Kinder alter Eltern

Hallo,
hier ein Diskussionsanstoß:

Kürzlich gab es im Fernsehen eine Talk-Runde, bei der es um „alte“ Mütter ging, also Frauen, die mit über 40 noch ein Kind bekommen. Ich bin selber über 40 und möchte niemanden diskriminieren, aber meiner Mutter war 42, als sie mich bekommen hat, und ich, als das „Kind“, finde das bis heute nicht so prickelnd. Auch denke ich, man verkennt mit Mitte 40, wie rapide man älter wird, in großen Rucken, die man nicht für möglich halten möchte. Es geht ja nicht darum, was die „reifen“ Mütter oft betonen, dass man sehr gut imstande ist, Windeln zu wechseln und das Kleine zum Kindergarten zu bringen, schwierig wird es viel später, in er Pubertät und dann auch in der Erwachsenenzeit. Grade dann, wenn man als Heranwachsender seine Grenzen austesten will, auch die Konfrontation sucht, sind die Eltern in solchen Fällen meistens nicht mehr auf der Höhe ihrer Kraft oder in einem Zustand der Abgeklärtheit, der Diskussionen frustrierend macht. Ich bin jetzt 48, meine Mutter wird 91 - ich kenne sie bewusst nur als alte Frau, auf die man natürlich Rücksicht nahm. So ist sehr vieles unausgesprochen geblieben, das mir heute immer noch auf der Seele brennt.
In diesem Licht besehen, ist es wirklich eine so gute Idee, in fortgeschrittenem Alter noch Kinder in die Welt zu setzen, sogar mit über 60, was die Medizin leider ermöglicht?
Eine weitere Schwierigkeit für die Kinder alter Eltern: Kaum hat man die eigenen Sprösslinge großgezogen und in die Welt geschickt und freut sich darauf, wieder ein eigenes Leben gestalten zu können, werden die Eltern hilfebedürftig, und man ist wieder in die fürsorgende Rolle gedrängt.

Geht es hier vielleicht anderen so ähnlich?
Freue mich auf Meinungen hierzu.
Grüße,
Eva

Mutter (*1929), Vater (1923-1996)
Hallo Eva,

einige der von Dir genannten Aspekte hängen sicherlich davon ab

a) wie subjektiv „alt“ sich die Mutter fühlt bzw. von ihrem Kind empfunden wird.
b) welcher Generation sie angehört.

Ich erläutere das an einem Beispiel:

Meine Mutter (*1929) zählt zu einer Generation von Frauen, für die der Beginn der Menopause eine klare Zäsur setzte - das „aktive“ Leben, die Phase der Mutterschaft etc. war beendet, das Alter setzte ein.

Dieser Phasenverlauf war in der Biographie dieser Frauen (und das trifft für ältere Generationen wie die Deiner Mutter vermutlich in noch höherem Maße zu) typisch, Ausnahmen gab es wenige.

Heute ist das mehr und mehr aufgeweicht - die „älteren“ Mütter, die ich kenne und die jetzt gerade die 40 überschritten haben, sind im Durchschnitt (!) viel aktivere und „jüngere“ Frauen als es meine Mutter zu dem Zeitpunkt war.

Ich zähle zudem zu den Sonderfällen unter den Kindern alter Eltern: Als ich geboren wurde, waren meine Eltern 40 und 47 Jahre alt und hatten bereits drei Kinder im Alter von 20, 12 und 11 Jahren. Die Erfahrungen, die Du gemacht hast, kenne ich genau so:

…schwierig wird es viel später, in er Pubertät und dann auch in der Erwachsenenzeit. Grade dann, wenn man als Heranwachsender seine Grenzen austesten will, auch die Konfrontation sucht, sind die Eltern in solchen Fällen meistens nicht mehr auf der Höhe ihrer Kraft oder in einem Zustand der Abgeklärtheit, der Diskussionen frustrierend macht.

Auch in der (frühen) Kindheit war es schwierig: Ich beneidete glühend die anderen Kinder, deren Eltern mit ihnen schwimmen gingen, Fahrradtouren machten, Kinderfeste feierten etc. Meine Eltern hatten das alles schon 3x „mitgemacht“ und waren darüber hinaus selbst nicht mehr so aktiv:
Die Luft war schlicht raus, sie waren zu gesettled und was Neugier und Entdeckungsfreude angeht, schon „auf dem Altenteil“.

Weitere Aspekte:

  • Meine Eltern waren nie mit den Eltern meiner Freunde befreundet: Diese waren oft 10-20 Jahre jünger als sie und stellten nicht ihr Umfeld dar, deren Fragen und Probleme waren nicht ihre. Das isolierte mich.

  • Meine Eltern waren sehr weit weg von dem, was mich interssierte: Die damals aktuelle Jugendkultur, Mode etc. war ihnen völlig fremd.

  • Vieles im Leben meiner Eltern lag weit vor meiner Zeit: Sie waren bei meiner Geburt bereits 20 Jahre verheiratet, viele interessante Entwicklungen kenne ich nur als „historische Ereignisse“ aus grauer Vorzeit. Die Zeit großer Ziele, großer Ideale, die Lust auf Neues war für meine Eltern längst vorbei.

Was ich auch beobachtet habe: Kinder alter Eltern sind oft ‚altklug‘ und ‚abgeklärter‘ als Kinder jüngerer Eltern. Was ein Vor- und ein Nachteil ist.

Was ich als besonders negativ empfand: Meine Eltern waren sehr starr - Neuerungen wurden von ihnen (nichts ungewöhnliches bei älteren Leuten) als unerwünschter Störfaktor empfunden. So setzten sie meinem Wunsch zu studieren (ich war die erste meiner Familie) erheblichen Widerstand entgegen. Wie sagte meine Mutter damals: „Wann willst Du endlich fertig werden? Wann kann ich mich endlich zur Ruhe setzen?“

Wie gesagt - das lag eben auch in der individuellen und generationsbedingten eigenen Wahrnehmung von Alter und Lebensphasen begründet.

Es gab auch Dinge, die ich als sehr postiv empfand: Meine Eltern waren eben abgeklärt, nichts, was ich tat, konnte sie schnell aus der Fassung bringen, sie mischten sich nicht in meine Angelegenheiten ein (Kehrseite: Die kümmerten sie auch nicht sonderlich), ich hatte viele Freiheiten (was in meinem Fall sicherlich auch daran lag, daß meine Geschwister diese Freiheiten vorher schon erkämpft hatten.)

Ich bin jetzt 48, meine Mutter wird 91 - ich kenne sie
bewusst nur als alte Frau, auf die man natürlich Rücksicht
nahm.

Das rein biologische Alter (tick, tick, tick) ist ein anderer Aspekt: Ich bin seit meinem 27. Lebensjahr Halbwaise und das ist nichts ungewöhnliches.

Das kann auch Kindern jüngerer Eltern durch Krankheit oder Unfall passieren. Aber die Wahrscheinlichkeit ist geringer - als Kind alter Eltern wächst man mit dem Wissen auf, mit 30 oder 40 Jahren entweder Waise zu sein oder uralte greise Eltern zu haben.

Als ich Kind war, starben die Eltern meiner Eltern: Tod und Krankheit sind mir, wie ich immer wieder feststelle, weit vertrauter als den meisten meiner Generation.

Auch - nicht zu vergessen - der Krieg: Mein Vater war bei der Wehrmacht, meine Mutter 15, als sie aus der Heimat vertrieben wurde - die Zeit und die Traumata meiner Eltern sind sehr realer Bestandteil meiner eigenen Geschichte…

Ich denke, die Entscheidung spät Kinder zu bekommen, hängt (mal wieder) sehr vom Individuum ab. Wie alt fühle ich mich? Wann will ich meine „aktive“ Lebensphase abschließen? Wie offen bin ich für Neues?

Viele Grüße
Diana

und auch bitte nur dort antworten.

Gruss BelRia [MOD]

Hallo,

hier ein Diskussionsanstoß:

Kürzlich gab es im Fernsehen eine Talk-Runde, bei der es um
„alte“ Mütter ging, also Frauen, die mit über 40 noch ein Kind
bekommen. Ich bin selber über 40 und möchte niemanden
diskriminieren, aber meiner Mutter war 42, als sie mich
bekommen hat, und ich, als das „Kind“, finde das bis heute
nicht so prickelnd. Auch denke ich, man verkennt mit Mitte 40,
wie rapide man älter wird, in großen Rucken, die man nicht für
möglich halten möchte. Es geht ja nicht darum, was die
„reifen“ Mütter oft betonen, dass man sehr gut imstande ist,
Windeln zu wechseln und das Kleine zum Kindergarten zu
bringen, schwierig wird es viel später, in er Pubertät und
dann auch in der Erwachsenenzeit. Grade dann, wenn man als
Heranwachsender seine Grenzen austesten will, auch die
Konfrontation sucht, sind die Eltern in solchen Fällen
meistens nicht mehr auf der Höhe ihrer Kraft oder in einem
Zustand der Abgeklärtheit, der Diskussionen frustrierend
macht. Ich bin jetzt 48, meine Mutter wird 91 - ich kenne sie
bewusst nur als alte Frau, auf die man natürlich Rücksicht
nahm. So ist sehr vieles unausgesprochen geblieben, das mir
heute immer noch auf der Seele brennt.
In diesem Licht besehen, ist es wirklich eine so gute Idee, in
fortgeschrittenem Alter noch Kinder in die Welt zu setzen,
sogar mit über 60, was die Medizin leider ermöglicht?
Eine weitere Schwierigkeit für die Kinder alter Eltern: Kaum
hat man die eigenen Sprösslinge großgezogen und in die Welt
geschickt und freut sich darauf, wieder ein eigenes Leben
gestalten zu können, werden die Eltern hilfebedürftig, und man
ist wieder in die fürsorgende Rolle gedrängt.

Geht es hier vielleicht anderen so ähnlich?
Freue mich auf Meinungen hierzu.
Grüße,
Eva

Es ist schade, dass man keinen Punkt vergeben kann
Das war ein hervorragender Beitrag.
Herzlich, Alexander

Das war ein hervorragender Beitrag.
Herzlich, Alexander

Fritz
a.d.Uw