Kinderpsychologie

Liebe/-r Experte/-in,
mein Sohn (5J., geboren im Dezember) hat in letzter Zeit Probleme mit „schlechten Gedanken“ (so drückt er es aus) - dabei geht es um Mama/Papa sterben, trennen sich und haben neue Partner oder er würde in irgeneiner Art von uns getrennt. Wir gehen nicht darüber weg, sondern versuchen rauszufinden woher die Gedanken kommen und ihm zu helfen, sie selber weg zu bekommen - leider mit geringem Erfolg. Jetzt kam auch noch eine Situation im Kindergarten im Englisch - dort wurde über Halloween und sein Ursprung gesprochen (Keltenglaube, Gott der Toten holt die Seelen der Verstorbenen), wodurch er in Tränen ausbrach wegen seinen schlechten Gedanken. Die Englischlehrerin hat dies auch sehr mitgenommen und wollte natürlich von mir wissen, wie sie in den nächsten Stunden damit umgehen soll - wir beide sind eigentlich der Meinung, dass er trotzdem teilnehmen sollte, nur ist das richtig?

Mein Anliegen an Sie ist jetzt, wie wir ihm am besten helfen können, damit umzugehen, die Gedanken weg zu bekommen, damit er sich nicht reinsteigert.

Zu meinem Sohn: er ist sehr sensibel, fantasievoll und eher zurückhaltend; von der Statur sehr schmal und noch etwas zuwenig Körperspannung/-kraft. Mein Mann und ich arbeiten beide, aber die Zeit, die wir zusammen sind, ist auch Familienzeit. Ansonsten ist er bei Oma/Opa.

Vielen Dank schon mal

mit freundlichem Gruß
Katrin

Liebe Katrin,

erst einmal: es ist ganz wunderbar, dass Euer Sohn sich Euch öffnet und seine Gefühle/ Gedanken benennen und zeigen kann.
Ich möchte Euch gern, Folgendes mit auf den Weg geben.

  1. Euer Sohn entwickelt sich altersentsprechend. Die Beschäftigung mit dem Tod beginnt ganz typischer Weise in genau diesem Alter. Den Kindern wird die Endlichkeit bewusst. Ihr seid aufgefordert, Eure Haltung zu diesen Themen zu überdenken und Eurem Kind auch auf diesem Gebiet als „Leuchttürme“ zu dienen. An dieser Stelle haben es Familien und Kinder leichter, die einen Zugang zum Glauben haben. Kennt ihr jemanden, der Eurem Sohn seine Sicht auf den Tod aus so einer Perspektive vermitteln kann? Oft ist es eine Oma oder ein Opa, eine vertraute Nachbarin? Oder gibt es eine nette Gemeinde oder einen kirchlichen Kindergarten mit einem Kinderpastor/ Kinderpastorin/ Diakonin oder ähnlichem in der Nähe?
    Eine andere Möglichkeit sind Kinderbücher. Ab 6 Jahren eignet sich von Astrid Lindgren „Die Brüder Löwenherz“ zum Vorlesen (das wird z.B. in Schweden von Experten empfohlen). Gedanken unterdrücken hilft nicht, so lange das Kind sich nicht seine Antwort auf die drängende Frage „Was passiert danach?“ aus den angebotenen Puzzleteilen bauen konnte. Das Thema kommt im Verlauf der Kindesentwicklung immer mal wieder. Es lohnt sich also, wenn ihr als Eltern euch überlegt, wie ihr damit umgehen wollt.
  2. Euer Kind hat aus meiner Sicht eine Veranlagung zur Hochsensibilität (bitte nicht erschrecken: das haben 25% aller Kinder und es ist, wenn man damit lernt umzugehen, etwas sehr Positives!) Es gibt dazu auch Forschungen in den USA und ein Buch von einer amerikanischen Professorin, das für Eltern geschrieben ist: „Das hochsensible Kind“ von Prof. Elaine Aron. Möglicherweise hat auch die öffentl. Bibliothek ein Exemplar…
  3. Halloween ist leider ein Thema, dass mehr Ängste schürt als löst, besonders bei sensiblen Kindern. Ich kenne viele Kinder bei denen Angststörungen mit Halloween oder Harry Potter begonnen haben. Bei meinen eigenen Kindern habe ich es deshalb nach einmaliger „Teilnahme“ (mit entsprechenden Symptomen) wieder abgebrochen. Sie gehen jetzt am 31.10. zum Lutherfest und spielen als Ritter, Prinzessin oder Mönch verkleidet „alte Spiele“. Bonbons und viele andere Kinder gibt es auch :smile:
    Von der weiteren Teilnahme am Englischunterricht mit dem Thema Halloween rate ich dringend ab! Deutlicher als Euer Sohn kann man nicht zeigen, dass es einem nicht gut tut, so über dieses Thema zu hören! Für Kinder ist das nichts Abstraktes, das man früher mal geglaubt hat sondern es erscheint ihnen sehr, sehr real (und beängstigend). Natürlich gibt es Kinder, die eine weniger ausgeprägte Auffassungsgabe oder Sensibilität/ Fantasie haben als Euer Sohn und die stört es dann natürlich auch nicht in ihrer Entwicklung. Aber Euer Kind ist an dieser Stelle mit seinen Gaben (Sensibilität, Fantasie usw.) anders - so wie 25% aller Kinder es auch sind.

Bei weiteren Fragen: mailt mir gern!

Herzl. Grüße,

Clara

Hallo Clara,
danke für die schnelle und ausführliche Antwort. Danach habe ich ein wenig im Internet gelesen (nach dem Buch gesucht über hochsensible Kinder) - ich glaube zwar, dass mein Sohn deutlich sensibler ist, als andere, aber ob er zu den hochsensiblen Kindern gehört bin ich nicht sicher. Manche Dinge treffen bei ihm zwar zu (er mag es nicht laut z.B.), aber viele eben auch nicht (z.B ist er zwar fantasievoll, aber er hat keinen Hang zum Malen oder Musizieren, er ist kein Einzelgänger und kann auch einen Kinofilm komplett gucken oder (zu)lange am PC spielen).
Nach seinen Beschreibungen der schlechten Gedanken kommt es mir eher vor, als ob es die Angst das Alleine sein/gelassen werden ist, die dahinter steht - und der Tod ist da das absolute Beispiel für. Allerdings muss ich betonen, dass dies „nur“ meine Gedanken dazu sind und keine korrekte Interpretation!
Mich beschäftigt das sehr, und ich möchte ihn unterstützen, damit er besser damit umgehen kann - und da liegt mein Problem.
Das Buch von Astrid Lindgren - wenn ich ihm das vorlese, dann glaub ich will er es entweder nicht weiterlesen oder fängt an zu weinen…

viele Grüße
Katrin

Hallo Katrin,

ich würde dazu raten, den Kleinen da abzuholen, wo er emotional steht. Damit meine ich ihm eine Rückmeldung über sein vermutliches Gefühl geben bzw. seine Gefühle. Dabei kann man auch verdeutlichen, dass es verschieden Gefühle sind (Angst, Hilflosigkeit, Verwirrung, Traurig sein), sowie, dass seine Botschaft (Mir geht´s schlecht) verstanden wurde.

Wir neigen dazu, gleich mit Argumenten zu kommen oder mit Lösungsvorschlägen bzw. Beweisen für das Gegenteil o.ä.

Die Kinder haben dann den Eindruck, nicht verstanden worden zu sein und legen quasi noch einen nach. Meist mehr des Gleichen - bis der „schwerhörige“ Erwachsene endlich zu verstehen scheint.

Und ich würde ihm dann zustimmen. Es wäre ja auch ganz blöd, wenn Mama oder Papa weg wären - zs. mal tief seufzen und einen Moment abwarten. Damit teilst Du ihm auch mit, dass das kein Tabuthema ist und angesprochen und genau betrachtet werden darf.

Danach kann man sich weitere Sachen (die total unmöglich, absurd und vielleicht auch zum Lachen sind) suchen, die ebenfalls doof wären, wenn sie so kämen. Es muss kindgerecht sein und soll ihm keine weiteren Ängste einjagen. Z.B. „Es wäre auch total blöd (gleich Wortwahl wie zuvor), wenn du eines Tages entdeckst, dass die Spielplätze verschwunden sind oder auf den Bäumen und du dir immer eine Leiter mitnehmen müsstest, um dorthin zu kommen“ (was besseres fällt mir im Moment nicht ein…aber es sollte für das Kind ersichtlich absurd und auch lustig sein).

Es ist übrigens ein Irrglaube, wir könnten unsere Gedanken beherrschen. „Die machen ab und zu was sie wollen…z.B. wenn ich eine Eisdiele sehe, will ich ein Eis essen - obwohl ich das gar nicht geplant hatte.“ Versuchen Sie mal zu vermeiden an einen Absturz zu denken (und sei es ganz kurz), wenn Sie an einer Klippe stehen. Oder versuchen Sie 2 min lang an alles zu denken außer rosa Elefanten… das geht nicht.

Da können Sie ihm ein Modell bieten, wie Sie damit umgehen, wenn Sie an etwas denken, was Sie eigentlich gar nicht wollen, wie Sie sich ablenken. Wie Sie sich an´s Steuer setzen und ihre Gedanken in ein angenehmeres Gebiet lenken (nehmen Sie als Beispiel etwas, was er mag…„ich stelle mir dann vor, wie ich auf der Schaukel bin, mit dem Hund spiele, Bob der Baumeister besuche oder sonst was“.

Ansonsten gibt es wunderbare Kinderbücher, die Kindern mit Angst helfen können. Z.B. „Anna zähmt die Monster“ da können Sie lernen eine Geschichte für ihn maßzuschneidern, wo ein Modell mit einer ähnlichen Angst fertig wird.

Sie können ihm auch die Idee vermitteln, dass etwas begrenzt ist - auch ein Gefühl. Ich frage so kleine Kinder immer, wie groß z.B. die Sorge ist und biete verschieden Handabstände (meiner beiden Handflächen) an. Fast zusammen, ein paar cm auseinander, so weit ich die Arme strecken kann oder „Von einer Zimmerwand bis zu anderen?“ - und danach frage ich, wie angemessen die Angst zu diesem Thema wäre - und selbst wenn er „riesig“ sagt, frage ich dann wie lange diese große Angst da sein sollte (Fingerschnippen, bis ein Eis geschleckt ist oder bis die TV-Sendung rum ist etc. Sie wissen besser, mit welchen Beispielen er etwas anfangen kann.
Und Sie können ihm das Modell der Bewältigung von Bedenken und Befürchtungen geben, indem Sie in beispielhaften Situationen laut denken. Bsp. eine neue unbekannte Obstvariante - laut „denken“: „Sie könnte total mies schmecken, sie könnte aber auch langweilig schmecken. Aber die anderen sagen, das schmeckt ganz toll. Soll es riskieren? Soll ich mal mutig sein? Ach, wo steht denn geschrieben, dass ich nur Sachen machen soll, die mir keine Angst machen. Ich beiß mal ein kleines Stück ab.“

Last not least will ich Sie noch auf ein Buch aufmerksam machen „Ich schaff´s“ von Ben Furman evtl. auch Furmann. Dazu finden Sie auch Infos im Netz.

Viel Erfolg
S. Weiß

Hallo Katrin,

dass Dich das sehr beschäftigt, ist nur zu verständlich und es entspricht ja nicht dem öffentl. Bild vom Kindsein, dass Kinder an solche Themen denken und das bearbeiten: Abschied, Trauer, Trennung, Tod… aber das tun sie (zu langes PC Spielen kann eine Flucht sein vor solchen Gedanken…). Nur ganz kurz: die schlechten Gedanken Deines kleinen Mannes kannst du leider nicht „wegzaubern“ - und gemeinsam darüber zu weinen, dass eines Tages ein Abschied kommen wird und man nicht für immer/ ununterbrochen hier auf Erden zusammen sein kann: ist kein so schlechter Weg…oder?

Viele Grüße und ,

Clara