Kehren mit 'zu' oder ohne 'zu'

Grüß Euch,

ich bin gerade über folgenden Satz gestolpert:

„Der gebürtige Niederösterreicher kehrte seiner Heimat den Rücken zu und zog nach Tirol“

Das ist ganz sicher nicht falsch, aber in meinen Ohren ist das zu störend überflüssig.

„ich kehre dir den Rücken zu“, du siehst also meinen Rücken, zeitlich und räumlich gesehen, sozusagen.

Und: „ich kehre Österreich den Rücken“, ich verlasse Österreich, um, zumindest für eine längere Zeit, woanders zu leben.
Das hat - im wörtlichen Sinne - nichts mehr mit meinem Rücken zu tun.

I-Tüpfel geritten oder ist das „zu“ im erwähnten Satz wirklich störend? Oder möglicherweise regional durchaus üblich?

Wie immer Dank für’s Mitdenken,
Maresa

Du hast Recht, Maria Theresa, das „zu“ stört und ist überflüssig.
Denn „etwas den Rücken kehren“ ist vor allem metaphorisch gemeint; ich kann meinem Vaterland auch den Rückenkehren, wenn ich in Afrika bin.

„Den Rücken zukehren“ ist hingegen eine konkrete, aktuelle und punktuelle Handlung in einem bestimmten, kurzen Zeitraum. Dieser Zeitraum ist so kurz und zeitlich definierbar, dass die Schweizer für diesen kurzen Augenblick sogar den Ausdruck „handkehrum“ benutzen.

Gruß - Rolf

Hallo Maresa,

für mein Gefühl klingt der Satz „Der gebürtige Niederösterreicher kehrte seiner Heimat den Rücken zu und zog nach Tirol“ zunächst auch etwas schief.
Es könnte allerdings ein bestimmter Nebensinn beabsichtigt sein, nämlich dass sich der Mensch auch emotional von seiner Heimat abwendet, ihr eben den Rücken zukehrt, und nicht einfach nur umzieht.
Diese Konnotation ist nicht vorhanden, wenn man sagt er kehrte (z.B. aus beruflichen Gründen oder wegen einer Partnerschaft) seiner Heimat den Rücken.

Aber das ist nur ein vages Gefühl; warte mal ab, was andere dazu meinen.

Grüße
Pit

Hallo, Pit,

danke für deine Antwort und die quasi Zustimmung:smile:
denn diese Konnotation

nämlich dass sich der Mensch auch emotional von seiner
Heimat abwendet, ihr eben den Rücken zukehrt, und nicht
einfach nur umzieht.

ist in diesem Fall ganz sicher nicht vorhanden. Das geht aus dem gesamten Inhalt des Artikels hervor - deshalb bin ich ja vermutlich auch „gestolpert“.

Diese Konnotation ist nicht vorhanden, wenn man sagt er kehrte
(z.B. aus beruflichen Gründen oder wegen einer Partnerschaft)
seiner Heimat den Rücken.

da gebe ich dir absolut Recht.

Aber das ist nur ein vages Gefühl; warte mal ab, was andere
dazu meinen.

Sprachgefühl gibt’s nicht, sagte einst ein großer „www-Deutsch-Denker“…grinzzz…, aber es ist schön, dass du auch Gefühle hast:smile:)

Herzlichen Gruß, Maresa

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Hallo, Rolf,

danke für deine Antwort
Deine beiden Argumente sehe und empfinde ich ebenso, daher wohl mein „Stolpern“.

Dieser Zeitraum ist so kurz und zeitlich definierbar, dass die
Schweizer für diesen kurzen Augenblick sogar den Ausdruck
„handkehrum“ benutzen.

Das hätte für mich wiederum eine andere Bedeutung, die ich „im Handumdrehen“ nennen würde, aber ich bin des schweizer Idioms auch nur bedingt mächtig.

Herzlichen Gruß, Maresa

Du hast Recht, Maria Theresa, das „zu“ stört und ist
überflüssig.

Das ist Ansichtssache, mindestens. Wenn nicht gar ein regionaler Unterschied. Für mich (Leipziger) hört sich der Satz völlig normal an, und das Fehlen des „zu“ würde mich stutzig machen. Da fehlt etwas, es entsteht eine unschöne Lücke und ich stolpere über den Satz.

Es scheint, als bin ich da aber eher in der Minderheit:
http://books.google.com/ngrams/graph?content=den+R%C…

(ich weiß allerdings nicht, ob diese Suche so representativ sein kann, da das keine anderen Konstruktionen ausschließt)

Ich wollte nur sagen, dass wahrscheinlich nicht jeder deine bzw. Marias Ansicht teilen wird.

Grüße,

  • André
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…nach hiesigem Sprachverständnis (Steiermark) kann man vielleicht „metaphorisch“ der „Heimat“ den „Rücken kehren“ (will nix mehr damit zu tun haben), wenn man diese allerdings auch körperlich verläßt (–> einen Raum verlassen), „kehrt“ man ihr „den Rücken zu“ (–> es sei denn, man geht verkehrt aus dem Raum); verbinden sich also beide (unterschiedlichen) Begriffe in einer Phrase (–> und zog nach Tirol), dann erscheint mir das "zu völlig zulässig…

liebe Grüße
nicolai

Hallo, André,

Ich wollte nur sagen, dass wahrscheinlich nicht jeder deine
bzw. Marias Ansicht teilen wird.

Den Anspruch erhob ich doch gar nicht…*lächel*

Das ist Ansichtssache, mindestens. Wenn nicht gar ein
regionaler Unterschied.

Genau das interessiert mich, da ich versuche, immer den regionalen deutschen/österreichischen/schweizerischen, etc. Unterschieden nachzuspüren, oft bis zur berüchtigten I-Tüpfelreiterei.

Dank Dir und herzlichen Gruß,
Maresa