Kirchenbuchlatein

Als einer, der Latein nicht in der Schule gelernt hat, aber genealogisch interessiert ist, schlage ich mich mit Kirchenbuchlatein rum. Sicher findet man die Grunddaten auch ohne große Kenntnisse raus, aber mit einer guten Übersetzung findet man sicher noch Hinweise, die weiter helfen können. Prinzipiell habe ich zwei Probleme: 1. Die Entzifferung der Handschriften und 2. Die Übersetzung ins Deutsche. Ich glaube, dass man mit einigen dutzend Muster-Übersetzungen einen sehr grossen Teil der Einträge selbst erschliessen könnte. Da ich das Formun (vorerst, *fg) nicht mit 1000 Einzelfragen belästigen will, frage ich ganz allgemein, wer mir für mein Anliegen ein gutes Buch empfehlen kann (Fernleihe oder auch Bestellung über Buchladen).

Besten Dank im voraus

Norbert
PS: Eine spezielle Frage kann ich mir nun doch nicht verkneifen: In einer Sterbematrikel wird das Wort obiit als y mit zwei Punkten darüber geschrieben. Wie sollte ich das in Reinschrift übertragen? Der komplette Eintrag, so weit ich ihn (sicher sehr fehlerhaft) entziffern konnte, lautet übrigens:
„20. hujus obiit omnibus monibundus Sacrementus rite premunita Honesta vidua Ursula Hahnin atatus 83 annorum“
Die Worte monibundus, premunita, atatus und annorum sind höchstwahrscheinlich fehlerhaft entziffert.

„20. hujus obiit omnibus monibundus Sacrementus rite premunita
Honesta vidua Ursula Hahnin atatus 83 annorum“
Die Worte monibundus, premunita, atatus und annorum sind
höchstwahrscheinlich fehlerhaft entziffert.

Hallo Schlereth,
wenn ich nicht ganz krumm liege hast Du nahezu alles ok bis auf „moribundus“ und „atatus“ was möglicherweise „aetatis“ heißen soll.
Dann gibt der Satz folgenden Sinn (für mich):
20 Seine mit allen Sterbesakramenten wohl versehene ehrbare Witwe Ursula Hahnin starb ihres Alters 83 Jahre.

Grüße
Eckard.

Hallo Eckard und Norbert,

wenn ich nicht ganz krumm liege* hast Du nahezu alles ok bis
auf „moribundus“ und „atatus“ was möglicherweise
„aetatis“ heißen soll.

*Lieber Eckard, wann hast du schon mal ganz krumm gelegen?:wink:

Aber zur Sache:
So sehe ich das auch. Aber „20. huius“ würde ich übersetzen:

„Am zwanzigsten diese (Monats)“

Dann wird daraus:

20 Seine mit allen Sterbesakramenten wohl versehene ehrbare
Witwe Ursula Hahnin starb ihres Alters 83 Jahre.

(für mich):
"Am zwanzigsten diesen (Monats) starb, mit allen Sterbesakramenten wohl versehen, die ehrbare Witwe Ursula Hahnin ihres Alters 83 Jahre.

Grüße
Fritz

1 Like

Hallo Eckard, hallo Fritz,

bin neu in einem Forum und sehr überrascht wie schnell man hier eine Antwort bekommt und vor allem freue ich mich über das offensichtlich hohe Niveau. Danke euch beiden! Das Wort aetatis stimmt tatsächlich (auch wenn das e fast mit dem a verschmolzen ist und vom i nur der punkt erkennbar)! Habe dann zu diesem Text nur noch drei Fragen:

  1. Ist es egal ob man hujus oder huius schreibt?
  2. „moribundus“ und „annorum“ haben nach meiner entzifferung die gleiche endung. kann es moribundum oder annorus heissen?
  3. Schreibe ich nun sinnvollerweise obyt oder obiit? Ich denke ich sollte das zweite wählen.

Dank im voraus und schönen Gruß

Norbert

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

So, nun bin ich wieder dran:smile:
Danke Fritz - gemeinsam sind wir unschlagbar!

und nun zu Deinen Fragen, Norbert:

  1. Ist es egal ob man hujus oder huius schreibt?

Es heißt schon „huius“ mit i - das J gab es im Lateinischen noch gar nicht.

  1. „moribundus“ und „annorum“ haben nach meiner entzifferung
    die gleiche endung. kann es moribundum oder annorus heissen?

„moribundus“= sterblich; „moribundum“ wäre der Akkusativ der männlichen Verson.
„annorum“ ist Genitiv Plural von „annus“=das Jahr also „der Jahre“

  1. Schreibe ich nun sinnvollerweise obyt oder obiit? Ich denke
    ich sollte das zweite wählen.

Eine gute Wahl :smile:. Wir hatten vor einiger Zeit mal hier über das Y mit den zwei Tüttelchen gesprochen - es ist eine sehr späte Schreibweise, eine einfache Ligatur (Zusammenziehung) der beiden i. „obiit“ ist dritte Person Einzahl Perfekt von „obire“=weggehen, (im übertragenen Sinn=sterben)als „er, sie, es ist gestorben“.

Ja, das geht hier fix im w-w-w. Bin auch immer wieder überrascht, welche Fragen aus (für mich) abgelegenen Wissensgebiete hier locker ihre Antwort finden.

Gruß Eckard.

Hallo Eckard, hallo Fritz!

Ich denke mit diesen Ausführungen kann ich die Urkunde bei mir abhaken und diese Thema hier vorerst schliessen. Die dabei gewonnen Hinweise werden mir sicher bei anderen Urkunden helfen. Übrigens stammt der Text aus dem Dezember 1734 und die „ehrbare Witwe“ war in erster Ehe mit einem meiner 256 7-fachen Urgroßväter verheiratet :smile: Ermutigt durch die hilfreichen Antworten werde ich demnächst mal mit einem halbwegs entzifferten Auszug aus dem Traumatrikel aufkreuzen.

Beste Grüße

Norbert
PS: Gemeinsam seid ihr tatsächlich unschlagbar :wink:

„20. hujus obiit omnibus monibundus Sacrementus rite premunita
Honesta vidua Ursula Hahnin atatus 83 annorum“

Hallo Norbert,

Eckarts und Fritz’ Übersetzung ist natürlich :wink: richtig, aber lateinisch kann es eigentlich nur so heißen:

  1. hujus obiit omnibus moribundorum sacramentis rite praemunita honesta vidua U.b H. aetatis 83 annorum.

Dazu passt, dass du sagst, moribund… und ann… hätten die gleiche Endung.

Gruß,
Pietro

Danke
danke pietro,

hätte nicht gedacht, dass man da noch was weiter perfektionieren kann. habe nun gelernt, dass man im lateinischen ausser den eigennamen und dem satzanfang wohl alles klein schreibt. das ae in praemunita hätte ich im original nie gesehen, sieht wie ein buchstabe aus. wahrscheinlich ist die übersetzung nun besser als das original :wink:

gruss und dank norbert
ps: konnte mit euerer hilfe gleich eine zweite fotokopie komplett entziffern und übersetzen und stürzte mich nun auf einen anderen eintrag.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

So, nun bin ich wieder dran:smile:
Danke Fritz - gemeinsam sind wir unschlagbar!

Also noch ein Schlag von mir obendrauf.

  1. Ist es egal ob man hujus oder huius schreibt?

Es heißt schon „huius“ mit i - das J gab es im Lateinischen
noch gar nicht.

Da dies ein mittelalterlicher, vielleicht sogar spätma. Text ist, sollte man hier keine „Silberne Latinität“ erwarten.

i und j werden im MA nicht nur in lateinischen Texten oft willkürlich vertauscht, zwei ii werden zu ij oder gar zu y mit Pünkzchen drauf. Und jeder Schreiber hatte seinen eigenen Mätzchen.

Als ich noch als Hiwi Handschriften nach Meistersangstrophen durchforstete habe ich da die tollsten Sachen gesehen.

  1. Schreibe ich nun sinnvollerweise obyt oder obiit? Ich denke
    ich sollte das zweite wählen.

Sehe ich auch so.

Ja, das geht hier fix im w-w-w. Bin auch immer wieder
überrascht, welche Fragen aus (für mich) abgelegenen
Wissensgebiete hier locker ihre Antwort finden.

Und das sowieso!

Gruß Fritz