Keine werbungskosten bei Insolvenzgeld ?

Hallo Experten,
ein Arbeitnehmer bezog von 01/03 bis 04/03 Insolvenzgeld. Trotzdem fuhr er weiterhin täglich 48 km zur Arbeit. Auf seinem Steuerbescheid für 03 muss er lesen, dass er für den Zeitraum der Insolvenzgeldzahlung keine Werbungskosten geltend machen kann.

Bin gespannt, wer es schafft, mir diese asoziale Bestimmung plausibel zu machen.

franzhapper

Bin gespannt, wer es schafft, mir diese asoziale Bestimmung
plausibel zu machen.

hi,

so, sowieso nicht! diese voreinstellung erübrigt jede beantwortung, da du mit der antwort eh nicht leben kannst, willst…

jetzt darfst du auch selber lesen, erläuterungen erspar ich mir, lesehinweise aber doch:

§ 32b EStG sogen. „progressionsvorbehalt“
§ 9 EStG „werbungskosten“

tip: versuche den sinn des progressionsvorbehaltes herauszubekommen. wenn du dann noch das nettoprinzip verstanden hast, beides gedanklich zusammenführst, wirst du diese „asoziale“ regelung auch verstehen können. ob du es willst liegt in deiner macht.

der showbee

hallo showbee,

also: Werbungskosten sind laut EstG § 9 Absatz 4 „Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. [2] Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen…“

Ob der AN Lohn vom AG oder Insolvenzgeld von der BA (gleicher Betrag!)bezieht ist bezüglich seiner Aufwendungen, jedenfalls wenn ich meinen gesunden Menschenverstand nicht völlig ausschalte, unerheblich. Er hat den Sprit verfahren und fertig.

So eindeutig § 9 ist, so unverständlich ist § 32b. Habe ihn jetzt mehrfach durchgelesen, kann aber nichts entdecken, was auch nur annähernd „bei Insolvenzzahlungen können keine Werbungskosten geltend gemacht werden“ bedeuten könnte.

hi,

im ernst: diese pauschalen formulierungen „asoziales system“ gefallen mir nicht, da sie nicht stimmen. deswegen meine barsche antwort vorhin…

deine bemühungen zeigen eine auseinandersetzung mit dem thema

das nettoprinzip sagt vereinfacht: steuer nur auf das tatsächlich verdiente.

also bspw. versteuerung nur von bruttoarbeitslohn abzüglich der werbungskosten, weshalb die entfernungspauschale angesetzt wird.

nun zum insolvenzgeld. ist es zu versteuern? nein, das insolvenzgeld wird nur im rahmen des progressionsvorbehaltes eingerechnet und beeinflusst den steuersatz.

kurze erläuterung am bsp.

du verdienst (steuerpflichtig) 12 x 3.000 EUR --> 36.000 p.a. --> steuersatz für den gesamten verdienst ist 30% (annahme), bspw. steuerlast also 10.800 EUR steuern.

da wir einen progressiven steuersatz haben (höherer steuersatz bei höherem einkommen), würde folgendes passieren, wenn du nur einige monate arbeitest:

9 x 3.000 EUR = 27.000 --> 25% (annahme)
3 x 3.000 EUR insolvenzgeld

–> du hast zwar gleich viel geld zur verfügung, aber nur weil das insolvenzgeld steuerfrei ist (sozialleistung), zahlst du auf deine steuerpflichtigen einkünfte weniger steuern (hier 27.000 x 25% = 6.750 EUR).

es wäre also ungerecht:

  1. wenn du die 9 x 3.000 EUR nur zu 25% versteuern musst
  2. wenn du die gesamten 12 x 3.000 EUR zu versteuern hast

also zwischenlösung, zumindest die 9 x 3.000 EUR müssen versteuert werden, mit dem steuersatz, als ob alle 12 x 3.000 EUR steuerpflichtig wären.

also steuersatz auf 9 x 3.000 = 27.000 x 30% (s.o.) = 8.100 EUR von nöten.

das macht der § 32b, indem er die steuerfreien ersatzleistungen zur berechnung des steuersatzes heranzieht.

nun zum werbungskostenabzug: wäre es gerecht, die 3 x 3.000 EUR insolvenzgeld steuerfrei zu beziehen, also nur 9 x 3.000 EUR zu versteuern, aber 12 x werbungskosten in ansatz zu bringen? nein, da ja nur für 9 x 3.000 EUR steuern gezahlt werden.

ergo: steuerfreiheit schliesst absetzbarkeit von werbungskosten aus (sh. § 3c Abs. 1 EStG http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/estg/__3c.html ), aber steuerfreiheit von leistungen kann nicht gerechte besteuerung der tatsächlichen steuerpflichtigen einnahmen beeinflussen.

insoweit zwar kompliziert das thema, aber nicht asozial.

gruss vom

showbee

1 Like

Hallo, ich nochmal,
also zeitweise hatte ich den Eindruck, als hätte ich es verstanden, aber als Nichtsteuerfachmann macht mir da der bereits erwähnte gesunde Menschenverstand einfach jedesmal einen Strich durch die Rechnung:

  1. hat der AN am Ende des Jahres GENAU DEN GLEICHEN NETTOJAHRESVERDIENST wie ohne Insolvenzgeld (in diesem konkreten Fall 16080 Euro, exakt wie 2002)

  2. ist der AN GENAU SO VIELE KILOMETER GEFAHREN wie im Vorjahr.

Und wenn jetzt einfach gesagt wird, "hey, das Insovenzgeld wurde ja nicht versteuert, deshalb tun wir jetzt einfach mal so, als ob der AN 3 Monate zur Arbeit gelaufen ist (immerhin 48 km Hinweg pro Tag), dann ist das nicht in Ordnung.
der AN wird benachteiligt, weil seine Geschäftsführung Mist gebaut hat.

nun zum werbungskostenabzug: wäre es gerecht, die 3 x 3.000
EUR insolvenzgeld steuerfrei zu beziehen, also nur 9 x 3.000
EUR zu versteuern, aber 12 x werbungskosten in ansatz zu
bringen?

m.E. absolut gerecht, da ja real 12 Monate gefahren wurde und bei besagtem AN außer den gefahrenen Kilometern keine Werbungskosten angefallen sind.

dem AN ist es doch völlig wurscht, ob das Insolvenzgeld steuerfrei ist oder nicht, er hat am Ende des Monats exakt den gleichen Betrag auf seinem Lohnzettel, die gleichen Kilometer gefahren wie im Vorjahr (denn er ist ja brav weiter zur Arbeit während des Insolvenzverfahrens), muss aber völlig unverschuldet auf die Abgeltung seiner während 3 Monaten gefahrenen Kilometer verzichten.
Es ist doch schlimm genug, dass man zunächst monatelang kein Gehalt bekommt, dann monatelang um seinen Arbeitsplatz kämpft, letztendlich doch scheitert und dann vom Finanzamt auch noch einen Tritt bekommt.

sorry, aber mir fällt da nur das von dir verschmähte Adjektiv ein, und hätte ich nicht eine Familie zu ernähren, würde ich mich wohl auch nicht so ereifern.

franzhapper

  1. hat der AN am Ende des Jahres GENAU DEN GLEICHEN
    NETTOJAHRESVERDIENST wie ohne Insolvenzgeld (in diesem
    konkreten Fall 16080 Euro, exakt wie 2002)

da liegt der hase im pfeffer - er hat eben den selben nettoverdienst, aber nicht das selbe „brutto“, welches in die est-erklärung einfliesst - warum sollte also dann das zu versteuernde einkommen gemindert werden, mit aufwendungen, denen keine steuerpflichtigen einnahmen gegenüber stehen - würde zu einer überentlastung führen, die mit insolvenzgeld und zuzügl. steuerminderung das eigentliche „netto“ übersteigen würden…

gruß vom inder, der sich mal eingemischt hat…

dem AN ist es doch völlig wurscht, ob das Insolvenzgeld
steuerfrei ist oder nicht, er hat am Ende des Monats exakt den
gleichen Betrag auf seinem Lohnzettel, die gleichen Kilometer
gefahren wie im Vorjahr (denn er ist ja brav weiter zur Arbeit
während des Insolvenzverfahrens), muss aber völlig
unverschuldet auf die Abgeltung seiner während 3 Monaten
gefahrenen Kilometer verzichten.

hi,

es gibt ein system: steuerminderung für ausgaben nur dann, wenn steuererhöhung durch die einnahmen. dies ist hier offensichtlich dein fall. für das InsG wird keine steuer gezahlt, also kann da nix gegengerechnet werden.

also nochmals der versuch einiger argumente: es geht doch nicht nur um einzelfallgerechtigkeit. sicher, du kannst nix dafür (vielleicht auch doch), dass dein arbeitgeber pleite gemacht hat. aber kann der staat was dafür???

und wenn der staat was dafür kann, kann dann zusätzlich die gesamtheit der restlichen steuerzahler was dafür?

mal im ernst: solltest du nicht froh sein, dass dein arbeitgeber so freundlich war insolvenz anzumelden und du 3 monate InsG kassiert hast? wieviele arbeitgeber sind ungerecht und machen den verschwinder und die arbeitnehmer wissen nicht was sache ist? wie oft werden löhne nicht gezahlt OHNE das insolvenzgeld beansprucht werden kann?

was hat die gesamte steuerzahlergemeinde damit zu tun, wie sich dein salär zusammensetzt (steuerfrei - steuerpflichtig)?

vielleicht hast du das noch gar nicht mitbekommen. der werbungskostenabzug führt doch nicht zur erstattung der kosten vom staat, er mindert nur die bemessungsgrundlage für die steuerberechnung.

die steuererklärung soll zu einer gerechten besteuerung führen, nicht zur sozialhängematte, die alle aufwendungen erstattet. selbst wenn du die kosten gegenrechnen KÖNNTEST, würdest du doch nur eine erstattung in EUR/CT in höhe des steuersatzes erhalten…

alles in allem, kann ich hier keine ungerechtigkeiten erkennen.

ansonsten geb ich mich geschlagen, meinungen kann man ja nicht verbieten, mach das beste draus.

der showbee

da liegt der hase im pfeffer - er hat eben den selben
nettoverdienst, aber nicht das selbe „brutto“, welches in die
est-erklärung einfliesst - warum sollte also dann das zu
versteuernde einkommen gemindert werden, mit aufwendungen,
denen keine steuerpflichtigen einnahmen gegenüber stehen -
würde zu einer überentlastung führen, die mit insolvenzgeld
und zuzügl. steuerminderung das eigentliche „netto“
übersteigen würden…

weil unter Werbungskosten ALLE Aufwendungen fallen, die zum Erreichen des Arbeitsplatzes notwendig sind, und das waren halt mal 12 Monate Fahrkosten und nicht 9 Monate.

Ich bedanke mich aufrichtig bei showbee und Inder für ihre Hilfe. Plausibel ist es für mich aber immer noch nicht.

franzhapper