Kaufverzögerung

Meine Frau und ich haben ein Reihenendhaus gekauft. Bald soll die Abnahme erfolgen. Gestern haben wir mit dem Besitzer des anderen Reihenendhauses gesprochen, der uns erzählt hat, dass der Verkäufer noch keine Abgeschlossenheitsbescheinigung habe, weswegen die einzelnen Reihenhausanteile noch gar nicht verkauft werden könnten und nun würde der Besitzer des anderen Reihenendhauses Miete bezahlen.

Ist das so in Ordnung? Ich werde, wenn ich das Haus nicht rechtzeitig kaufen kann Bereitstellungszinsen zahlen müssen und dann auch noch Miete… Kann ich mich dagegen wehren? Das ist ja nicht mein Verschulden.

Hast Du jetzt gekauft oder nicht? Liegt ein Vertrag vor und was sagt der zu dem Thema?
Bei einem Immobilienkauf oder -verkauf wäre meine erste Anlaufstelle ein Rechtsanwalt.

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Der Vertrag wird vom Notar aufgesetzt, und der wäre meine erste Wahl.

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Das weiß ich auch.

Wenn sich aber eventuelle Streitigkeiten wie hier abzeichnen, würde ich einen Rechtsanwalt bevorzugen, weil ich will, dass mein persönlicher Standpunkt und meine Interessen vertreten werden.
Notare bleiben bei ihren Aussagen sehr gern im Allgemeinen und unbedingt auf der sicheren Seite (vor allem für sich selbst), er ist ja für beide Seiten (Vertrag) tätig.
Das ist jedenfalls meine persönliche Erfahrung mit den beiden Berufen.

Dennoch würde ich zuerst beim Notar klären, was Stand der Dinge ist. Insbesondere, welche Termine es gibt und was bei Verzögerung gilt.
Der Ursprungsbeitrag klingt wie: „Ich hab da was vom Nachbarn gehört“ und auch „Beim Notar wird schon alles in Ordnung gewesen sein“. In notariellen Kaufvertrag steht mehr als üblicherweise im mündlichen Kaufvertrag geregelt wird, wenn ich beim Bäcker zwei Brötchen kaufe.
Um hier zu raten müsste man mehr wissen …

Wie ist der Stand? Gibt es einen notariellen Vertrag? Was steht darin, auch in Bezug auf die Fertigstellungstermine? „Schlüsselfertiges Bauen“ oder was?
Wer soll da wem mit welcher Begründung Miete zahlen?

Wer hat sich um die Abgeschlossenheitserklärung zu kümmern? Auch der Notar, der mit dem Kaufvertrag betraut ist?

Ganz nebenbei: Wahrscheinlich kauft Ihr kein Reihenhaus, sondern eine Eigentumswohnung, die wie ein Reihenhaus aussieht und genutzt werden soll.

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Ja, den Kaufvertrag habe ich im April unterzeichnet. Darin steht u.a.:

§1
[…]
(2) Mit Teilungserklärung vom […] wurde das Grundstück gemäß §8WEG in Wohneigentum aufgeteilt.
[…]
Die Teilung wird nach Vorlage der Abgeschlossenheitsbescheinigung beim zuständigen Grundbuchamt beantragt werden.
Mit vorbezeichneter Teilungserklärung wurde u.a. folgendes Wohneigentum gebildet:
[…]
(3) […] Zugleich verpflichtet sich der Verkäufer, das Kaufobjekt entsprechend […] schlüsselfertig u zu erstellen. […]
[…]
§3
(1) Der Kaufpreis ist fällig und zahlbar […] nach vorliegen der nachfolgend aufgeführten Fälligkeitsvoraussetzungen:
a) Die Eigentumsverschaffungsvormerkung zu Gunsten des Käufers ist im Wohnungsgrundbuch eingetragen.
b) Dem Notar liegen alle Unterlagen vor, um den verkauften Grundbesitz von Rechten freizustellen, die evtl. im Grundbuch bereits vor oder gleichzeitig mit der Vormerkung des Käufers eingetragen wurden und vom Käufer nicht übernommen werden. […]
c) Das Bauvorhaben hinsichtlich aller vertraglich geschuldeten Gewerke fertig gestellt ist. […]
[…]
§4
(1) Die Fertigstellung des Bauvorhabens soll bis spätestens 31.10.2022 erfolgen. Hierfür wird aber keine Garantie übernommen.
(2) Ist die vollständige Fertigstellung bis spätestens einen Monat nach vorgenanntem Fertigstellungstermin nicht erfolgt, stehen dem Käufer die gesetzlichen Schadensersatzansprüche zu.
[…]
§5
Der Besitzübergang erfolgt nach Abnahme und Zahlung des Kaufpreises. […] Die Übertragung des Grundbesitzes erfolgt frei von Lasten und Beschränkungen in Abt. II und III des Grundbuches.
[…]

…der eingangs erwähnte Nachbar hat Übergabetermin im August gehabt. Sein altes Haus hatte er verkauft und hatte quasi keine Bleibe. Nun zahlt er dem Verkäufer Miete, weil er das Objekt wegen der fehlenden Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht kaufen kann. Ich befürchte, dass wir auch in diese Situation geraten. Und dann sind da eben noch die Bereitstellungszinsen, die ich dann auch noch bezahlen muss…

Und ich frage mich, ob ich da irgendetwas geltend machen kann. Der Verkäufer hat ja offenbar versäumt, die Abgeschlossenheitsbescheinigung rechtzeitig zu beantragen. Dafür kann ich ja nichts und ich sehe das auch nicht als höhere Gewalt oder ähnliches…

Nimm bitte morgen Kontakt mit dem Notar auf.
Frage ihn:

  • Welchen Stand hat die Sache mit der Abgeschlossenheitsbestätigung?
  • Wann wäre der Kaufpreis in Deinem speziellen Fall zahlbar?
  • Was geschieht, wenn das Bauvorhaben am 31.10.2022 nicht fertig ist?
  • Was geschieht, wenn das Bauvorhaben am 30.11. nicht fertig ist?
  • Was weiss er überhaupt zum Thema „Mietvertrag“?

Hast Du eine Rechtschutzversicherung? Schalte diese ein.

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Das widerspricht sich doch ganz massiv! In §1 Abs. (2) Satz 1 wird von der Teilung nach WEG so gesprochen, als ob sie bereits erfolgt sei. In Satz 2 soll sie erst nach Vorlage der Abgeschlossenheitsbescheinigung beantragt werden. In Satz 3 wurde angeblich bereits Teileigentum begründet (wie nach Satz 1).

Leider sind das alles nur Bruchstücke. So kann man natürlich nicht zu einer abschließenden Aussage kommen. Aber so klingt es zumindest komisch.

Ansonsten sind die Folgen bei einer nicht rechtzeitigen Fertigstellung doch in § 4 Abs. (2) geregelt. Man hat zugestimmt, dass eine verspätete Fertigstellung von max. einem Monat für den Verkäufer folgenlos bleibt. D.h. alles, was hierdurch an Kosten entstehen würde, muss der Käufer selbst tragen. Erst bei einer über einen Monat hinausgehenden Verzögerung hat der Käufer Anspruch auf die gesetzlichen Schadenersatzansprüche. Und jetzt Obacht: Hier wird nur von Fertigstellung und nicht davon gesprochen, dass der Verkäufer auch in der Lage ist Eigentum zu verschaffen! Das sind zwei Paar Schuhe. D.h. sollte der Verkäufer rechtzeitig fertig werden, aber er mangels Teilungserklärung das Eigentum nicht verschaffen können, könnte man seine Rechte mE auch vor Ablauf des Monats bereits geltend machen. Und da kann man sich nur wundern, dass der andere Eigentümer so bereitwillig Miete zahlt. Denn ja, wenn er in einem fremden Haus wohnt, muss er dafür Miete zahlen. Andererseits kann er für die hierfür anfallenden Kosten ja Schadenersatz geltend machen, weil er nach Vertrag bereits diese Zeit im eigenen Haus leben würde. D.h. er müsste sich natürlich die Kosten anrechnen lassen, die er als Eigentümer im eigenen Haus hätte (also z.B. Verbrauchskosten, Versicherungen die jetzt ggf. noch auf den Verkäufer laufen, …), aber die eigentliche Miete sehe ich hier nicht!

Ich würde mir den kompletten Vertrag schnappen und zu einem Anwaltskollegen gehen, der dann natürlich auch mit dem Notar über den aktuellen Stand der Dinge spricht. Das ist aber definitiv besser so, als wenn Du als juristischer Laie nicht in der Lage bist, dem Notar die richtigen Fragen zu stellen, die Antworten zu verstehen und diese dann deinem Anwalt berichtest.

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Ich persönlich würde eher von einer missverständlichen Formulierung als von einem Widerspruch reden. Es ist ja klar, dass eine Teilungserklärung allein das Grundstück nicht teilen kann. Dafür bedarf es einer Eintragung ins Grundbuch. Die verzögert sich offenbar, weil die erforderliche Abgeschlossenheitsbescheinigung noch fehlt. Folge: Der Verkäufer kann weder das Eigentum an dem Reihenhaus, also der Eigentumswohnung, noch an dem ideellen Anteil des Grundstück übertragen.

Was der Verkäufer sehr wohl kann: dem Käufer Besitz an der Wohnung verschaffen. Genau das hat er in mindestens einem Fall ja auch getan. Ob es aus Sicht des Käufers Sinn ergibt, einen Mietvertrag zu schließen, ist eine andere Frage. Insbesondere für den ersten Monat der Verzögerung könnte diese Frage zu bejahen sein, weil dem Käufer hier noch kein Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens zusteht. Für den Zeitraum danach leuchtet mir spontan auch nicht ein, wieso der Käufer den Verkäufer für dessen Verzug auch noch belohnen sollte.

Jetzt einen Anwalt zu beauftragen, der Kontakt mit dem Notar aufnimmt, der sich wiederum beim Verkäufer nach dem Sachstand erkundigt, halte ich für übertrieben. Der kurze Dienstweg führt oft schneller zum Ziel. Der UP kann den Verkäufer doch selbst nach dem Stand der Dinge fragen. Außerdem lehrt meines Wissens kein Erfahrungssatz, dass Anwälte es besser verstehen, Laien juristische Fragen zu erläutern, als Notare, zumal Notare ja meistens auch Anwälte sind. Was allerdings nie schaden kann, ist die Mitgliedschaft in einem Grundeigentümerverein, der seinen Mitgliedern Rechtsberatung bietet.

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