Privatvergnügen und Verantwortung
Hallo Guido,
natürlich arbeitet unsere „Branche“ daran, keine Geringverdiener mehr zu sein - aber wir sind es gezwungenermaßen. Es ist kein Problem herauszufinden, um welche Bereiche des ÖD es geht, die nach einem fünf- bis siebenjährigen Studium gezwungen sind, weitere zwei Jahre für ein Lehrlingsentgeld zu arbeiten. An dieser Situation können wir nichts ändern (wir sind froh, wenn wir eine Stelle kriegen). Wir sind studierte junge Menschen im besten „gebärfähigen Alter“. Die Hoffnung, die da steht, ist, nach dieser ewig langen Ausbildung eben keine Geringverdiener mehr zu sein. Aber dann sind die meisten von uns eben auch Ende 20 oder gar schon Mitte 30. Auch dies ist durchaus ein Problem (bezüglich Kinder)
Nicht in jedem Bereich des ÖD ist Teilzeit möglich. In unserem Bereich wäre Teilzeit UNMÖGLICH (wird nicht genehmigt, da der Arbeitsvertrag so aufgesetzt ist). Nun könnte man wieder sagen - selbst Schuld. Aber wer auf diesen Beruf hin studiert, will ja auch irgendwann mal in ihm arbeiten. Die Bedingungen machen die Länder (jedes für sich). Man ist, mit Verlaub gesagt, für zwei Jahre der absolute Depp. Danach auch noch, aber dann stimmt wenigstens das Geld 
Dass hier Leute eine BU als Privatvergnügen sehen, hat mich ehrlich gesagt etwas schockiert. Ich bin auf einem Niveau abgesichert, das momentan knapp über Hartz IV liegt. Das bräuchte ich vielleicht nicht, weil es für mich eben Hartz IV gebe, aber wer würde denn das für mich zahlen?! Der Steuerzahler, der sich bestimmt darüber freut, für mich, die ich einfach zu gutgläubig oder geizig war, zu sorgen!? Nein, ein solches Verhalten halte ich für ziemlich unsozial. Solche Leute, die sagen, ach, auf eine BU verzichte ich, was soll mir passieren, sind doch dann auch die, die rumheulen, alles verloren zu haben, wenn es doch passiert (und es passiert so oft, in jeder Branche, in jedem Alter). Ein tragisches Schicksal für den Einzelnen (für den ich dann wahrlich kein Mitleid habe), aber eine Belastung für den Steuerzahler (der eines Tages auch in größerem Umfang ich sein werde). Eine BU ist m.M. nach genauso unentbehrlich wie eine Haftpflicht. Viele haben das aber noch nicht begriffen und verlassen sich auf ihr Glück.
Für die eigene Rente vorzusorgen mag in weiterem Sinne Privatvergnügen sein - aber auch nur aus heutiger Sicht. Meine Kinder werden sich bedanken, wenn sie eines Tages durch ihre Steuern die Aufstockung von Millionen von Altersarmen, die nichts zur Seite gelegt haben, finanzieren müssen. Und sowas nennt sich dann Generationengerechtigkeit…
Nach meiner Erfahrung haben viele heute junge Leute begriffen, dass es Bereiche gibt, die einfach nicht abgesichert sind. In einigen Generationen scheint das noch nicht angekommen zu sein. Da wird das soziale Netz noch als sicher bezeichnet. Ich sehe das nicht so (es herrscht in dieser Hinsicht ein unglaublicher Pessimismus in der Jugend). Es mag keiner Verhungern und keiner Erfrieren, aber mit Würde hat das nichts mehr zu tun, wenn man darum betteln muss, ein wenig Geld zu bekommen (z.B. im Falle einer Berufsunfähigkeit). Dieses Stück würde möchte ich mir erhalten. Und deshalb zahle ich „lieber“ ein paar Euro (auch wenn sie heute sehr, sehr wehtun).
Und das Kind, das heute geboren wird, muss erstens morgen versorgt und ernährt werden (was häufig schon ein Problem darstellt) und zweitens übermorgen dafür aufkommen, was die Eltern verpasst und lieber in ihr Privatvergnügen investiert haben. Das möchte ich meinen Kindern nicht antun.
Wenn du in S-A einen 32-Stunden-Job frei hast, sag mal Bescheid, ich würde mir gern noch was dazuverdienen 
Grüße!