Kita bekommt neues Konzept/Bildungsräume

Hallo zusammen,
ich habe folgende Frage:
In der Kita, in die unser Kind geht, soll es ein neues Konzept geben.
Bisher gab es Gruppen, eine sehr kleine für U-3-jährige mit ca. 10 Kindern und dann noch andere Gruppen mit den Älteren mit ca. 20-25 Kindern. Die Gruppen wurden von den entsprechend zugeteilten Erzieherinnen geleitet.

Das neue „offene Konzept“ sieht vor, dass es statt Gruppen in ihren Gruppenräumen sogenannte Bildungsräume geben wird, in denen verschiedenen Aktivitäten nachgegangen werden kann (z.B. Bauen, Bücher gucken, CDs hören, Basteln und Malen, Rollenspiele spielen). Diesen Räumen sind jeweils Erzieherinnen zugeteilt. Die Kinder können sich, nach einem „Morgenbesprechungskreis“ an dem alle Kinder der Kita teilnehmen, selber für einen Raum entscheiden, in den sie gehen wollen.

Gibt es hier im Forum Erfahrungen mit dem „offenen Konzept“. Welche Vor- und Nachteile gibt es?

Vielen Dank im voraus

donjuanpond

Hallo,

die Vorteile sind:

  • die kleinen Kinder lernen von den Großen
  • die Großen Kinder lernen für die kleinen Kinder Verantwortung zu übernehmen
  • das Selbstbewusstsein der Kinder wird gestärkt (Entscheidungen treffen und mutig sein)
  • die Kinder können je nach ihren Fährigkeiten und Interessen ihre Beschäftigungen suchen

die Nachteile sind:

  • es gibt durchaus sehr ängstliche Kinder, denen man mit so einem Konzept nicht wirklich hilft
  • es gibt durchaus Kinder, die durch das ständige Rücksichtnehmen auf die Kleinen und auf die Ruhigen, nicht das gewünschte Sozialverhalten wecken, sondern eher unterfordert sind und ausgebremst werden, was oft dazu führt, dass sie „stören“

Grundsätzlich steht und fällt ein Konzept dadurch wie es durchgeführt wird und die sehr die beteiligten Personen (Erzieher) hinter dem Konzept stehen.

Ihr müsst beobachten, wie euer Kind damit zurechtkommt. Wenn die Kommunikation zwischen Eltern und Erzieher gut ist und Vertrauen da ist, würde ich keinen Anlass sehen zu wechseln.

Viele Grüße

Hallo,
ich kenne das Prinzip, war vor ca. 4-5 Jahren bei meiner Tochter in der Kita auch extrem angesagt.
Ich persönlich habe es aber nicht wirklich als hilfreich empfunden.

  1. Die Kinder haben sich logischer Weise die Aktivitäten ausgesucht, die ihnen am meisten Spaß gemacht haben. Da man aber im Leben nicht immer nur das tun kann was Spaß macht ist das aus meiner Sicht nicht der richtige Ansatz für die frühkindliche Erziehung.
  2. Aktivitäten die dem Kind (aus welchem Grund auch immer) keinen Spaß machen - das kann musikalische, gestalterische oder sportliche Aktivitäten sein blieben unterentwickelt, da nicht steuernd eingegriffen wurde.
  3. Die Selbstbestimmung der Kinder ging so weit, dass selbst Mittagsschlaf im Ermächtnis der Kinder lag.
  4. Die Schlafräume der kleinsten Kinder wurden von Kinderbetten befreit und es gab nur noch Matratzen und Decken auf dem Boden.

Zusammengefasst kann ich nicht sagen, dass das Konzept gut war. Ich hatte damals auch sehr heftige Diskussionen mit dem Leiter der Kindereinrichtung.

Gruß D.

Hallo,

Vorteile:

  • Die Kinder entscheiden selbstbestimmt, was sie wann, wo und mit wem tun möchten. Das bedeutet eine extrem hohe Motivation beim Tun und hat großen Wissens- und Erfahrungszuwachs zur Folge.
  • Kinder können anhand ihrer Reife Interessen nachgehen, nicht aufgrund ihres Alters. Hier bleibt Raum für individuelle Entwicklung.
  • Die Kinder haben die Chance, selbst die Erfahrung zu machen, dass sie bestimmte Dinge stärker interessieren und dass sie sich hier auch immer wieder neuen Input und damit Wissenszuwachs holen können. Insgesamt fördert das stark die Lust am Lernen und Entdecken, was die beste Vorbereitung für die Schule ist, die es gibt. Das funktioniert aber nur, wenn die Erzieherinnen auch einen Blick für individuelle Bedürfnisse entwickeln.
  • Den Kindern bleiben idiotische „Programme“ erspart, von denen viele Einrichtungen und Eltern glauben, sie wären irgendwie der Bildung und der Schulreife dienlich. Stattdessen lernen sie eigenmotiviert. Ein Rollenspiel in der Puppenecke dient der Sprachentwicklung zig Mal mehr, als ein Würzburger Sprachprogramm (oder sonstwas in dieser Richtung).

Zu beachten ist aber:

  • Das Ganze lebt und stirbt mit den Fähigkeiten der Erzieherinnen. Es ist nicht damit getan, die Kinder einfach laufen zu lassen. Sie müssen beobachtet werden, damit man ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse erkennen und darauf flexibel und kreativ reagieren kann.
  • Mit zunehmender Reife sollte auch zunehmende Verantwortung Teil des Konzepts werden. Während es für die reifemäßig Jüngeren völlig reicht, sie in den Räumen ihrer Wahl agieren zu lassen, sollte man die reifemäßig Älteren nach und nach motivieren, sich auch Bereiche anzusehen, die nicht ihren spontanen Vorlieben entsprechen. Kinder brauchen auch die Möglichkeit, Neues kennenzulernen. Um das zu schaffen, bedarf es der Motivation. Diese kann z.B. so aussehen, dass die Älteren in der Woche drei verschiedene Spielräume erkunden sollen. Wann sie wo sind, können sie selbst entscheiden.
  • Wenn man nach einigen Monaten den Bedarf erkennt, dass manche sich schwer tun, an Neues heranzugehen, kann man z.B. in der nächsten Woche einen Spielraum durch einen Neuen ersetzen lassen. Die Wahl bleibt aber auch hier beim Kind.

Nachteile:

Besonders kleine Kinder tun sich am Anfang oft schwer damit, sich in einem für sie noch sehr unübersichtlichen Gebäude bewegen zu müssen. Ihnen helfen Stammgruppen, sich einzuleben und Sicherheit zu finden. Bei einem streng gelebten offenen Konzept bedeutet das oft eine ziemliche Überforderung für die Kleinen.

Und: Die Erzieherinnen brauchen eine viele höhere Anzahl an Teambesprechungen, da jede Erzieherin jedes Kind kennen muss, und nicht nur die 25 Kinder ihrer Stammgruppe. Das bedeutet, dass die Entwicklung der Kinder gut dokumentiert werden muss. Fehlt das, besteht die Gefahr, dass Kinder nicht die Förderung kriegen, die sie eigentlich bräuchten.

Schöne Grüße,
Jule