Bevölkerung verteilt werden.
Hintergedanke ist dass Privatpersonen und Interessierte oft schneller und mehr anzubieten haben als Behörden und Ämter. Ich habe etwas ge-suchmaschine-t (gibt ja nicht nur die eine da) aber nur Material für Feuerwehren und THW gefunden, nichts aus der Zeit vor 1990.
Und Eure Meinung ist mir wichtig, wie habt Ihr die Zeit damals empfunden, bin ich damit allein mit dem was ich davon mitgenommen habe?
Vielleicht gelangt es nie in einen Blog oder aus meinem Mund oder auf Papier, aber ich würde gerne etwas zu dem Thema zusammentragen, speziell gesuchte Broschüren. Vielleicht stecke ich hier ja einige an zu sagen „Stimmt, das wird zu oft vergessen!“ Ich finde das Thema, wie auch aktuell erschreckenderweise festgestellt noch nichtmal in Schulbüchern vorkommend, einfach zu wenig angesprochen. Und wenn, dann gehts wieder nur um Trabis, Jeans und Bananen…