Ich beschäftige mich gerade mit der Klassik und habe Schwierigkeiten, Goethes Faust (I) dort einzuordnen. In der Klassik geht es doch hauptsächlich um die ästhetische Erziehung des Menschen, das Theater bzw. die Literatur soll dem Menschen helfen, zu einer Einheit zwischen Stoff und Inhalt, zwischen Pflicht und Neigung zu gelangen. So sind in Schillers Dramen „Die Jungfrau von Orleans“, „Maria Stuart“ und „Wilhelm Tell“ jeweils sehr idealistisch gezeichnete (Vor)bilder von Menschen zu sehen, ebenso in Goethes „Iphigenie auf Tauris“. Alle sind sie im Grunde fromm und dienen dem moralischen Gesetz, nicht immer dem weltlichen. Sie sind somit das, was man heutzutage „authentisch“ nennen würde, wenn auch mit religiösem / moralisch-didaktischem Hintergrund.
Faust hingegen ist hin-und hergerissen zwischen den Mächten, er ist meist ein Spielball zwischen Gott und Teufel. Mit seiner Lebensweise und seinen Ansichten verkörpert er ganz und gar nicht das Ideal des Menschen, also quasi das Vorbild, sondern eher ein Abbild, einen Stellvertreter der Menschheit. Am Ende des ersten Fausts verlässt er das gerettete Gretchen, dem er zuvor so viel Unglück brachte, um mit Mephistopheles zu verschwinden.
Die Quintessenz lautet nach vielen Interpretationen: Der Mensch kann sich irren aber er soll nie aufhören zu streben. Das ist kurz gesagt der richtige Weg, der ideale Weg.
Liegt also das typisch Klassische lediglich in Fausts Streben und weniger in seiner (kaum vorhandenen) äußerlichen Frömmigkeit? Ich habe diesbezüglich Probleme, Faust in die Klassik einzuordnen. Wer kann mir weiterhelfen und vielleicht einige Aspekte näher beleuchten bzw. hinzufügen?
Danke vorab!