Kinderwagen vs. Fluchtweg

Mal folgenden Fall angenommen:

In einem Mehrfamilienhaus gibt es ein innenliegendes Treppenhaus mit einem Rauchabzug zum Dach und einen Zugang im EG durch einen Flur bis zur Haustüre. Der Flur ist 1,80 m breit.

Im Keller gibt es einen Fahrradraum und unter der Treppe eine Abstellmöglichkeit für Kinderwagen.

Eine Mieterin hat 2 kleine Kinder und stellt ihren Kinderwagen seit 3 Jahren dort ab, seit 6 Monaten noch einen weiteren Kinderwagen dazu.

Darf der Vermieter verlangen, dass die Kinderwagen im Keller abgestellt werden, da das Treppenhaus als einziger Fluchtweg gilt? Oder ist das Abstellen der Kinderwagen gemeinschaftlicher Gebrauch des Treppenhauses und zulässig?

Im Mietvertrag steht:
„Fahrräder und Kinderwagen dürfen nur in dem dafür vorgesehenen Abstellraum bzw. in dem zur Wohnung gehörenden Kellerraum abgestellt werden.“ Wie sieht es mit Getränkekisten und anderen Gegenständen im Treppenhaus aus? Dürfen die dort abgestellt werden?

Hi

Ich weiss zwar nicht in wie weit man die rechtliche Defenition „Fluchtweg“ in einem Treppenhaus eines Mietshaus als gültige Regelung anwenden kann , aber wenn dem so sein sollte , dann muss eine Restbreite des Treppendurchganges von 1,20m gewährleitet sein

http://de.wikipedia.org/wiki/Fluchtweg

Wenn die Kinderwagen so weit in das Treppenhaus ragen , das eine Person mit 2 Tragetaschen ( z.b. gefüllte Aldi Tüten ) nicht ungehindert durch kommt , hat der Vermieter das recht diese beeinträchtigung zu unterbinden.

Toni

Hallo

Bauordnungsrecht ist kein Bundesrecht, insofern kann man überhaupt keine qualifizierte Antwort auf deine Frage geben, so lange das Land verschwiegen wird.

In Baden-Württemberg beispielsweise ist nach der dortigen Landesbauordnung bei Mehrfamilienhäusern eine ebenerdige Möglichkeit, einen Kinderwagen abzustellen, baulich vorzusehen - neben den ebenfalls bestehenden Anforderungen an Fluchtwegbreiten. Es ist also kein entweder-oder, sondern ein sowohl-als-auch. Wie der Vermieter das realisisert - etwa durch einen nachträglichen Umbau, um einen ordnungsgemäßen Zustand herzustellen - ist seine Sache. Was in der Hausordnung steht, ist unerheblich. Ein Vermieter kann keine Gesetze mit Schutzwirkung zugunsten Dritter außer Kraft setzen, indem er mal eben eine diesen widersprechende Hausordnung beschließt. Getränkekisten abzustellen kann er hingegen sehr wohl verbieten, zumindest sofern die Mindest-Fluchtwegbreiten unterschritten werden. Denn für Getränkekisten enthält die LBO kein Privileg.

Gruß
smalbop

Nach DIN 18065 liegt die lichte Treppenlaufbreite in Mehrfamilienhäusern bei 1,00 m. Der sich anschließende Flur bedarf keiner größeren Breite.
Die zitierten 1,20 m kommen, so steht es in dem Link, aus der Versammlungsstättenregelung (die hier nicht zur Anwendung kommt)
Da mietvertraglich die Abstellung von Kinderwagen wohl geregelt ist, gibt es da nicht mehr viel zu regeln. Es existieren allerdings Urteile, dass das Abstellen von Kinderwagen uU im Flur nicht untersagt werden darf. Die den Urteilen zu Grunde liegenden Details sind mir allerdings nicht bekannt. Ebenso ist nicht bekannt, ob es sich um einen Formularvertrag oder eine Individualvereinbarung handelt. Eine abschließende Meinung kann ich mir daher nicht bilden.

vnA

Sollte das fiktive Mietgebäude ohne diese Möglichkeit genehmigt und errichtet worden sein, so hat es Bestandsschutz und der Eigentümer muss weder etwas nachrüsten, noch verliert er die Möglichkeit mietvertragliche Regelungen zu erlassen.

vnA

Sollte das fiktive Mietgebäude ohne diese Möglichkeit
genehmigt und errichtet worden sein, so hat es Bestandsschutz
und der Eigentümer muss weder etwas nachrüsten, noch verliert
er die Möglichkeit mietvertragliche Regelungen zu erlassen.

Das ist richtig, wenngleich theoretisch, da materiell illegal und somit schwerlich genehmigungsfähig. Etwas anderes ist es bei wirklich alten Gebäuden (älter als die LBO).

Der Vermieter kann eine Hausordnung durchsetzen, soweit er diese schon im Mietvertrag in der gewünschten Fassung erwähnt hat. Insoweit verweist du richtig auf die Möglichkeit, mietvertragliche Regelungen zu erlassen.

Hallo,

Nach DIN 18065 liegt die lichte Treppenlaufbreite in
Mehrfamilienhäusern bei 1,00 m. Der sich anschließende Flur
bedarf keiner größeren Breite.

Da mietvertraglich die Abstellung von Kinderwagen wohl
geregelt ist, gibt es da nicht mehr viel zu regeln. Es
existieren allerdings Urteile, dass das Abstellen von
Kinderwagen uU im Flur nicht untersagt werden darf.

Gehen wir mal davon aus, daß es sich bei dem Flur wirlich um einen Flurchtweg handelt. Darf dann trotz ausreichender Breite dort etwas abgestellt werden, das (auch) eine Brandlast darstellt?
http://www.bz-berlin.de/bezirk/prenzlauerberg/kinder…
„Irgendwo“ wurde mir immer erzählt, daß im Fluchtweg „nichts zu sein hat, was brennen kann“.

Gruß
Jörg Zabel

http://www.mietrecht-az.de/doku.php/themen/kinderwagen
http://www.finanztip.de/recht/mietrecht/kinderwagen-…
http://www.rechtsanwalt-news.de/mietrecht/abstellen-…
alles die nicht wirklich höchstrichterlichen Entscheidungen. Auf die Schnelle habe ich nichts weiter gefunden.
Fluchtwege müssen brandlastenfrei gehalten werden. Dass man das auch anders sehen kann zeigen die oben stehenden Links.

vnA

Ein Gebäude mit Baugenehmigung hat Bestandsschutz, wenn es so gebaut wie genehmigt wurde. Auch bei einer Abweichung von den gültigen Gesetzen. Eine Ausnahme wäre eine akute Gefahr für Leib und Leben der Nutzer und Besucher. Davon kann bei einem fehlenden Kinderwagenraum allerdings wohl nicht die Rede sein.
Zu den mietvertraglichen Regeln habe ich gerade eben einige Links gepostet, die da doch andere Wertungen zulassen.

vnA

Ein Gebäude mit Baugenehmigung hat Bestandsschutz, wenn es so
gebaut wie genehmigt wurde. Auch bei einer Abweichung von den
gültigen Gesetzen. Eine Ausnahme wäre eine akute Gefahr für
Leib und Leben der Nutzer und Besucher. Davon kann bei einem
fehlenden Kinderwagenraum allerdings wohl nicht die Rede sein.

Ja.

Zu den mietvertraglichen Regeln habe ich gerade eben einige
Links gepostet, die da doch andere Wertungen zulassen.

Das Problem bei vielen Zivilprozessen ist denke ich doch, dass ein Fall nicht in alle denkbaren Richtungen durchgeprüft wird, einfach weil keiner der beteiligten Juristen drauf kommt. Ein Fachanwalt für Familien-, Erb- und Mietrecht ist halt noch lange kein Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Woher soll er wissen, dass er mit einer für ihn abwegigen landesgesetzlichen Regelung in Rechtsgebiet X auf Umwegen ans Ziel käme, wo er mit der ihm bestens bekannten bundesrechtlichen Regelung aus Rechtsgebiet Y auf direktem Wege scheitert.

smalbop

Vielen Dank für die vielen Antworten in der Kürze.

Also: Angenommen das Gebäude steht in NRW, Baujahr 1999.
Bei der Bauabnahme waren bestimmte Bedingungen zu erfüllen, wie z.B. selbstschließende Türen bei Wohnungstüren und Kellerräumen, eine RWA Anlage mit Notschaltern im Treppenhauskopf und am Hauseingang etc.

Die Frage zielt aber in eine andere Richtung:
Als die Mieter einzogen, haben sie den Mietvertrag unterschrieben, in dem aus o.g. Gründen steht, dass Kinderwagen in den Mieterkeller oder den dafür vorgesehenen Platz im Keller des Treppenhauses gehören. Immerhin gibt es extra einen Fahrradkeller und eine Ecke für Kinderwagen.

Können die Mieter ein Gewohnheitsrecht daraus ableiten, dass ihr Kinderwagen seit 3 Jahren im Hauszugang geduldet wurde? Oder ist der Vermieter vielmehr dazu verpflichtet, den Mietern mitzuteilen, dass die mittlerweile 2 Kinderwagen da nicht hingehören?

Was ist, wenn nun alle ihre Kinderwagen da abstellen und man kommt bald nicht mehr durch? Oder die Mieterin bekommt einen dritten Kinderwagen?

Was ist bei Rauchentwicklung, alles flüchtet, einer stolpert über die Kinderwagen und wird totgetrampelt von den anderen panisch flüchtenden? Wird dann der Vermieter haftbar gemacht?

Der obere Treppenabsatz im Treppenhaus ist durch die gleichen Mieter permanent mit Flaschenkästen und Kisten belegt. Hier befindet sich die Zentrale der RWA Anlage sowie der obere Notschalter. Ausserdem kann das Treppenhaus so nicht gereinigt werden. Sind die Mieter verpflichet, die Dinge dort wegzuräumen?


Als die Mieter einzogen, haben sie den Mietvertrag
unterschrieben, in dem aus o.g. Gründen steht, dass
Kinderwagen in den Mieterkeller oder den dafür vorgesehenen
Platz im Keller des Treppenhauses gehören. Immerhin gibt es
extra einen Fahrradkeller und eine Ecke für Kinderwagen.

Gut so - sofern diese Örtlichkeiten mit Kinderwagen gut erreichbar sind.

Können die Mieter ein Gewohnheitsrecht daraus ableiten, dass
ihr Kinderwagen seit 3 Jahren im Hauszugang geduldet wurde?

Das kommt m. E. darauf an, ob es nur um „kosmetische“ Bedürfnisse des V geht (dann könnte ich mir nach 3 Jahren evtl. eine Art Gewohnheitsrecht vorstellen, aber in einem MFH könnte die Situation ja auch nicht nur dem V, sondern einem anderen Mieter - evtl. nach einem Mieterwechsel, aufstoßen und der V zur Beseitigung der mietvertraglichen Störung aufgefordert werden)) oder um die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die auch durch langjährigen Verstoß gegen die Regeln immer noch gelten und einzuhalten wären.

Oder ist der Vermieter vielmehr dazu verpflichtet, den Mietern
mitzuteilen, dass die mittlerweile 2 Kinderwagen da nicht
hingehören?

Ein Gewohnheitsrecht kann ja eigentlich bestenfalls in Bezug auf einen Kinderwagen entstanden sein. Oder steht evtl. nur ein zusammengeklappter Buggy noch in einer Ecke dahinter?

Was ist, wenn nun alle ihre Kinderwagen da abstellen und man
kommt bald nicht mehr durch?

Diese Problematik ist ja bislang, Gott sei Dank, nur hypothetisch und muss hier und heute nicht gelöst werden :wink: Irgendwann können Kinder ja dann auch laufen …

Oder die Mieterin bekommt einen
dritten Kinderwagen?

Dann wechsele zum Psychobrett, um ihr zu helfen :wink:

Was ist bei Rauchentwicklung, alles flüchtet, einer stolpert
über die Kinderwagen und wird totgetrampelt von den anderen
panisch flüchtenden? Wird dann der Vermieter haftbar gemacht?

M. E. nur, wenn ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vorliegt. Im Zweifel würde ich mal bei der örtlichen Feuerwehr anfragen, ob die Situation bedenklich sein könnte.

Der obere Treppenabsatz im Treppenhaus ist durch die gleichen
Mieter permanent mit Flaschenkästen und Kisten belegt. Hier
befindet sich die Zentrale der RWA Anlage sowie der obere
Notschalter.

Dasselbe Thema, s. o.

Ausserdem kann das Treppenhaus so nicht gereinigt
werden. Sind die Mieter verpflichet, die Dinge dort
wegzuräumen?

M. E. ja!

Ohne Gewähr aber mit freundlichen Grüßen,
sine