Kaufzwang bei Warenbeschädigung vor der Kasse?

Hallo,

ich hab heute beobachtet, wie einer Dame in einem Discounter eine Ware beim Beladen des Beförderungsbandes an der Kasse aus der Hand gerutscht ist, so dass die Ware nicht mehr zu gebrauchen war. Der Dame was das sehr peinlich, und sie entschuldigte sich bei der Kassiererin und wollte die beschädigte Ware an der Kasse zurücklassen.

Die Kassiererin meinte dann aber richtig triumphierend, dass die Dame die Ware bezahlen müsse. Da sie keinen Einkaufswagen benutzt hatte, wäre sie selber schuld, mit Einkaufswagen hätte sie die kaputte Ware im Laden lassen können. Die Dame bezahlte dann auch recht zerknirscht die unbrauchbare Ware.

Aus dem Handelsrechtunterricht während meiner Schulzeit glaube ich zu erinnern, dass man im Supermarkt aus Versehen kaputtgegangene Ware nicht bezahlen muss, bin mir da aber nicht mehr so ganz sicher.

Wie ist das also: Kann der Supermarkt die Bezahlung der Ware auf jeden Fall verlangen? Und kann er da Unterschiede machen, je nachdem, ob ein Einkaufswagen benutzt wurde oder nicht? Wahrscheinlich kann doch nicht jeder Supermarkt selbst entscheiden, wie er solche Sachen handhabt, oder (AGBs?)?

Ich hoffe auf eine kurze Erklärung (bitte möglichst in „normalem Deutsch“).

Grüße

Yvonne

Hallo,

wer die Ware fallenlässt, handelt idR fahrlässig und ist schadensersatzpflichtig, alles andere Kulanz.

Grüße
EK

Wie ist das also: Kann der Supermarkt die Bezahlung der Ware
auf jeden Fall verlangen?

Selbstverständlich! Wer etwas kaputt macht, muss es bezahlen, § 823 I BGB.

Wahrscheinlich kann doch nicht jeder Supermarkt selbst
entscheiden, wie er solche Sachen handhabt, oder (AGBs?)?

Nein, es reicht das Gesetz.

Ich hoffe auf eine kurze Erklärung (bitte möglichst in
„normalem Deutsch“).

Ich hoffe, das war normales Deutsch.

Levay

Hi,

Selbstverständlich! Wer etwas kaputt macht, muss es bezahlen,

aber doch nicht gleich kaufen, oder? Sollte ich die Tüte Waschpulver einreißen ohne etwas zu verschütten, würde auch ein Stück Klebeband, dessen Anbringung ich wohl bezahlen müsste, die Ware IMHO wieder in einen verkaufsfähigen Zustand versetzen.

J~

Hi,

würde auch
ein Stück Klebeband, dessen Anbringung ich wohl bezahlen
müsste, die Ware IMHO wieder in einen verkaufsfähigen Zustand
versetzen.

*flüster*
Mal so unter uns: Wenn du im Supermarkt vor 50 Packungen Waschmittel stehst, würdest du dir dann diejenige heraussuchen, die mit Klebeband geflickt ist?
Auch wenn es ganz objektiv betrachtet Blödsinn ist, aber beschädigte Ware wird man nur mit Verlust wieder los (unter der Annahme, dass man das buchhalterisch so einfach umlegen könnte :smile: )

Grüße
VAST

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Hallo Levay,

Selbstverständlich! Wer etwas kaputt macht, muss es bezahlen, § 823 I BGB.

mal eine Frage die nur am Rande dieses Thema betrifft.

Ich glaube dass ein großer Teil der Bevölkerung eine private Haftpflichtversicherung hat. Natürlich wird wohl kaum jemand für ein kaputtes Glas Gemüse oder für eine Flasche Wasser den Schaden seiner Versicherung melden. Aber bei teureren Artikeln sieht das schon anders aus. Müsste in so einem Fall die private Haftpflichtversicherung den Schaden ersetzen?

Die Haftpflichtversicherung wird doch dafür abgeschlossen um Schäden die man einem anderen (in diesem Fall dem Geschäftsinhaber) zufügt zu begleichen.

Gruß Horst

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Es kommt natürlich auf die Versicherungsbedingungen an, aber an sich halte ich das für einen klassischen Fall eines Haftpflichtversicherungsfalls, ja.

Levay

aber doch nicht gleich kaufen, oder?

Nein, kaufen nicht, sondern bezahlen; das ist eine Frage des Delikts- und keinesfalls des Kaufrechts.

Sollte ich die Tüte
Waschpulver einreißen ohne etwas zu verschütten, würde auch
ein Stück Klebeband, dessen Anbringung ich wohl bezahlen
müsste, die Ware IMHO wieder in einen verkaufsfähigen Zustand
versetzen.

Dazu wurde ja schon was gesagt, das absolut zutrifft. Das reicht als Schadensersatz nicht.

Levay

Hallo,

Nein, kaufen nicht, sondern bezahlen; das ist eine Frage des
Delikts- und keinesfalls des Kaufrechts.

ein Artikel, der 10 € kosten soll wird ja nicht für 10 € eingekauft. Ist der Schaden das, was der Supermarkt ausgegeben hat, um die Ware einzukaufen oder der Betrag, den er im normalen Verkauf gern dafür hätte?

Gruß
Sue

Das ist eine Frage, die ich mir auch schon lange stelle, aber nie recherchiert habe. Man könnte womöglich auf § 252 BGB abstellen.

Levay

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Verpackungen aufreißen —> kein Kaufzwang!
Hallo nochmal,

Danke für die vielen Antworten!

Was allerdings das Aufreißen von Verpackungen angeht, besteht kein Kaufzwang, solange die Ware grundsätzlich noch verkauft werden kann (z. B. Waschmittelkartons kann man wieder zukleben, die Ware ist dann noch einwandfrei, anders wäre es z. B. beim Öffnen von Konserven). Man kann beim Waschmittel dann höchstens dazu verpflichtet werden, den Klebestreifen zum Zukleben zu bezahlen. Sogar ein Schild im Laden „Das Öffnen der Verpackung verpflichtet zum Kauf“ ist nicht gültig und sogar nicht erlaubt (gemäß Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Jahr 2000). Quelle: „Neues Lexikon der Rechtsirrtümer“ von Dr. jur. Ralf Höcker von 2007. Dort sind auch Verweise auf die entsprechenden Gesetzestexte angegeben (hoffe, das ist jetzt keine unerlaubte Werbung …).

Grüße

Yvonne

Keine unerlaubte Werbung, aber auch keine gute Quelle. Man kann nicht sagen, ein OLG habe mal so und so entschieden, also sei das so. Das kann das nächste OLG - und sogar dasselbe - ja auch in einem anderen Fall wieder ganz anders sehen.

Das Lexion der populären Rechtsirrtümer ist mit Vorsicht zu genießen!

Levay

3 Like

.

Man kann nicht sagen, ein OLG habe mal so und so entschieden, also
sei das so. Das kann das nächste OLG - und sogar dasselbe - ja
auch in einem anderen Fall wieder ganz anders sehen.

Eben. Dieses Urteil ist zwar eine Richtung, aber dem müssen andere Gerichte nicht folgen. Und - bei einer aufgerissenen Waschmittelpackung dürfte ein Verkauf schlecht aussehen, wurde oben schon mal beschrieben.
Außerdem hieß es im Originalposting, dass das Produkt nicht mehr zu gebrauchen war. Damit ist an Weiterverkauf eh nicht mehr zu denken.

Grüßerle
Richard

Es ging mir ja hier nicht mehr um mein erste Anfrage, da hab ich mich ja nur noch für die vielen Antworten bedankt (und in dem Fall war die Ware wirklich kaputt), sondern um die weiteren Anmerkungen hier.

In dem Buch sind auch Verweise auf die entsprechenden Paragraphen gegeben (es ging nicht nur um das eine Urteil), außerdem gab es dazu schon einige Beiträge in verschiedenen Rechtssendungen in mehreren Fernsehsendern (privaten und öffentlich-rechtlichen, ich hab es glaube ich bei RTL und ZDF Infokanal gesehen). Aber wie schon geschrieben hängt das dann natürlich von der Ware ab (ob durch Öffnen unbrauchbar/schneller verderblich oder noch einwandfrei).

Grüße

Yvonne

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In dem Buch sind auch Verweise auf die entsprechenden
Paragraphen gegeben

Ja und? Jeder Rechtsansicht liegen Normen zugrunde. Das heißt nicht, dass das die einzige Rechtsansicht ist.

außerdem gab es dazu schon einige Beiträge in verschiedenen
Rechtssendungen in mehreren Fernsehsendern (privaten und
öffentlich-rechtlichen, ich hab es glaube ich bei RTL und ZDF
Infokanal gesehen).

Und?

Wie gesagt: Du nimmst das zu wichtig. Richter sind nur dem Gesetz unterworfen, jeder Richter kann das selbst entscheiden, und hier kann man ganz gewiss nicht davon ausgehen, dass es so was wie einen breiten Konsens gibt. Höcker wird überbewertet.

Levay

Und was das OLG wirklich entschieden hat…
Mann, mann, mann, dieses Bücher sind echt gefährlich.

Die OLG Entscheidung bezieht sich auf die Rechtmäßigkeit einer AGB mit dem Inhalt: „Wer die Ware beschädigt, muss die kaufen.“ Diese ist natürlich unwirksam. Hierzu in der Begründung:

„Nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Kunde, wenn er die Verpackung einer Ware beschädigt, nicht verpflichtet, diese abzunehmen und zu bezahlen. Er ist allenfalls verpflichtet, Schadensersatz in Höhe der Kosten zu leisten, die die Wiederherstellung der Verpackung erfordert. Jedenfalls bei höherwertigen Gegenständen wird von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne des § 9 Abs. 2 Ziff. 1 abgewichen, wenn der Kunde zur Abnahme und Bezahlung der Ware verpflichtet wird, obwohl diese selbst keinen Schaden genommen hat und die beschädigte Verpackung wiederhergestellt werden kann. In einem derartigen Fall wirkt sich die Verpflichtung, die Ware abnehmen und bezahlen zu müssen, wie die Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs im Sinne des § 11 Ziff. 5 AGBG aus. Nach dieser Vorschrift ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Schaden bei dem Aufreißen einer Verpackung, welches jedoch den Inhalt nicht beschädigt, ist jedenfalls bei höherwertigen Gegenständen wesentlich geringer als der Kaufpreis; möglicherweise entsteht überhaupt kein Schaden, wenn die Verpackung nur unwesentlich beschädigt wird oder so wiederhergestellt werden kann, daß die Verkäuflichkeit der Ware nicht beeinträchtigt wird. Auch unter Hinzuziehung des Rechtsgedankens, der in § 11 Ziff. 5 AGBG zum Ausdruck kommt, belastet die beanstandete Klausel den Kunden - jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung - unangemessen im Sinne des § 9 AGBG.“ (Az.: 13 O 87/99)

Und wer jetzt wirklich meint, das OLG habe gesagt, mann könne eine Ware, die man im Geschäft beschädigt, immer durch zusammenkleben wieder herstellen, hat einen an der Waffel!

Gruß
Dea

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Ja, genau das hier meinte ich (Verpackung wiederherstellen, soweit Inhalt nicht beschädigt/verdorben).

Hab allerdings ganz überlesen, dass hier jemand meinte, man könne kaputte Ware einfach notdüftig reparieren, muss ich gleich nochmal nachlesen (im Sinne von: Oh, schade, die Ming-Vase ist in 2 Teile zersprungen, gib doch mal Tesa her …). Aber z. B. „angeschlagene“ Waschmittelpackungen hab ich auch schon gekauft, und meine Wäsche wurde trotzdem einwandfrei sauber … :smile:

Und grundsätzlich gibt es ja sehr oft unterschiedliche Rechtsauffassungen und Urteile (und auch Fachanwälte sind manchmal selbst in ihrem Fach nicht gerade sehr gebildet, musste als Laie mal meinem Anwalt Tipps geben, wie er denn meinen Fall für mich gewinnen könnte …).

Hab hier ja auch nur Grundsätzliches geschrieben (Ausnahmen gibt es immer und überall für alles).

Grüße

Yvonne

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Phansasie
Guten Tag,

Mann, mann, mann, dieses Bücher sind echt gefährlich.

wenn ich hier jetzt wieder versuche eine Brücke vom Problem zur Lösung zu schlagen und sage, dass die Ursache vieler Missverständnisse die Wortkargheit von euch Juristen (auch hier im Brett) ist, kriege ich eh nur wieder einen auf die Mütze.
Also sage ich mal nichts… und dich in Ruhe rummeckern.

Viele Grüße,
J~

lol…
…also ich kenne viele Vorwürfe gegen Juristen, Wortkargheit gehörte nicht dazu :smile:

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