Kennt sich jemand mit Lehminnenwänden aus?

Wir haben in unserem kleinen Hüttchen im zukünftigen Bad Lehmwände freigelegt, was uns äußerst gefreut hat. Im Zuge der „Restaurierung“ tauchen da natürlich ein paar Fragen auf; Warum setzt man dem Lehmgemisch beim Zusammenrühren Gülle bei? Welchen Effekt hat das? Und kennt jemand eine Mischung, mit der man die Oberfläche behandeln (färben) kann etc. Wir haben gehört, es soll da eine Eier-Quark-Mischung geben. Kann uns jemand nähere Tips geben oder gibt es Fachliteratur dazu?

Gruß Amanda und Jo

Hallo,

im Moment habe ich noch ein Verständnisproblem. Was hat bei der Entdeckung der Lehmwände bei Euch Freude ausgelöst? Bei mir hätte diese Entdeckung (aus Unkenntnis??) zu purem Entsetzen geführt. Meine Vorurteile ließen mich denken, daß diese Wand nicht oder nur mäßig belastbar sein wird. Ich würde Schwierigkeiten befürchten, einen dauerhaften und pflegeleichten Schutz vor Feuchtigkeit (Fliesen für’s Bad) anzubringen. Und schließlich würde ich argwöhnen, daß die gesamte Wand samt aller in Betracht kommenden Beschichtungen buchstäblich ein gefundenes Fressen für alle nur erdenklichen Krabbelviecher sein wird. Es erinnert mich ein bißchen an die Zeit, als Tapeten mit einer Mehlpampe an die Wand gebabbt wurden. Die Silberfischchen banden sich die Servietten um, ließen es sich schmecken und mehrten sich. Oder Torf in Zimmerdecken. Das reinste Biotop mit Mäusen und allem Drum und Dran. Eine Lehmwand mit Ei-Quark-Anstrich stelle ich mir als ähnliche Leckerei vor.

Statt einer Antwort auf die Frage hier also die Gegenfrage: Wieso diese Begeisterung?

Gruß
Wolfgang

hier die Gegenantwort
Hallo Wolfgang,

da ich die Seite Wohnen/Architektur des öfteren lese weiß ich, daß Du hier sehr oft Antwortest. Welchen Beruf du hast, welche Bildung du hast weiß ich nicht, aber so ziemlich alle Fragen kann man so oder so beantworten. Du beantwortest sie immer auf eine bestimmte Art, die mit dem was ich denke nicht immer übereinstimmt, was nichts an richtig oder unrichtig deiner Antworten ändert.

Ich könnte jetzt mit Lebensphilosophie anfangen, weiß aber nicht ob es das ist, was du fragst. Obgleich diese Frage auch hier manchmal diskutiert werden könnte.

Die Frage nach dem Lehm:
Die einfach Stichworteingabe „Lehm/lehmbau/usw.“ liefert in den meisten Suchmaschinen Ergebnisse, die von begeisternden Beiträgen bis zu Firmen, die ihre Produkte vorstellen (und davon Leben) alles bringen.

Zum Lehm selber: Er ist Atmungsaktiv, er schützt in einem Fachwerkhaus (unseres ist eins) die Balken vor dem Vergammeln (Voraussetzung das Haus ist von unten Trocken) - im Gegenteil es hat konservierende Wirkung, Lehm hat einen guten Wärrmeisolationsfaktor, er ist lärmisolierend, absorbiert viel feuchte Luft (ohne sie abzusaugen) und gibt sie zu einem anderen Zeitpunkt wider ab (lüften), Lehm ist ein geduldiger Baustoff, man kann ihn lange Verarbeiten, und für alle Allergiker - keinerlei Belastungen.
Was die Statik oder Belastbarkeit angeht: es ist kein Beton für Hochhäuser, man kann mit ihm „nur“ Holzkonstruktionen ausfachen (auskleiden). Lehm hat eine gute Schwingungsfähigkeit, und gleicht so Bewegungen aus, ohne zu brechen.

Psychologie/Sozialpsychologie: Ekel ist anerzogen - z.B.: Spinnen oder Silberfische, Mäuse und ähnliches - Kinder übernehmen mit 90% Sicherheit die Ekelempfindungen von Eltern/Erwachsenen.
Wenn Tierchen in eine alten Haus auftauchen, dann ist das wahrscheinlich ganz normal. Lehm ist nur dann ein Biotop für Tiere, wenn er naß und vergammelt ist. (Passiert genau dann, wenn der Lehm nicht atmen kann: mit Zement zugeputz ist, wenn Fliesen draufgeklebt sind, mit Dachpappe verschalt usw…)

Und jetzt doch mal Philosophie: es ist immer merkwürdig wenn die Befürworter einer Sache z.B. eines Baustoffes immer nur von der besonderen Güte ihres Dinges Reden, es aber nie schaffen zuzugeben, oder zu akzeptieren, das andere Sachen z.B. andere Baustoffe auch ihre Stärken haben. Meist ist es so, daß die Befürworter einer Sache z.B. Baustoffe einen anderen verdammen.

Dabei ist hauptsächlich wichtig zu wissen wo und wie man einen Baustoff einsetzt, und wie man damit umgeht.

Gruß Mandy und Jo

Lehm und Lehm lassen
Hallo Wolfgang, Mandy und Jo,
Ich entdeckte bei der Renovierung unseres Hauses (Bj 1920) ebenfalls Trennwände aus Strohlehm.
Wolfgangs Einwände kann ich nicht nachvollziehen und gegen naturnahe Baustoffe und -materialien ist sicher nichts einzuwenden, sie haben bei sachgemäßem Einbau auch nicht die von Wolfgang beschriebenen Nachteile.
Allerdings kann ich auch Jo’s Euphorie nicht recht nachvollziehen. Ich hatte mit nichthaltenwollenden Dübeln, bröselndem Putz, ausbröckelnden Leitungs-Schlitzen, mangelnder Schalldämpfung usw. zu kämpfen und habe nur deshalb darauf verzichtet das Fachwerk der Innenwände mit Mauerwerk zu füllen, weil meine Frau nach halbjährigen Umbauarbeiten einfach von dem Dreck die Nase (und den Küchenschrank) voll hatte.
Für einen Nassraum halte ich Lehmwände auch nicht gerade für das Beste und kann keine Vorteile erkennen, da sie doch sowieso hinter einer wasser-/dampfdichten Verkleidung verschwinden müssen.
Gruß Eckard.

Eine Lehmwand mit Ei-Quark-Anstrich stelle ich mir als
ähnliche Leckerei vor.

Lehmzubereitungen, die zum Ausfachen benutzt werden, sind so alkalisch, daß sich jede Maus und jeder Silberfisch die Füschen, bzw. die Beinchen verätzt. Wenn Fachwerk gut gepflegt wird (das ist allerdings sehr wichtig) kann es mehrere hundert Jahre verwendet werden. Wenn sich irgendwelche Viecher dort einnisten würden, wäre das wohl nicht möglich, oder?!

Gandalf