Hallo Martin,
Wenn man einen Hund danach schlägt: Wie schafft er das, die Verbindung zwischen den Schlägen und einem Ereignis herzustellen, an das er sich zum Zeitpunkt der Schläge nicht mehr erinnern kann?
Gar nicht. Der Hund kann die Schläge nicht mit der „Tat“ in Verbindung bringen. Stattdessen passiert Folgendes: Der Hund wird vom Besitzer geschlagen, obwohl er in diesem Augenblick nichts getan hat, was diese Strafe begründen könnte (er hat z.B. einfach rumgestanden oder seinen Besitzer begrüßt, was bislang niemals bestraft wurde).
Der „Überfall“ des Besitzer löst beim Hund starke Verunsicherung aus und er zeigt im Normalfall Beschwichtigungsgesten, um die Aggression des Menschen zu hemmen. Da ein Mensch, der seinen Hund für etwas bestrafen will, was bereits vorüber ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Ahnung von Beschwichtigungsverhalten und dessen Bedeutung hat, wird er vermutlich nicht aufhören, den Hund zu „bestrafen“.
Das verstärkt die Verunsicherung des Hundes. Es kann passieren, dass der Hund glaubt, es handle sich um einen lebensbedrohlichen Kampf, weil der Gegner seine Beschwichtigungsgesten nicht anerkennt. Das kann dazu führen, dass er zur Gegenwehr schreitet und zu beißen beginnt.
In jedem Fall hat das Vertrauensverhältnis zwischen Hund und Besitzer einen Bruch erlitten, da der Hund seinen Menschen als jemanden erlebt hat, der ihn grundlos angreift. Aus diesem Grund wird er bei folgenden Begegnungen deutliche Beschwichtigungsgesten zeigen, um zu verhindern, dass er wieder überraschend angegriffen wird.
Der unwissende Mensch interpretiert dieses Verhalten dann gerne mal als „schlechtes Gewissen“. In Wahrheit ist es lediglich Ausdruck eines starken Misstrauens in das Verhalten des Menschen.
Für den Fall mit der Wurst würde das so aussehen, dass der Hund - der ja nicht verstanden hat, dass sein Besitzer ihn wegen des Wurstklauens angegriffen hat - die Wurst beim nächsten Mal wieder frisst. Betritt der Besitzer den Raum wird er, aus Angst vor einem neuerlichen (für ihn unberechenbaren) Angriff, beschwichtigen.
Der unwissende Mensch wird behaupten, der Hund wisse genau, was er getan habe, da er augenscheinlich ein „schlechtes Gewissen“ gezeigt hätte und daraus ableiten, dass es sehr wohl sinnvoll sein, den Hund im Nachhinein für etwas zu bestrafen.
Das funktioniert aber niemals. Auch dann nicht, wenn der Mensch nach menschlicher Logik vorgeht und dem Hund „zeigt“, was er angerichtet hat (z.B. auf den Teppich gemacht oder einen Schuh zerkaut hat), indem er ihn dorthin zerrt und ihn mit der Nase reintaucht oder ihm den Schuh vors Gesicht hält. Diese „Logik“ kann ein Hund nicht verstehen. Er wird natürlich auch dann wieder beschwichtigen, um weitere Angriffe abzuwehren.
Schöne Grüße,
Jule