Kinder- und Jugendstrafe?

Liebe WWW-ler,

welche Möglichkeiten haben Eltern eines (fast) 7jährigen Kindes (2. Klasse), wenn das Mädchen von einem Klassenkameraden mit einer Schere vor Hals und Gesicht „in Schach“ gehalten wird und diese damit bedroht. Zeugen für die Aktion gibt es genug. Der Junge müsste 8 oder 9 Jahre alt sein und ist ja damit nicht im geringsten strafmündig. Würde sich eine Anzeige bei der Polizei lohnen, damit irgendetwas unternommen wird?

Herzlichen Dank

Anja

Hallo Anja,

mit einer Polizeianzeige wird der Junge „aktenkundig“, d.h. unter bestimmten Umständen kann die Sache eine Bedeutung bekommen, wenn er mit 14 strafmündig wird und es wieder zu einer Straftat kommt. Das hilft in der jetzigen Situation nicht weiter.

Oft bekommt auch das Jugendamt einen Abdruck der Anzeige; ob die auf einen einzelnen Vorgang hin viel unternehmen, glaube ich eher nicht. (Kommt so etwas öfter vor, bzw. ist der Junge und seine Familie schon bekannt, sieht es natürlich anders aus.)

Ohne die ganze Situation zu kennen, vermute ich folgendes:
Am sinnvollsten wird es sein, das Gespräch mit der Schule zu suchen. Je nachdem, was der Hintergrund des Vorfalles war, und ob der Junge schon öfter negativ aufgefallen ist, kann bzw. muss die Schule tätig werden, eventuell auch unter Hinzuziehung anderer Behörden; schließlich muss ja ein regulärer Unterricht möglich sein. (Es haben auch schon Schulen zur Anzeigenerstattung geraten, damit eine Sache „amtlich“ wird.)

Weil du das Posting mit „Strafe“ betitelt hast:
Fraglich ist, ob „lediglich“ eine Strafe bei einem 9jährigen etwas nutzt. Wenn ein Kind gewalttätig ist (und es sich nicht um ein einmaliges Fehlverhalten handelt), muss erzieherisch etwas passieren, um seine Umgebung zu schützen und um Fehlentwicklungen zu korrigieren.

Gruß

Mira

vielen Dank für die Aussage, der Junge ist häufig aufgefallen, wird derzeit aber - nach meinem Erkenntnisstand - lediglich mit einem Eintrag ins Hausaufgabenheft „abgestraft“. Gespräch mit der Schule kommt - auch, weil es über diesen Vorfall keine Information von Seiten der Schule aus gab.

Ich gehe jetzt - auch nach Deiner Aussage - davon aus, dass eine Anzeige unausweichlich erscheint.

Herzlichen Dank noch einmal
Anja

Hallo Anja,
hier scheint ein Erziehungsdefizit vorzuliegen.
Da die Schule scheinbar nichts unternimmt, wende dich direkt an den Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes.
Die Polizei kann hier auch nix machen, da das Kind noch Strafundmündig ist und würde dich auch nur weiterschicken, da die sich keine Arbeit machen möchten.
Wozu auch, es gibt wirklich wichtigere Sachen als sowas bei der Polizei.
Beim Jugendamt den Vorfall schildern, ein Sozialpädagoge wird i. d. R. mit der Schule und mit den Eltern Kontakt aufnehmen (ohne dass dabei Namen genannt werden) und absprechen ob hier besondere Erziehungsmassnahmen notwendig sind.

grüsse
dragonkidd

Die Polizei kann hier auch nix machen, da das Kind noch
Strafundmündig ist und würde dich auch nur weiterschicken, da
die sich keine Arbeit machen möchten.

grüsse
dragonkidd

Hallo Drachen,
das würde ich so nicht stehen lassen. Die Polizei würde/müsste sicherlich eine Anzeige aufnehmen und das Kind (im Beisein der Eltern) anhören (nicht vernehmen, da als Kind kein Status als Beschuldigter). Allein die Anhörung und Reflexion über den Sachverhalt hat schon gewisse präventive Effekte (in den meisten Fällen). Anschließend geht der Vorgang zum StA, der das Verfahren wegen Schuldunfähigkeit des Kindes einstellen muss. Gleichfalls geht aber auch die Info an das Jugendamt. Die entscheiden dann in eigener Zuständigkeit über weitere Maßnahmen.

Dachsgruß

Hallo,

aus eigener Erfahrung berichte ich mal folgendes:

Mein damals 11jähriger Sohn wurde von zwei Jungen, 11 und 12 1/2 Jahre alt auf der Straße bedroht und es wurde ein Raubversuch unternommen, in dem man ihm in die Hosentasche griff und versuchte, Geld zu rauben, was nur deshalb nicht gelang, weil er keines dabei hatte.

Gott sei Dank erzählte er uns dies und meinte, einen der beiden Jungen kenne er sogar, er wisse, wo er wohne, den anderen kenne er nicht.

Mein Mann fuhr daraufhin zu dem bekannten Kind, sprach mit den Eltern und setzte auch dem Jungen ganz gehörig zu.

Zunächst war die Sache für uns erledigt. Etwa ein Jahr später, unser Sohn also mittlerweile 12, die anderen beiden 12 und 13 1/2 wiederholte sich der gleiche Vorgang nochmals, wobei der jüngere (also das, dem mein Mann damals „den Kopf gewaschen“ hat, zu dem älteren meinte: „Lass den in Ruhe, da kümmern sich die Eltern drum“.

Dies beachtete der größere überhaupt nicht und raubte meinem Sohn damals 50 Pfennige. Auch dies erzählte er wieder und daraufhin gingen wir zur Polizei. Zunächst dachten wir, dies sei völlig sinnlos, weil wir ja immer noch nicht wussten, wer der Täter war.

Bei der Polizei wurden wir an eine Abteilung für Jugendkriminalität verwiesen, dort waren wir hervorragend aufgehoben und es war kein Problem, dass wir nicht wussten, um wen es ging. Dort stand nämlich bereits ein Aktenkörbchen bereit, in dem ausschließlich die Vorfälle lagen, die sich auf diesen 13 1/2 jährigen Täter bezogen. Man wusste dort sofort, um wen es ging.

Nach der Anzeigenerstattung hatte unser Sohn entsetzliche Angst, zur Schule zu gehen. Er fragte mich damals, ob er sich „umbringen darf, damit alles vorbei sei“.

Wir sprachen daraufhin mit dem Klassenlehrer, der Schulleitung und nochmals mit der Polizei.

Die Reaktionen waren vorbildlich: Unser Sohn wurde während der darauf folgenden Schultage keine Sekunde aus den Augen gelassen. Sogar die Polizeibeamten fuhren Streife um die Schule.

Nun die Sache beruhigte sich und wir hörten ca. 7 - 8 Monate nichts mehr davon.

Irgendwann aber kam eine Zeugenladung an unseren Sohn. Der Täter war mittlerweile 14 Jahre und 3 Monate alt. Es war nach seinem 14. Geburtstag die 3. Gerichtsverhandlung gegen ihn in insgesamt 70 Strafanzeigen. Ca. 200 Vorfälle gab es vor dem 14. Lebensjahr.

In der Gerichtsverhandlung machte der Richter dem jungen Angeklagten klar, dass er sich im Nachgang zu der Verhandlung von sämtlichen Zeugen fern zu halten habe. Und tatsächlich hat dies geklappt.

Der „Junge“ ist mittlerweile 23 Jahre alt. Lebt immer noch in unserem Städtchen. „Geworden“ ist aus ihm nichts, wie man sich denken kann. Mittlerweile hat er auch schon Jugendarreste und Strafvollziehungsmaßnahmen im Erwachsenenvollzug hinter sich.

Unser Sohn, mittlerweile aber ebenfalls erwachsen, rechnet es uns allerdings hoch an, wie wir uns damals drum gekümmert haben. Und das allein lohnt den Aufwand auf jeden Fall.

S.

Hallo Susanne,

Der „Junge“ ist mittlerweile 23 Jahre alt. Lebt immer noch in
unserem Städtchen. „Geworden“ ist aus ihm nichts, wie man sich
denken kann.
Mittlerweile hat er auch schon Jugendarreste und
Strafvollziehungsmaßnahmen im Erwachsenenvollzug hinter sich.

  • Hervorhebung von mir -

Ist es nicht gerade dieses Denken, das solche Jugendliche in die scheinbar aussichtslose Lage zwingt? Ich finde das schlimm…

Gruß,
Anja
(Muddi von zwei Söhnen, die auch schon derartiger Gewalt ausgesetzt waren)

Hallo Anja,

Ist es nicht gerade dieses Denken, das solche Jugendliche in
die scheinbar aussichtslose Lage zwingt? Ich finde das
schlimm…

Ich habe hier nur die Tatsache angemerkt. Es IST aus ihm nichts geworden.

Im übrigen ist jeder für sein Leben selbst verantwortlich. Wenn man nicht irgendwann man den Absprung schafft und versteht, dass es nicht möglich ist, in der Gesellschaft SO zu leben. O.K… Dann hat man sich die Folgen aber selbst zuzuschreiben und hat damit zu Leben. Der Allgemeinheit immer die Schuld für das eigene verkorkste Leben zuzuschieben ist doch recht einfach.

Ich könnte immer platzen, wenn irgendwelche Straftäter mit Nachsicht behandelt werden, weil sie eine doch so schwere Kindheit hatten. Wenn alle Menschen, die eine schwere Kindheit haben/hatten straffällig würden, dann gute Nacht.

S.

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Hallo,

Ich habe hier nur die Tatsache angemerkt. Es IST aus ihm
nichts geworden.

wie man sich denken kann
das ist doch ein bisschen mehr, als nur Tatsachen anmerken.

Es geht mir hier nur um deine Formulierung.
Ich glaube, ihr habt das richtige gemacht - wenn
der Junge eine Chance hatte, dann dadurch, dass
man ihm entgegengetreten ist. Allerdings hätten
DANN Eltern und Jugendamt eingreifen müssen.
Nicht mit Nachsicht - aber mit Aktion.
Wie die im Einzelfall auszusehen hat, kommt
eben auf den Einzelfall an.
Aber die Erwartungshaltung, dass aus so einem
nichts werden kann, bringt ihn um die letzten
Chancen (und wenn das in Massen auftritt, auch
unsere Gesellschaft).

Der Allgemeinheit immer
die Schuld für das eigene verkorkste Leben zuzuschieben ist
doch recht einfach.

Nein.

Ich könnte immer platzen, wenn irgendwelche Straftäter mit
Nachsicht behandelt werden, weil sie eine doch so schwere
Kindheit hatten. Wenn alle Menschen, die eine schwere Kindheit
haben/hatten straffällig würden, dann gute Nacht.

Die gute Nacht kommt eben auch, wenn man es nicht schafft,
die Straftäter positiv in die Gesellschaft einzubinden.

Gruß
Elke

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Hallo,

Die Polizei kann hier auch nix machen, da das Kind noch
Strafundmündig ist und würde dich auch nur weiterschicken, da
die sich keine Arbeit machen möchten.
Wozu auch, es gibt wirklich wichtigere Sachen als sowas bei
der Polizei.

Das ist falsch. Meine Erfahrungen mit der Polizei sind
in dieser Hinsicht gänzlich andere.

Gruß
Elke

Hi,

Ich habe hier nur die Tatsache angemerkt. Es IST aus ihm
nichts geworden.

wie man sich denken kann
das ist doch ein bisschen mehr, als nur Tatsachen anmerken.

Genau das meine ich ja.
Neben div. Überfälle auf meinen Söhnen, wo „lediglich“ Jacken, Turnschuhe und ähnliche Begehrlichkeiten entwendet wurden, wurde mein jüngerer Sohn mit 18/19 in einer Disco im ländlichen Schwaben von einer Türkengang mit einem einzigen Hieb für Wochen außer Gefecht gesetzt (Kieferbruch - das dauert und ist - medizinisch was die Rehabilitation betrifft - qualvoll). Ich wusste nicht, dass ich extreme gewalttätige Rachegedanken entwickeln könnte - ich habe es getan. Mehr noch, als der dingfest gemachte Haupttäter, der schon vorher bei Messerstechereien aufgefallen war, im Rahmen der Aktion „Handschlag“ mit nix außer dem Verzeihen seines „Opfers“ davon kam.

Meine eigenen Rache-, sprich: Gewaltphantasien, möchte ich nicht formulieren, sie sind mir selbst fremd. Geblieben ist lediglich der Wunsch, der Täter möge die gleichen medizinischen Qualen erleiden, die mein Sohn durchmachen musste.

Auch wenn ich mich jetzt vielleicht etwas verzettelt habe, denn dieses Thema lässt mich noch immer nicht „kalt“: Ich bin dennoch gegen die vorzeitige gesellschaftliche Ächtung der in dem o.g. Sinne: aus denen wird nix.!!!

Gut’s Nächtle Euch,
Anja

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