Kettenhemdringe - wie wurden die geschlossen?

Hallo Allerseits,

Ich habe nun gelesen, dass Kettenhemdringe genietet, geschweißt oder gelötet wurde.
Das Schweißen und Löten von kleinen Ringen an einem Geflecht stelle ich mir schon heute mit Schweißbrenner und Lötkolben sehr mühsam vor, aber WIE funktionierte so etwas in der Antike oder im Mittelalter?

Gruß
Carlos

Hallo,
das war auch damals sehr mühselig.
Die Enden der glühenden Ringe wurden mit durch Schmieden miteinander verschweißt. Wie der Vorgang des Schmiedeschweißens metallurgisch abläuft kann ich dir leider nicht erklären. Tatsächlich war aber das Verschweißen die Standartmethode. Das herstellen solch kleiner Nieten war anscheinend noch schieriger als das Verschweßen.
Ich habe bislang noch von keinem Antiken oder Mittelalterlichen Kettenhemdfragment gehört, das vernietet war (Allerdings habe ich auch nicht systematisch danach gesucht), darum wundere ich mich ein wenig über die wirklich weitverbreitete Angabe Kettenhemden seien auch vernietet gewesen. Ich vermute, das ist eine Behauptung heutiger Anbieter.

Gruß
Werner

Hallo Carlos
bei Wiki hast Du Dich ja schon schlau gemacht.
Also ein paar Worte zum Herstellen von Kettenhemden:
Entweder man nahm recht kohlenstoffarmes Eisen, wie es damals in den Rennöfen erzeugt wurde. Aus den Zainen (Znainen) zog man es zu Drähten aus und längte den Draht aus. Das Zwischenweichglühen geschah in Tongefäßen im Schmiedefeuer, damit das Eisen keinen Kohlenstoff aufnahm. Wenn die Endstärke erreicht war gab es einen Trick: Man wickelte den weichgeglühten Draht auf eine Stange, Windung an Windung. Wenn der Draht alle war, oder der Stab zu Ende, trennte man mit einem scharfen Meissel die Spirale der Länge nach. Ergebnis waren viele Ringe mit dem gleichen Durchmesser, die etwas offen waren und aus denen man einen Teil des „Hemdes“ zusammendröseln konnte. Die Enden der Drahtringe hat man beim Biegen etwas überlappen lassen.
Wenn man dieses waschlappengroßen Teil wieder ins Schmiedefeuer legte, wurde das Eisen etwas aufgekohlt und vom Schmelzpunkt her niedriger, zusätzlich nach dem Abkühlen auch härter. Es wurde zu Stahl! Dieses aufgekohlte Eisen konnte man auf dem Amboss „feuerschweissen“. Dazu gab es schon spezielle Obergesenke. Ich könnte mir vorstellen, dass die Ambosse gewärmt wurden.

Eine zweite Art war, ein Stück Blech aus dem Zain zu schmieden und die Einzelringe auszustanzen. Wie das dann allerdings durch Nieten weitergehen sollte??? Ich kann mir nur vorstellen, dass die Stanzringe mit Drahtringen verbunden wurden. Der Materialverlust war höher!
ich glaube nicht, dass die Kenntnisse des Hartlötens von Eisen zur Zeit der Römer rein empirisch schon bekannt waren.
Geeignete Flussmittel kannte man zwar schon für Gold (Chrysokoll) und Silber, auch mit Kupfer konnte man das schon, da man aber nicht wusste, was da an Chemie im Hintergrund abläuft, konnte man nur nach Versuch und Irrtum vorgehen. Jemand, der ein Verfahrensgeheimnis hatte, der wird es gehütet haben, denn davon lebte er.

Gruß vom Klugscheißer,

dessen Hobby Wissenschafts- und Montanindustriegeschichte ist und der als Industriekulturführer im Saarland arbeitet.

Ich bin begeistert
Herzlichen Dank für eure Antworten. Vor meinem Auge bildet sich langsam ein Bild.

Die Hälfte der Ringe, die man mit dem aufgerollten Draht erzeugt hat, konnte man wieder zum glühen bringen und zusammenkneifen oder mit einem stück Draht verschweißen.
Mit den geöffneten und geschlossenen Ringen hat man dann einen Lappen gemacht. Der Lappen konnte partiell oder ganz aufgeglüht werden, um die andere Hälfte der Ringe zu schließen.

DAS ist eine Arbeit.

Gruß
Carlos

Hallo Carlos
so ganz hast Du es offenbar noch nicht gerafft. (meine Erklärung war wohl doch noch nicht so toll)
Die Methode der Ringverschweissung:

Wie die Ringe gemacht wurden ist klar.
Die Weicheisenringe (Blumendraht) wurden zu größeren Lappen geknüpft.
Diese Teile wurden im Schmiedefeuer erhitzt und dabei aufgekohlt:
Das Eisen nimmt Kohlenstoff auf und sein Schmelzpunkt wird niedriger.
Da die Fe-C Legierung keinen definierten Schmelzpunkt hat, kann man sie feuerschweissen. Sie erweicht zunächst und schmilzt dann irgendwann.
(Nicht alles was weich ist, hat auch einen niedrigen Schmelzpunkt!!!
Manches schmilzt sehr plötzlich wie reines Alu oder Reinzinn, auch Reinsteisen tut das bei ca. 1750°C)
Je nach Legierungsbestandteilen, damals bevorzugt Mangan (kam in den Erzen vor, wurde der Erweichungspunkt und der Schmelzpunkt herabgesetzt.

„Feuerschweissen“:
Das was entsteht ist ein Stahl mit mehr oder weniger Kohlenstoffgehalt (ab 2,4 %), den man durch rasches Abkühlen auch noch Härten kann.
Die Ringe des erhitzten Drahtgeflechtes wurden auf einem kleinen Amboss, der auch recht heiss war, mit einem speziellen Formteil zusammengeschmiedet.
Es bedurfte großer handwerklicher Fähigkeiten, die Werkzeuge aufeinander abzustimmen (Zieheisen musste auf die Größe des Gesenkes abgestimmt sein u. v. a.)

Die Stanzmethode hat viel mehr Rohmaterial verbraten, als die reine Ringmethode. Die Restmengen waren so gut wie verloren.

Zum Rennofen:
In 24 Stunden haben 40 Menschen ungefähr 50kg Roheisen herstellen können und dafür ca. 4 Tonnen Holzkohle gebraucht.
Das bedeutet: ein halber Fußballplatz Wald und bei der damaligen Rennofenausbeute ca. 250 kg höchstwertiges Raseneisenerz für ein Volumenvon ca. 7 Liter Schlacke durchsetztem Roheisen. Toll war das nicht gerade!!!

Schweissen (autogen oder elektrisch), so wie wir es Heute kennen gab es nicht!!
Wenn Du weitere Fagen hast und uns der MOD nicht ausbremst, bis übermorgen Abend habe ich noch Internetzugang, danach bin ich für 2 Wochenin Urlaub.

gruß vom Klugscheisser

FAQ:1784
Hallo Carlos,
ein Querverweis auf das Brett Mittelalter hätte gereicht.
Grüße
Ulf

hallo Ulf
ich drücke mich nicht auch noch in das Mittelalterbrett, sondern bleibe dort, wo ich etwas Ahnung habe.
Was nicht heissen soll, dass ich auf anderen Gebieten Ignorant bin oder bleiben will.
Wenn es dort Menschen gibt, die so ähnliche Erklärungen haben wie ich, dann haben wir wohl auch die gleichen Quellen. Meist zitiere ich und gebe meine Quelle an -tun die auf dem Mittelalterbrett aber auch- aber oft hab ich eine Information einfach nur noch im Gedächtnis und nicht mehr die Originalschrift im Kopf und weiss nicht mehr, wo ich es im Netz bei meinen eigenen Recherchen gelesen hatte.
Erst auf Grund Deines Hinweises habe ich das Doppelposting dort entdeckt und gelesen, dass die Herstellung der Ringe, so wie ich sie beschrieben habe, wohl richtig sein muss.
Hast Du etwas Anderes über die Metallurgie und des Feuerschweißens?

Gruß vom KS

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Hallo KS,
indem ich beide Diskussionen zusammengeführt habe, ist meine „Arbeit“ getan. Fachlich kann ich an dieser Stelle nichts beisteuern.
Grüße
Ulf

PS: Du solltest dir die Sidebar installieren (über „Mein Profil“). Dein teilweise fundiertes Allgemeinwissen scheint breit gestreut zu sein. Manchmal findet man über die Sidebar Fragen, wo man sachkundig antworten kann, obwohl die Themen scheinbar nicht interessieren.

Hallo Ulf
das mit der(m) sidebar habe ich noch nicht ausprobiert (hat die eine gut bestückte Rückwand und einen nette Bedienung).
Tja man wird nicht jünger und ich bin froh, dass ich noch so weit fit bin, um das schnell zu beherrschen, von dem ich was verstehe.
Motto: Haben sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?
Ich weiss, das gehört nicht hier her, aber tu so vorgerückter Stunde…
Ich geh jetzt aus dem brett und lege mich auf mein kuscheliges.
Gute Nacht wünscht allen der KS

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