Klavier: Digital oder 'analog'

Hi Klavierspieler,

wir planen momentan für unsere Jungs (5 u 7) ein Klavier anzuschaffen, weil sie bei Freunden die eines haben großen Spaß damit haben und ihnen ein ‚gewisses‘ Musikalisches Talent zugesprochen wurde.

Jetzt haben wir folgendes Problem:
Wen wir ein akkustisches Klavier nehmen, haben wir auch die akkustische ‚Umweltverschmutzung‘ die nun sicher auch an die Nerven gehen kann.
Da kam mir der Gedanke, ein Digitalklavier zu kaufen.
Nun scheiden sich die Geister ob der Qualität dieser Geräte.
Die einen sagen, die Klaviatur sei bei hochwertigen Geräten durchaus mit akkustischen Klavieren zu vergleichen, ebenso der Anschlag, die anderen meinen, dem wäre auf gar auf keinen Fall so.
Wohlgemerkt, es soll ein hochwertiges Digitalklavier sein, kein Keyboard oder so was.

Für die Optik gibt es die Digis wohl auch in Einbauten, die einem ‚normalen‘ Klavier entsprechen.

Der große Vorteil, den ich in Digis sehe, wäre die Ruhe, wenn mit Kopfhörer gespielt wird.

Wie sind eure Erfahrungen; verderben Digis den Anschlag oder sind sie inzwischen so gut,daß es keinen Unterschied macht?

Gandalf

Hallo Gandalf!

es soll ein hochwertiges Digitalklavier sein,
kein Keyboard oder so was.

Der große Vorteil, den ich in :smiley:igis sehe, wäre die Ruhe, :wenn mit Kopfhörer gespielt :wird. Wie sind eure :Erfahrungen; verderben Digis :den Anschlag oder
sind sie inzwischen so :gut,daß es keinen Unterschied :macht?

An einem herkömmlichen Klavier läßt sich schlecht üben, wenn man „leise spielen soll“. Genau dabei geht das Anschlaggefühl kaputt oder entsteht gar nicht erst.

Mit einem elektronischen Klavier entfallen solche Probleme. Mich stört überhaupt nicht, wenn Puristen erschaudern, bloß weil es keine mechanisch schwingenden Saiten gibt. Üben ist naturgemäß weit ab von reinem Ohrenschmaus, wobei sogar die Fähigkeiten eines Könners die Mitbewohner auf die Dauer schlicht nerven. Von daher kann es kein Argument gegen ein elektronisches Klavier geben.

Herablassendes ist sogar gegenüber einem guten Keyboard unbegründet, denn auch bei diesen Instrumenten gibt es Exemplare mit brauchbarem Anschlagverhalten und Tastenmaßen, die exakt denen eines herkömmlichen Klaviers entsprechen. Klar, es gibt auch unbrauchbaren Spielkram mit butterweichen Minitasten, die wie gefühllose Schalter reagieren. Sowas sollte man stehenlassen, wenn es ums Klavierspielen geht.

Gehe in einen Laden und probiere elektronische Klaviere z. B. von Yamaha aus. Man muß kein Musiker sein, Gefühl in den Fingern reicht, um festzustellen, daß diese Instrumente keine Vorurteile verdient haben. Solche Geräte sind einem Mittelklasseklavier ebenbürtig, leider auch im Preis. Apropos Kosten: Ein Klavier muß prinzipbedingt alle naselang gestimmt werden. Diese Kosten entfallen bei einem elektronischen Klavier.

Gruß
Wolfgang

Meine Erfahrungen
Hallo Gandalf,

Wolfgang hat nicht Unrecht, aber ich möchte noch ein paar eigene Beobachtungen anmerken.

Wir hatten uns auch zu entscheiden und haben uns vor allem wegen der Nachbarn für die digitale Variante entschieden. Klavierlehrer rümpfen oft schnell die Nase über den Anschlag, aber diese prinzipielle Abwertung kann ich nicht bestätigen. Freilich müsstest du das Instrument natürlich vor dem Kauf eine gewisse Zeit ausprobieren, denn es gibt schon Unterschiede (über die Preise bin ich zuerst auch erschrocken gewesen, daran wirst du wohl auch nicht vorbeikommen).

Zwei Nachteile sehe ich allerdings schon, die zumindest zu berücksichtigen sind. Da ist zunächst der Klang, der bei allen von mir angespielten Instrumenten (ok, da waren keine superteueren dabei) eine Einbuße gegenüber dem echten Klavierklang darstellte - für ein Übungsinstrument nicht wirklich erheblich, aber doch schon bemerkbar, bei einigen Instrumenten auch sehr deutlich, bei anderen schon weniger, aber immer vorhanden. Auf der anderen Seite habe ich mit einer professionellen Sängerin (Professorin an der Universität) hier vor kurzem einen Liederabend gestaltet, bei dem aus „gebäudetechnischen“ Gründen auf ein Digitalpiano zurückgegriffen werden musste - und das war nicht wirklich ein Problem, wenn der Klavierklang nicht im Vordergrund steht.

Das zweite Problem ist die Stromversorgung. Wir hatten nach einigen Wochen in unserer alten Wohnung aufgrund des Pianos einen Kurzschluss, woraufhin das Klavier erst einmal für einige Wochen stumm blieb, nicht etwa weil es grundsätzlich unbrauchbar war, sondern weil der einzige (!) für Norddeutschland zuständige Reparateur (Elektroniker, nicht Musiker) für diese Instrumente aus begreiflichen Gründen nicht sofort Zeit für uns hatte. Hier muss man sich unbedingt nach Alternativen erkundigen!

Mit diesem Umstand hängt auch ein anderes Problem zusammen, das Wolfgang zwar angesprochen und auch prinzipiell richtig dargestellt hat, nämlich dass man ein E-Piano nicht stimmen muss. Das ist richtig, hat aber auch unter Umständen den Nebeneffekt, dass man das Klavier auch nicht stimmen kann , also im Fall eines Defekts alles austauschen muss.

Alles in allem würde ich aus heutiger Sicht immer noch ein digitales Klavier kaufen, auch weil es - im Falle eines Umzugs - einfacher zu tragen ist :smile: . Aber ich wollte zumindest auf erlebte Negativa aufmerksam machen.

Herzliche Grüße

Thomas

Hi Gandalf!

Bei einem echten Klavier hast Du den gesamten Korpus des Klaviers als
Klangkörper.
Wenn Du es aufnimmst und über Boxen Abspielst hast Du den Klang
eines digitalen Pianos. Denn nichts anderes gibt ein digitales piano wieder. Meistens wurden für die Produktion digitaler Pianos sehr gute
Pianos mit Aufwand „gesampelt“ bzw. Aufgenommen.
Willst Du also die künftigen Werke Deiner Kinder beispielsweise aufnehmen, wird die Aufnahme aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so gut, wie bei einem digitalen Piano.
Ich würde Dir ein P80 von Yamaha empfehlen.

Gruß

Richard

Hallo richard!

Eine Frage.

Willst Du also die künftigen Werke Deiner Kinder
beispielsweise aufnehmen, wird die Aufnahme aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht so gut, wie bei einem digitalen
Piano.

Kannst du das bitte erklären?

Gruß

Hallo,
ich würde ein Masterkeyboard (also ein Keyboard ohne eigene Klangerzeugung) mit gewichteten Tasten und Anschlagsdynamik empfehlen. Damit über MIDI einen Sampler ansteuern, dann habe ich Original-Klänge. Für gute Sampler gibt es auch gute Flügelsounds von den gebräuchlichsten Flügeln (Bechstein, Steinway, Boesendorfer etc.).
Das ist meiner Meinung nach die Ideallösung und dann sollte man natürlich den Stromkreis per FI-Schalter absichern und zusätzlich eine gesicherte Steckdosenleiste verwenden. Was soll dann noch schief gehen?

Gruß

Kater

Hi peet !

Die Tatsache dass Du Musikwissenschaftler bist macht mir zwar ein wenig Angst : ) aber ich versuchs mal-
Jeder der schon einmal versucht hat ein Klavier aufzunehmen hat sicher festgestellt, dass dies gan nicht so einfach ist. Um eine gut Aufnahme zu erhalten muss man sehr viele Bedingungen erfüllen, die einem Tontechniker geläufig sind, nicht aber einem Menschen, der einfach mal das Klavierspiel seiner Kinder auf Band haben möchte.

Bei einem Digitalen Piano, wird ja ( ich weiss jetzt nicht ob du das weisst oder nicht ) jede einzelne Taste mit x verschiedenen Aufnahmen
des gespielten Tones von einem echten Klavier belegt.
Je nach Anschlagintensität wird nun auf die dazugehörige Aufnahme zugegriffen, diese dann Lautsärkemäßig so angeglichen, dass sie der Anschlagstärke, die aus einem Raster von 0-128 eingelesen wurde entspricht und dann abgespielt. Gute E-Pianos erkennen sogar gespielte Akkorde und haben dazu einen entsprechende Aufnahmepool. Was besser ist, da bei Akkorden ja die Seiten des Pianos untereinander resonieren oder obertöne bilden. Das P80 macht das z.b.
Beim Spielen eines E-pianos spielt man also im Grunde eine Kette von Aufnahmen einzelter Töne oder Akkorde aus einem mehr oder weniger großen Pool von Aufnahmen ab.
Der Punkt ist, dass diese Aufnahmen im Zweifelsfall immer besser sind und von einem besseren Klavier aufgenommen wurden, als die, die man
zu Hause selber macht.

Ich hoffe Du wusstest das nicht schon vorher und willst mir nur entschieden wiedersprechen ; )

Gruß

Richard

Hallo richard!

Nett schreibst du! :smile:

Zur Sache! *g*

Es kommt darauf an, was wir aufnehmen wollen. Wenn wir den Sound aufnehmen, dann haben wir in unserem Fall die Wahl zwischen der digitalen Aufnahme direkt vom digitalen Klavier und der analogen Aufnahme vom echten Klavier. In dem Fall klingt das digitale Instrument besser und der Aufwand ist gering - eigentlich nur der Verbindungskabel zum PC oder zu dem digitalen Aufnahmegerät. Und dann hast du Recht.

Wenn wir das Spiel eines Kindes aufnehmen wollen, dann haben wir alles umgekehrt. Möglichkeiten, den unverfälschten Anschlag, die genaue Wiedergabe der Lautstärke, der Nuancen, sowei sie überhaupt vorhanden sind, - also alles Individuelles aufzunehmen sind dann im digitalen Fall geringer als im analogen Fall. Auch zu Hause ist der Aufwand dann größer - man braucht ein gutes Mikrofon. Im Studio - sowieso. Und trotzdem wenn es um das Individuelle geht, würde ich eine analoge Aufnahme bevorziehen.

Nur mit viel Erfahrung kann man auf einem digitalen Instrument so nuanciert spielen, daß es dem Spiel auf nem echten Klavier sich ähnelt. Aus Erfahrung kann ich das behaupten: Jahre lang mache ich z.B. für Gesangsschüler oder fürs Theaterarbeiten Playbackaufnahmen zum Einstudieren für die Arbeit zu Hause oder unterwegs. Eine digitale Aufnahme klngt viel schöner als Sound, solange ich den Weg zum Studio vermeide. Eine analoge Aufnahme gibt meine Intention wieder besser, auch wenn sie zu Hause gemacht wurde.
Ich gebe also dir Recht, es klingt schöner, nur wo ist dann der Beitrag des Kindes, frage ich mich. Verstehst du diese Logik?

Liebe Grüße

Ich gebe also dir Recht, es klingt schöner, nur wo ist dann
der Beitrag des Kindes, frage ich mich. Verstehst du diese
Logik?

ich glaube ja : )

Letztlich handelt es sich bei einer digitalen Pianoaufnahme gleichsam um eine interpolierte polierte Skulptur auf der keine feinen Kratzer und individuelle Spuren seines Erstellers mehr zu sehen sind.
Für einen Puristen fehlt da sie Seele.
Wenn es nur um die Komposition geht ist die entstandene Skulptur ein gutes Vorbild zum Interpretieren.

Gruß

Richard

Hi Klavierspieler,

vielen Dank für die Anmerkungen und Ratschläge.

Dann werd ich mir mal einen Kundigen krallen und mit dem in ein nahegelegenes Klavierstudio gehen.

Gandalf