Klassische Dramen-Kategorien vs. moderne Dramen

Mich würde interessieren wie man die klassischen Dramen-Kategorien Tragödie und Komödie in der heutigen Zeit noch auf moderne Dramen übertragen kann bzw. ob sie überhaupt noch zur Anwendung kommen.

Beispiele:

Wolfgang Borchert - Draußen vor der Tür (1947)
Max Frisch - Andorra (1961)
Friedrich Dürrenmatt - Die Physiker (1962)

„Die Physiker“ wird gern als Tragikomödie beschrieben, während „Andorra“ und „Draußen vor der Tür“ lediglich als Drama eingestuft werden. Kann man also sagen, dass es sich bei den Stücken um „Schauspiele“ handelt? Ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht woran man es festmachen soll, da z.B. Schillers „Wilhelm Tell“ ebenfalls ein Schauspiel ist oder Goethes „Iphigenie auf Tauris“.

Bei der Tragödie nimmt alles eine tragische Wendung, es endet in der Katastrophe. Wenn man von der Tragödie im klassischen (nicht Klassik als Epoche) Sinne ausgeht, dann wäre die Sprache aber an die Versform gebunden. „Andorra“ beispielsweise nimmt eine tragische Wendung, es endet mit dem Tod der Hauptfigur, die Sprache ist aber in Prosa geschrieben.

Ich hoffe das war jetzt nicht zu verwirrend. Um es noch einmal zusammenzufassen: Welche Arten von literarischen Dramen existieren heute noch und welche werden lediglich auf die Literatur vergangener Jahrhunderte übertragen?

Hallo Chris,

also mal grundsätzlich sollte man unterscheiden

  1. wie Autoren (AUs) ihre Stücke untertiteln
  2. in welches Gattungs-Schema Literaturwissenschaftler (LWs) (bin selber einer) Stücke pressen wollen.

Mich würde interessieren wie man die klassischen
Dramen-Kategorien Tragödie und Komödie in der heutigen Zeit
noch auf moderne Dramen übertragen kann bzw. ob sie überhaupt
noch zur Anwendung kommen.

„Tragödie“ = geht tragisch aus (Tod etc.)
„Komödie“ = vorwiegend heiter
so würden es die LWs sehen, die AUs machen das manchmal anders, Thomas Bernhard nennt seine Stücke oft Komödien, aber zu lachen ist da nichts.
Dennoch würde ich diese Trennung tendetiell aufrecht erhalten.

Beispiele:

Wolfgang Borchert - Draußen vor der Tür (1947)
Max Frisch - Andorra (1961)
Friedrich Dürrenmatt - Die Physiker (1962)

„Die Physiker“ wird gern als Tragikomödie beschrieben, während
„Andorra“ und „Draußen vor der Tür“ lediglich als Drama
eingestuft werden. Kann man also sagen, dass es sich bei den
Stücken um „Schauspiele“ handelt? Ich weiß ehrlich gesagt
nicht so recht woran man es festmachen soll, da z.B. Schillers
„Wilhelm Tell“ ebenfalls ein Schauspiel ist oder Goethes
„Iphigenie auf Tauris“.

„Drama“ und „Schauspiel“ stimmt immer, das sind einfach nur Synonyme für „Theaterstück“

Bei der Tragödie nimmt alles eine tragische Wendung, es endet
in der Katastrophe. Wenn man von der Tragödie im klassischen
(nicht Klassik als Epoche) Sinne ausgeht, dann wäre die
Sprache aber an die Versform gebunden. „Andorra“
beispielsweise nimmt eine tragische Wendung, es endet mit dem
Tod der Hauptfigur, die Sprache ist aber in Prosa geschrieben.

Im antiken Sinn hast du Recht, aber bereits im 18. Jh. gibt es das „Bürgerliche Trauerspiel“ oder nur „Trauerspiel“, das zwar die Bedingungen der Tragödie erfüllt (Aufbau, tragischer Ausgang), aber sich eben - im Ggs. zur „Tragödie“ - in der bürgerlichen Sphäre abspielt und nicht in Versen ist, z. B. bei Lessing.

Ich hoffe das war jetzt nicht zu verwirrend. Um es noch einmal
zusammenzufassen: Welche Arten von literarischen Dramen
existieren heute noch und welche werden lediglich auf die
Literatur vergangener Jahrhunderte übertragen?

Es handelt sich eigentlich nur um Begriffe, nach denen du fragst, ich denke „Tragödie“ und „Komödie“, „Drama“, „Schauspiel“ werden heute noch verwendet (für aktuelle Stücke) und noch viele neue mehr, „Lustspiel“, „Trauerspiel“ usw. dagegen eher nur für ältere Dramen.

Aber die Gattungsdiskussion ist so alt wie die Literaturwissenschaft, immerhin handelt einer der ersten literaturwissenschaftlichen Texte der Weltgeschichte die Poetik des Aristoteles hauptsächlich von der „Tragödie“.

So viele Autoren, so viele Meinungen. Es gibt abertausende Gattungstheoreien, deshalb ist die Frage einegtlich gar nicht vollständig zu beantworten. Im Zweifelsfall sollte man sich den Untertitel des Autoren ansehen und zu analysieren versuchen, warum er diesen gewählt hat.

Gruß (hoffentlich war das nicht noch mehr Verwirrung jetzt)

Oliver

„Drama“ und „Schauspiel“ stimmt immer, das sind einfach nur
Synonyme für „Theaterstück“

Also so wie ich es gelernt habe (Germanistik-Studium, Literaturwissenschaft) ist Drama die Oberkategorie (nach der Einteilung von Goethe in Epik, Lyrik und Drama). Schauspiel ist eine Form des Dramas, die sich im Gegensatz zu Tragödie und Komödie durch eine zwar ernste und weitestgehend unkomische Handlung aber auch durch einen wenig tragischen bis hoffnungsvollen Ausgang auszeichnet. Das wären nun zumindest inhaltliche Differenzierungsmöglichkeiten, die Form bleibt dabei unbeachtet. Natürlich sind Dramen zur Aufführung bestimmt, weshalb man sie auch synonym mit „Stücken“ bezeichnen kann.

Im antiken Sinn hast du Recht, aber bereits im 18. Jh. gibt es
das „Bürgerliche Trauerspiel“ oder nur „Trauerspiel“, das zwar
die Bedingungen der Tragödie erfüllt (Aufbau, tragischer
Ausgang), aber sich eben - im Ggs. zur „Tragödie“ - in der
bürgerlichen Sphäre abspielt und nicht in Versen ist, z. B.
bei Lessing.

Das ist korrekt, außerdem gibt es im 18. Jahrhundert das „weinerliche Lustspiel“. Nach der Verschmelzung der beiden früher strikt getrennten Formen von Tragödie und Komödie entstand dann ja letztendlich das Schauspiel. Die „Maria Stuart“ von Schiller ist beispielsweise noch eine Tragödie, während der „Wilhelm Tell“ zur neuen Gattung Schauspiel zählt.

Es handelt sich eigentlich nur um Begriffe, nach denen du
fragst, ich denke „Tragödie“ und „Komödie“, „Drama“,
„Schauspiel“ werden heute noch verwendet (für aktuelle Stücke)
und noch viele neue mehr, „Lustspiel“, „Trauerspiel“ usw.
dagegen eher nur für ältere Dramen.

Im Grunde sind „Lustspiel“ und „Trauerspiel“ Synonyme zu „Komödie“ und und „Tragödie“, eine tatsächliche Unterscheidung, z.B. im Hinblick auf bürgerliche Themen etc. hat sich bis heute nicht durchgesetzt. So steht es z.B. in Reclams „Sachwörterbuch zur deutschen Literatur“.

Ich würde sagen, dass man die klassischen Unterscheidungen (Komödie / Tragödie) nur dann treffen kann, wenn das Stück eindeutig für eine der beiden Richtungen konzipiert ist. Sobald beides in einem gewissen Verhältnis zueinander steht, ist es ein Schauspiel (oder wenn man so will ein Drama ohne weitere Kategorisierung). Sowohl in Borcherts „Draußen vor der Tür“ als auch in Frischs „Andorra“ finden sich zahlreiche komische Elemente, sei es durch Ausdrucksweise und Verhalten der Personen oder durch groteske Situationen, gleichsam aber auch eine sehr ernste Thematik, der Humor ist eher unterschwellig.

Gerade im Film-Bereich hat man es oft mit Komödien zu tun, die nicht auf Slapstick abzielen und auch nicht auf ungetrübte Unterhaltung, sondern einen durchaus ernsten aber positiv wirkenden, weil Sympathie hervorrufenden Stoff transportieren. Dort haben sich schon etliche Subgenres herausgebildet, die teilweise Mischformen von ehemals konkurrierenden klassischen Genrebegriffen darstellen. In der Literaturwissenschaft, so scheint es mir, ist man da ein wenig dem Trend der Zeit hinterher, eventuell wollte man wohl auch nicht zu viele neue Schubladen öffnen, da man bekanntermaßen mit einem allgemeineren Begriff nicht zwangsläufig die Unwahrheit sagt.