Kennt jemand ein gedicht?

das gedicht soll verschiedene kriterien erfüllen.

-es soll den mensch oder große teile von ihm thematisch repräsentieren. (bspw. gerne folgendes gefühl: durch wiedrigste umstände gegangen und vielerlei verlustig gegangen, nun an einem punkt der tiefsten trauer und des tiefsten schmerzes, doch einsichtig, dass die notwendig war um nun die erkenntnis der neuen möglichkeiten zu haben, die ohne dies nicht wären. und das ganze sehr tief.)
-es soll tragisch sein und darf in den bilder auch gewaltig und vllt. „übertrieben“ wirken
-gerne darf es auch eine geschichte erzählen wie bspw. in „das trunkene schiff“
-es soll sich der sprache des 17. höchstens 18. jh bedienen oder früher
-kein „schüttelreim“ (eine gewisse komplexität in form und inhalt)

schaut einfach ob ihr vllt. etwas in der art kennt und sagt bescheid. ich würde mich freun.
lg micha

Der Sinn dieser Hausaufgabe ist es, Dich dazu zu bringen, selbst Gedichte zu lesen und zu beurteilen. Nicht, lesen zu lassen.

danke für den hinweis. leider habe ich mir die aufgabe selbst gestellt und dachte nachdem icht tagelang recheriert hab frag ich mal jemand der sich damit auskennt. wenn du es bist pflegst du nette vorurteile ohne irgendeine ahnung zu haben. aber auch sowas könnte gerne in dem gedicht vorkommen. ist ja sehr menschlich, derzeit jedenfalls. in diesem sinne danke. i.ü. suche ich kein bestimmtes gedicht.

i. ü. wollte ich nur sagen, dass ich durchaus schon ein paar gedichte habe, hoffe allerdings, dass jemand noch ein besseres angebot hat.

Dann nenn doch mal ein paar Beispiele … Würde mich mal interessieren, wie Du Rimbaud und Barocklyrik zusammenbringst - oder was meintest Du mit „es soll sich der sprache des 17. höchstens 18. jh bedienen oder früher“?

also ich kenne mich nicht wirklich aus mit stilen, habe bei meiner recherche allerdings eine gewisse amition zu der sprache dieser zeit verspürt. es muss nicht ein bestimmter stil sein. aber im folgenden findest du meine funde.

Brentano, Clemens (1778-1842) Rosengedicht
Auferstehung und Metamorphose
O liebliche! wie schön bist Du erstanden!
Die Rose in sich selbst so tief verglühet
Ist hoch in Dir, Du Lilie erblühet
In der sich Form und Inhalt schön verbanden.

O zürne nicht, weil ich es Dir gestanden,
Daß der, der um die Rose sich bemühet
Aus ihr Dich Lilie erstanden siehet
O zürne nicht, hast Du es gleich verstanden.

Was in der Rose Sinnenglut verglommen
Muß in der Lilie geist´ger sich entfalten
Muß sich in Licht und reiner Hoheit heben.
Wie Form und Geist sich ewig näherkommen

So wechseln immer höher die Gestalten
Doch wohnt nur eine Liebe in dem Leben.

Arnim, Bettine (Bettina) von (1785-1859)
Es ist wahr, […], in mir ist ein Tummelplatz von Gesichten, alle Natur weit ausgebreitet, die überschwenglich blüht in vollen Pulsschlägen, und das Morgenrot scheint mir in die Seele und beleuchtet alles. Wenn ich die Augen zudrücke mit beiden Daumen und stütze den Kopf auf, dann zieht diese große Naturwelt an mir vorüber, was mich ganz trunken macht. Der Himmel dreht sich langsam, mit Sternbildern bedeckt, die vorüberziehen; und Blumenbäume, die den Teppich der Luft mit Farbenstrahlen durchschießen. Gibt es wohl ein Land, wo dies alles wirklich ist? Und seh ich da hinüber in andre Weltgegenden?

Baudelaire, Charles (1821-1867)
Der Tod der Liebenden
So tief und weich, als ob es Gräber wären,
Laß unsre duftumhüllten Lager sein,
Und ringsum Blumen, die in schönren Sphären
Für uns erblüht in einem fremden Hain.

Laß unser letztes Glühen und Begehren
Gleich düsterroten Fackeln lodern drein,
Zwiefache Flammen, die sich spiegelnd mehren
In unsrer Doppelseele Widerschein.

Der Abend brennt in rosig-blauem Flimmer,
Ein letztes Glühen noch, dann schweigt für immer
Der lange Seufzer, schwer von Abschiedsqual.

Und lächelnd tritt ein Engel in das Zimmer
Und weckt zu neuem Leben, neuem Schimmer
Erloschne Spiegel, toter Kerzen Strahl.

Das Rätsel
Ich träume von der Liebe, der Liebe im Glück Ich träume vom Schatten des Bösen bin von Beiden ganz verzückt Und kann des Rätsel doch nicht lösen! Ich träume von Küssen der Leidenschaft Ich träume vom Streit zwischen Schwestern Und kann das Rätsel doch nicht lösen! Ich träume von der Liebe auf Erden Ich träume vom Krieg der Welt Und kann das Rätsel doch nicht lösen!

Das menschliche Leben

Menschen, Menschen! was ist euer Leben,

Eure Welt, die tränenvolle Welt,

Dieser Schauplatz, kann er Freuden geben,

Wo sich Trauern nicht dazu gesellt?

O! die Schatten, welche euch umschweben,

Die sind euer Freudenleben.

Tränen, fließt! o fließet, Mitleidstränen,

Taumel, Reue, Tugend, Spott der Welt,

Wiederkehr zu ihr, ein neues Sehnen,

Banges Seufzen, das die Leiden zählt,

Sind der armen Sterblichen Begleiter,

O, nur allzu wenig heiter!

Banger Schauer faßt die trübe Seele,

Wenn sie jene Torenfreuden sieht,

Welt, Verführung, manches Guten Hölle,

Flieht von mir, auf ewig immer flieht!

Ja gewiß, schon manche gute Seele hat, betrogen,

Euer tötend Gift gesogen.

Wann der Sünde dann ihr Urteil tönet,

Des Gewissens Schreckensreu sie lehrt,

Wie die Lasterbahn ihr Ende krönet,

Schmerz, der ihr Gebein versehrt!

Dann sieht das verirrte Herz zurücke;

Reue schluchzen seine Blicke.

Und die Tugend bietet ihre Freuden

Gerne Mitleid lächelnd an,

Doch die Welt - bald streut sie ihre Leiden

Auch auf die zufrieden heitre Bahn:

Weil sie dem, der Tugendfreuden kennet,

Sein zufrieden Herz nicht gönnet.

Tausend mißgunstvolle Lästerungen

Sucht sie dann, daß ihr die Tugend gleicht;

Beißend spotten dann des Neides Zungen,

Bis die arme Unschuld ihnen weicht;

Kaum verflossen etlich Freudentage,

Sieh, so sinkt der Tugend Waage.

Etlich’ Kämpfe - Tugend und Gewissen -

Nur noch schwach bewegen sie das Herz,

Wieder umgefallen! - und es fließen

Neue Tränen, neuer Schmerz!

O du Sünde, Dolch der edlen Seelen,

Muß denn jede dich erwählen?

Schwachheit, nur noch etlich’ Augenblicke,

So entfliehst du, und dann göttlich schön

Wird der Geist verklärt, ein bess’res Glücke

Wird dann glänzender mein Auge sehn;

Bald umgibt dich, unvollkommne Hülle,

Dunkle Nacht, des Grabes Stille.

Das Höchste

Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren:

Was sie willenlos ist, sei du es wollend - das ists!

Poesie des Lebens

An ***

»Wer möchte sich an Schattenbildern weiden,

Die mit erborgtem Schein das Wesen überkleiden,

Mit trügrischem Besitz die Hoffnung hintergehn?

Entblößt muß ich die Wahrheit sehn.

Soll gleich mit meinem Wahn mein ganzer Himmel schwinden,

Soll gleich den freien Geist, den der erhabne Flug

Ins grenzenlose Reich der Möglichkeiten trug,

Die Gegenwart mit strengen Fesseln binden,

Er lernt sich selber überwinden,

Ihn wird das heilige Gebot

Der Pflicht, das furchtbare der Not

Nur desto unterwürfger finden.

Wer schon der Wahrheit milde Herrschaft scheut,

Wie trägt er die Notwendigkeit?« -

So rufst du aus und blickst, mein strenger Freund,

Aus der Erfahrung sicherm Porte

Verwerfend hin auf alles, was nur scheint.

Erschreckt von deinem ernsten Worte

Entflieht der Liebesgötter Schar,

Der Musen Spiel verstummt, es ruhn der Horen Tänze,

Still traurend nehmen ihre Kränze

Die Schwestergöttinnen vom schön gelockten Haar,

Apoll zerbricht die goldne Leier,

Und Hermes seinen Wunderstab,

Des Traumes rosenfarbner Schleier

Fällt von des Lebens bleichem Antlitz ab,

Die Welt scheint, was sie ist, ein Grab.

Von seinen Augen nimmt die zauberische Binde

Cytherens Sohn, die Liebe sieht,

Sie sieht in ihrem Götterkinde

Den Sterblichen, erschrickt und flieht,

Der Schönheit Jugendbild veraltet,

Auf deinen Lippen selbst erkaltet

Der Liebe Kuß, und in der Freude Schwung

Ergreift dich die Versteinerung.

DER GLÜCKLICHE
MUNETO

Ihr sagt, dass ich ein Wilder sei. Nun gut.
Ich bin den Vögeln im Gebüsch befreundet
Und kenne alle Bäume. Und die Blumen.

Auf bunter Bergflur blühen nur für mich,
Und das Geraun des Waldes kündet mir
Geheimnisvoll die Wunder der Natur.

Ja, ich bin reich! Dich neid ich nimmermehr,
Geschmeidiger Hofmann in dem seidnen Kleide,
Denn du hast nichts, was meinem Glücke gleicht.

Wie kommt’s, dass ich nicht mehr mein eigen bin?

Wer ist’s, durch den ich mich verlor,

Der, fremd, in mir sich drängte vor,

Mehr gilt in mir als eigner Sinn?

Und wie durchschnitt

Die harte Brust,

Wer mich nicht einmal angerührt?

Wer bist du, Liebe, Qual und Lust,

Die nun mein Herz gefangen führt,

Die durch das Aug’ in meine Seele glitt

Und da so masslos wächst und schwillt,

Dass sie an tausend Enden überquillt?

Das Feuer darf der ems’ge Schmied nicht scheuen,

Sein Eisen neu und kunstvoll zu gestalten;

Mit Kraft des Feuers muss der Meister schalten,

Will er des lautern Goldes sich erfreuen.

Der einz’ge Phönix kann sich nicht erneuen,

Eh’ er verbrennt. So auch in Glutgewalten

Hoff’ ich zu sterben, mit den Lichtgestalten

Vereint, die Tod und Zeit nicht mehr bedräuen.

O süsses Sterben! Selig, wer so brennt!

Wenn ich zu Asche nach und nach verstoben,

Nicht unter Toten leben muss fortan.

Ja wenn sich von Natur dies Element

Zum Himmel hebt, steig’ ich, mit ihm erhoben,

Grad’ auf, feurig verwandelt, himmelan.

vllt. hilft das weiter. ich hoffe es.

und hier vllt noch bessere:

Melancholie

Sei mir gegrüsst, Melancholie,
Die mit dem leisen Feenschritt
Im Garten meiner Phantasie
Zu rechter Zeit ans Herz mir tritt!
Die mir den Mut wie eine junge Weide
Tief an den Rand des Lebens biegt,
Doch dann in meinem bittern Leide
Voll Treue mir zur Seite liegt!

Die mir der Wahrheit Spiegelschild,
Den unbezwungnen, hält empor,
Dass der Erkenntnis Träne schwillt
Und bricht aus dunklem Aug’ hervor;
Wie hebst das Haupt du streng und strenger immer,
Wenn ich dich mehr und mehr vergass
Ob lärmendem Geräusch und Flimmer,
Die doch an meiner Wiege sass !

Wie hängt mein Herz an eitler Lust
Und an der Torheit dieser Welt!
Oft mehr als eines Weibes Brust
Ist es von Aussenwerk umstellt,
Und selbst den Trost, dass ich aus eignem Streben,
Was leer und nichtig ist, erkannt,
Nimmst du und hast mein stolz Erheben
Zu Boden alsobald gewandt.

Wenn du mir lächelnd zeigst das Buch
Des Königs, den ich oft verhöhnt,
Aus dem es, wie von Erz ein Fluch,
Dass alles eitel sei! ertönt.
Und nah und ferne hör’ ich dann erklingen
Gleich Narrenschellen ein Getön;
O Göttin, lass mich dich umschlingen,
Nur du, nur du bist wahr und schön! -

Noch fühl’ ich dich so edel nicht,
Wie Albrecht Dürer dich geschaut:
Ein sinnend Weib, von innerm Licht
Erhellt, des Fleisses schönste Braut,
Umgeben reich von aller Werke Zeichen,
Mit milder Trauer angetan;
Sie sinnt - der Dämon muss entweichen
Vor des Vollbringens reifem Plan!

Gottfried Keller

Der neue Mensch

Mensch, es strömen die Jahrtausende
In dein offnes Herz. Der sausende
Flügelschlag der Zeit bestürme dich!
Halte fest der Promethiden Feuer,
Und in ihrem heiligen Glanz erneuer
Zart zu Faltern das Gewürme sich.

Gingest du nicht deinen Gott verkaufen
Unter Lächeln, Liebeln, Huren, Saufen?
War mit Gold gefüllt nicht Raum und Zeit?
Lern an reiner Quelle wieder trinken,
Lerne wieder liebend niedersinken
In die Kniee vor der Ewigkeit.

Aus den Kratern schweben die Dämonen,
Welche bei den schwarzen Engeln wohnen.
Und es steigt die süd- und nordsche Flut.
Schwing die Fackel deiner reinen Seele.
Horch: schon zwitschert wieder Philomele,
Und es schwirrt der Zukunft Adlerbrut.

Sollen Irre durch die Gassen taumeln?
Sollen Schwangere am Galgen baumeln?
Freiheit, welche mordet, ist nur Wahn.
Stosst hinab in tiefste Höllentiefen,
Wo noch immer nicht sie endlich schliefen,
Nero, Robespierre und Dschingiskhan.

Die ihr lebend starbet in den Grüften
Unsrer Städte: schwingt euch mit den Lüften
Eines neuen Frühlings in die Welt.
Liebe will sich liebend euch ergeben,
Lachend werdet ihr das Leben leben,
Wenn der morsche Tempel fällt!

(Alfred Henschke) Klabund
Aus der Sammlung Balladen

es muss auch nicht alle kriterien erfüllen. es ist nur eine richtungsangabe.

es könnten auch zensprüche sein. allerdings sind diese soweit ich weis meist kurz.
schön wäre es wenn sie vorgelesen etwa 2-5 min lang sind.

Hallo Micha,

wer oder was hindert Dich daran, in eine Bibliothek Deiner Wahl zu gehen und alldort ein paar Gedichtanthologien zur Hand zu nehmen?

Gruß

=^…^=

nun, in gewisser weise habe ich das schon getan und mache es weiter. es gibt da durchaus nette seiten im netz die gut sortiert sind. das problem ist, dass ich unter den thematiken gedichte gefunden habe die meine absicht garnicht treffen und wiederum in thematiken, die nicht unmittelbar mit dem gesuchten zusammenhängen, eher etwas gefunden habe. somit ist die schierig. aber danke für den hinweis. lg micha

hat dir mein hinweis irgendwas gebracht in bezug auf eine hilfreiche antwort oder war das garnicht deine absicht?

Servus,

jo, T. weiß jetzt anhand der vorgelegten Exempel, wie alle andren Leser auch, dass es ums 19. Jahrhundert geht.

Schöne Grüße

MM

ja einige, thematisch war es wohl die zeit. wie schon gesagt, lieber wäre mir die sprache des 17. 18. jhs. aber schön dass du, wie auch alle anderen leser, wie du ja erkenntnisreicher weise festgestellt hast, etwas verstanden hast, auch wenn es bei meiner frage nicht wirklich weiter hilft. noch bin ich hoffnungsvoll was eine antwort angeht. allerdings kam noch nix was ich nicht selbst wüsste oder die absicht einer hilfreichen antwort hatte.

hoffnungsvoll micha

Darf es auch aus einem Drama sein?

Guck dich mal in Goethes Faust um.
Da gibt es zum Ende hin das eine oder andere, das du vielleicht verwenden kannst…
Oder bei Shakespeare’s Hamlet…

Vielleicht passt das auch nicht zu dem, was du dir vorstellst, aber du kannst es bei einem deiner nächsten Bibliothek-Besuche ja mal querlesen und gucken. :smile:

Gruß
JS