Kirchhofs Steuerkonzept

Hallo,

Frage in die Runde: Was haltet ihr von Kirchhofs
Steuerkonzept?

Kirchhof will:

a) eine Aufhebung aller Ausnahmen und Privilegien

Wird langfristig so kommen, mittelfristig sind einige Fragen durch Gesetze und Verträge geregelt und kurzfristig wird es nur Anfänge einer Reihe von Änderungen im Steuerrecht geben müssen.

Hier muss man aber auch Steuersenkungen im Rahmen einer geplanten Mehrwertsteuererhöhung sehen. Man kann nicht die MwSt erhöhen und die Steuervorteile/Ausnahmeregelungen weiter belasen.

b) die zu versteuernde Summe errechnet sich aus allen
Einkünften (Lohn/Gehalt, Zinserträge, Gewinne Selbstständiger
bzw. Firmengewinne)

Was ist daran falsch, wobei es hier den Unterschied gibt, dass der Gewinn von Unternehmen, wenn er zur Investition genommen wird aus meiner Sicht durchaus nicht so bewertet werden darf - im Übrigen auch nicht soll - wie die Gewinne, die aus den Unternehmen herausgenommen und privaten Zwecken zugeführt werden.

c) einen generellen Freibetrag von 8.000 €

fidne ich als Ansatz gut.

d) die nächsten 5.000 € sind nur zu 60 Prozent zu versteuern

e) die darauf folgenden 5.000 € sind nur zu 80 % zu versteuern

f) es gilt ein konstanter Steuersatz von 25 %

Hier glaubt Kirchhof aus langfristiger Sicht dieses Ziel erreichen zu müssen. Derzeit mit der CDU und mit der Finanzlage des Bundes nicht durchsetzbar. Daher gestern der Widerspruch.

g) jeder erhält eine steuerfreie allgemeine Kostenpauschale
von 2.000 €

Bei 1.000 € brutto im Monat macht das aufs Jahr 12.000 €.
Davon sind 8.000 € steuerfrei. Bleiben 4.000 €. Weitere 2.000
€ fallen unter die allgemeine Kostenpauschale. Bleiben 2.000
€. Die fallen in die unter d) genannten 5.000 €, werden also
nur zu 60% steuerpflichtig. 60% von 2.000 € sind 1.200 €. Die
werden mit 25% versteuert. Macht eine Steuerlast von 300 €,
ergo 300 € Jahressteuer auf 12.000 € Jahresgehalt.

Bei 36.000 € im Jahr (3.000 € im Monat) gilt: abzgl. 8.000 €
steuerfrei und 2.000 € Kostenpauschale bleiben 26.000 €. Von
den ersten 5.000 € bleiben 2.000 € steuerfrei (60%-Regel), von
den nächsten 5.000 € bleiben 1.000 € steuerfrei (80%-Regel).
Bleiben als zu versteuernde Summe 23.000 € (zu 25% macht das
5.750 € Steuern).

So habe ich zumindest das Kirchhofsche Steuerkonzept
verstanden.

Ist dieses Steuerkonzept akzeptabel? Kann so ein Steuerkonzept
insbesondere in Sicht auf die Abschaffung aller Ausnahmen und
Privilegien durchgesetzt werden?

Wie bereits erwähnt, es wird nicht alles auf einmal durchgesetzt werden können. Das war doch auch bei der Eigenheimzulage der Hintergrund. Da wurden von rot/grün Einsparungen behauptet, die es erst am Ende der gesetzlichen Änderungen und der auslaufenden Verträge - in etwas neun-zehn Jahren gibt, nicht wie immer behauptet sofort.

Mir ist z.B. nicht klar, was Kirchhof mit Ausnahmen und
Privilegien meint.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer kann im Modell Kirchhof keine Werbungskosten
mehr in Anrechnung bringen (Fahrten zur Arbeitsstätte,
Beiträge zur Gewerkschaft, Fachliteratur, Arbeitskleidung). So
würde ich jedenfalls Kirchhofs Aussage verstehen.
Ein Selbstständiger/Freiberufler wird aber sehr wohl Ausgaben
für Fachliteratur u.ä. als Kosten verbuchen und somit den
steuerpflichtigen Gewinn mindern können.

Wie seht ihr das?

Beiträge zu den Gewerkschaften/auch an die Parteien werden mit Sicherheit nicht gestrichen. Fachliteratur wohl auch nicht. Wobei derzeit um die große Linie diskutiert wird, Details kommen dann, wenn es an ein Gesetz geht.

Im Übrigen bin ich auch dafür, dass für private Veranstaltungen der Staat die Kosten berechnet, die dem Staat durch eine Veranstaltung im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit entstehen. Ob es die Love Parade oder ein Bundesligaspiel ist, warum sollen die Bürger einigen Profiteuren mit Steuergeldern ihren Unsinn oder ihre Freuden erfüllen.

Grüsse Günter

Hallo GM,

die Migration HGB >> IFRS ist, meine ich, ganz im Gegensatz zur Migration Kameralistik >> Bilanzierung bei gegebener Situation nicht besonders sinnvoll. Es sei denn, damit ist gemeint, dass die sehr vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die derzeit nicht halb so pessimistisch bilanzieren, wie sie nach HGB eigentlich müssten, im Sinn von Zufallstreffern eher in die Nähe einer IFRS-Rechnungslegung kommen könnten, alldieweil diese (seeehr in Grobe gesagt) grundsätzlich ein bissel weniger auf die Hl. Imparität nach HGB konzentriert ist.

Wenn dieses nicht damit gemeint ist, darf man sich schon nach dem Verhältnis des daraus erwachsenden Nutzens (für den Fiskus? für die Kreditgeber? für die Gläubiger?) etc. zum notwendigen Aufwand fragen.

Eine Art Kollateralnutzen kommt für den Arbeitsmarkt raus: Weniger dreißigjährige, mehr fünfunfdünfzigjährige arbeitslose Buchhalter.

Kirchhof setzt aber, wenn ichs richtig verstehe, an einer anderen Stelle an: Auseinanderfallen von (HGB- oder IFRS)Handels- und Steuerbilanz. Wo gibts dieses Auseinanderfallen trotz umgekehrter Maßgeblichkeit? In der Hauptsache bei Leasinggebern und bei der Bewertung von Umlaufvermögen. Man darf also in diesem Zusammenhang fragen: Was bleibt von den Spatzen noch übrig, wenn sie mit 8,8cm-Kalibern angegangen werden?

Wie von mir anlässlich der Prophezeiung des nahenden Goldenen Zeitalters durch Mikesch schon angedeutet, ist das Bilanzieren nach dieser oder jener Norm nicht so gravierend. Gewaltige Aufwendungen scheinen mir dort gegeben zu sein, wo das Kirchhof-Konzept auf Vermögensmehrung als ausschließliche Basis der Ertragsbesteuerung setzt, und wo bisher Einkünfte unter Ansatz von Werbungskosten ermittelt worden sind und Sonderausgaben eine wesentliche Rolle spielen: Ich stelle mir meine Gartennachbarn Michel (EU-Rentner), Hüsseyn (Metallarbeiter) und Juan (Arbeiter Getränkeindustrie) vor, wenn sie vor der Wahl stehen, entweder so viel Steuern zu bezahlen, wie sie es noch nie vorher getan haben (25% ihrer Bruttoeinnahmen, ohne Werbungskosten, ohne ermäßigte Besteuerung von Nacht-, Feiertags- etc. Zulagen, ohne Berücksichtigung von Sonderausgaben etc. etc.), oder eben für ihre privaten Haushalte Jahresabschlüsse aufzustellen.

Etwas weniger utopisch wird die Chose für 4(3)-Gewinnermittler und für 18(1)-Selbständige: Unabhängig von Aspekten der Steuergerechtigkeit, die bei Kirchhof sicherlich besser berücksichtigt werden als aktuell gegeben, führt hier der Vermögensvergleich als einziger zulässiger Weg zur Veranlagung zu einer Mordsrödelei.

„Eine einzige statt sieben Einkunftsarten“ klingt schön, ist aber mit Folgen verbunden, die sich die Freunde der Parole vom „Bierdeckeltarif“ (wie ich glaube) nicht alle vorstellen können. Die sieben Einkunftsarten haben bloß an wenigen Stellen bedeutende Haken: Nämlich in §§ 13 und 13a EStG (die niemandem fehlen werden, 13a ist eh eine selbsterledigende Angelegenheit), in §§ 22 und 24a EStG - weitgehend selbsterledigend, schon jetzt), in § 23 EStG - da wird allerdings das Jaulen ziemlich deutlich hörbar sein, wenn die braven Fondssparer plötzlich ihren Vermögenszuwachs versteuern müssen. Ich wage aber die Prognose, dass es dazu nicht kommen wird.

Nach diesem weiten und nicht sehr kohärenten Bogen zurück zum Thema: Ob einer, der eh bilanziert, nach dieser oder jener oder noch einer anderen Norm bilanziert, ist - meine ich - keine sehr schwergewichtige Frage. Die Festlegung des Vermögensvergleiches als einziger Grundlage der Ertragsbesteuerung führt aber wahlweise zu einer eher schmerzhaften Mehrbelastung der StPfl, bei denen nicht gar so viel zu holen ist (ja ok, ist eh schon Mode) oder zu einer dramatischen Aufblähung des daran hängenden administrativen Apparates.

Zur Milderung dieses Effektes kommt naheliegend die Etablierung von vereinfachten Verfahren zum Vermögensvergleich, etwa im Sinn des heute geltenden Werbungskostenansatzes, oder auch im Sinn des heutigen § 4(3) EStG, in Frage. Also: „Ein Spatz, ein Spatz! Leeegt-an - Feuer!!“. Oder eben die im Kirchhof-Konzept (wenn auch nicht expressis Verbis) enthaltene Fortsetzung der Tendenz weg von der Ertragsbesteuerung, hin zur Umsatzbesteuerung: „Sieben Prozent? Was soll denn das sein?“

Schöne Grüße

MM