Nachdem ich in google einen thread aus diesem Forum mit (für mich seltsamen ) Anweisungen über dieses Thema fand, möchte ich gerne ein wenig Fachwissen vermitteln.
Was Sie bedenken sollten…
Ein Fachmann mit Ausbildung und Erfahrung ist der einzige kompetente Ansprechpartner. Klavierspieler, Pianisten und Lehrer sind nur bedingt geeignet, da sie zwar die Spielbarkeit des Instruments testen können, jedoch nicht den Zustand….
Ein Klavierstimmer/bauer der für etwa € 50.- den Zustand beurteit ist eine lohnenswerte Investition.
Wenn Sie das absolute Schnäppchen machen wollen, vergessen Sie nicht
John Ruskin zu lesen, das Orginalzitat findet sich am Ende dieses Ratgebers.
Zur Sache: In meiner über 30-jährigen Erfahrung als Einzelhändler – Klavierstimmer – Musiker habe ich Erfahrungen über Zustand, Reparaturen und über die Lebenserwartung der Instrumente machen dürfen.
Das Alter eines Instruments spielt eine geringere Rolle als sein Zustand.
Wie kann man den Zustand feststellen?
Die wichtigsten Komponenten:
Stimmwirbel, Saiten, Mechanik, Filze, Klangkörper, Klaviatur, Gussrahmen.
Von den Stimmwirbeln und den Saiten ist die Stimmhaltung des Instruments abhängig.
Wenn es ausgetrocknet wurde (siehe das Holz und seine Alterung) kann es die Stimmung nicht mehr halten.
Basssaiten können taub werden oder rasseln, wenn die Kupferumspinnung des Kerndrahtes lose wird. (siehe die Drahtkommode und Ihre Saiten)
Tipp: Fragen Sie, wann das Instrument zuletzt gestimmt wurde – gab es Probleme?
Die Mechanik besteht aus tausenden Teilen.
„Es gehen noch alle Tasten“ ist eine nichts sagende Feststellung.
Repetition, Auslösung, Tastenspiel, Fänger etc. sind Fachwörter die auch nur von Fachleuten beurteilt und eingestellt werden können. Vertrauen sie diesen!
Tipp: Fragen Sie wann das Instrument zuletzt reguliert und gewartet wurde
Die Filze:
Die Hämmer schlagen gegen die Saiten – Filz gegen Metall – da hat Filz die schlechteren Karten – es bilden sich Rillen in den Hämmern bzw. die Hämmer werden abgespielt.
Jedes Instrument hat diese Spuren – manche sind marginal – andere irreparabel.
Die Dämpferfilze sollten parallel und gleichzeitig bei Pedal-betätigung abheben, sie sollten auch beim Aufsetzen keine außergewöhnlichen Geräusche machen bzw. die Saiten natürlich auch wieder dämpfen.
Tipp: Schauen Sie von oben auf die Hämmer oder lassen Sie sich Fotos schicken – sind dort starke Rillen? Alternativ: wenn Sie am Instrument sind, fahren Sie vorsichtig mit dem Finger die Vorderseite des Hammers entlang – sind dort Buckel oder flache Stellen?
Der Klangkörper besteht im Wesentlichen aus dem Resonanzboden und den Stegen.
Diese Teile sollten rissfrei sein.
Aber auch hier gilt: Es gibt marginale Risse, die das Klangverhalten nicht beeinträchtigen – andere, die das Instrument unbrauchbar machen.
Tipp: Fragen Sie nach der Pflege im Winter (Luftbefeuchter o.ä.) – stand das Instrument auf einer Fußbodenheizung? – Hat der Resonanzboden Risse?
Die Klaviatur war früher Elfenbein – oft bereits mit Kunststoff neu belegt. Sie sollte eben sein, Die Tasten haben alle ein geringes Spiel auf Ihren Lagern, den Tastenstiften.
Wenn das Spiel zu viel wird, die Garnierungen ausgespielt sind, fühlt sich die Klaviatur unpräzise oder schwammig an bis hin zu Klappergeräuschen.
Tipp: Fahren Sie mit dem Finger leicht über die (weissen) Tasten – ist dort - Berg und Tal - ? Fahren Sie mit dem Finger leicht über die Frontseite der Tasten – klappert es?
Der Gussrahmen ist das schwerste Teil im Instrument. Seine Aufgabe ist es den Saitenzug je nach Instrumentengröße und Bauart von 10 bis 15 Tonnen stabil zu halten.Sollte dieser einen Riss oder Sprung haben, liegt in den meisten Fällen ein Totalschaden vor.
Tipp: Prüfen Sie den Rahmen optisch – auch an den nicht so gut sichtbaren Stellen
Wenn Sie diesen Ratgeber bis hierher gelesen haben, werden Sie dadurch natürlich nicht zum Experten für gebrauchte Instrumente. Tatsächlich sind viele Gebrauchte in passablem Zustand. An dieser Stelle ist es wichtig, Ihre Bedürfnisse und Ihr Fachwissen klar zu erkennen. Wenn Sie nicht beurteilen können, ob das Instrument im Zustand für Sie das richtige ist, greifen Sie auf den Rat von Fachleuten zurück.
Um mit Bob Pierce zu sprechen, dem bekanntesten amerikanischen Pianosachverständigen:
„Der Rat eines Fachmanns kostet Sie weniger als die Instandsetzung eines defekten Instruments…“
Das Holz und seine Alterung:
Es gibt 100-jährige die sich bester Gesundheit erfreuen, während andere bereits nach kurzer Zeit hinüber sind. Woran liegt das?
Entscheidend für Klaviere und Flügel ist das Raumklima.
Die relative Luftfeuchte von ca. 50% ist entscheidend für das Holz des Instruments.
Da im Winter diese Luftfeuchte manchmal bis ca. 20% fällt, wird die Restfeuchte des Holzes entzogen – das Instrument wird ausgetrocknet.
Im Klartext heisst das:
Die Stimmhaltung, (Stimmstock und der Sitz der Stimmwirbel) der Resonanzboden, die Mechanik, die Stege leiden. Die Reparaturkosten in diesen Bereichen übersteigen oft den Wert
Die Drahtkommode und ihre Saiten:
Ein Klavier sollte mindestens einmal, besser jedoch zweimal pro Jahr gestimmt werden. Das ist abhängig vom Instrument selbst, der Aufstellung, von Temperatur- sowie Feuchtigkeitsschwankungen und natürlich von der Spielweise und Ihrer Häufigkeit.
Klaviere verstimmen sich - das liegt in der Natur der Sache. Es gibt ca 220 Saiten in einem Instrument, die zusammen einen Zug von 10 bis 15 Tonnen auf den Rahmen ausüben. Jede dieser Saiten muss gestimmt werden, wenn das Instrument länger nicht gestimmt wurde sogar mehrmals. Die Aufgabe eines Klavierstimmers ist es, nicht nur die richtige Tonhöhe zu erreichen, auch der Klang kann bei einem guten Instrument deutlich variiert werden.
Auch diese Saiten altern, sie werden steif, klingen müde, rosten und reissen. Man kann alles reparieren, so auch dieses. Wenn mal eine Saite reisst, ist das kein Todesurteil. Jedoch übersteigt der Preis für eine komplette Neubesaitung oft den Wert.
Zitat John Ruskin (englischer Sozialkritiker, 1819 - 1900)
„Es gibt kaum etwas auf der Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen kann und ein wenig billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Es ist unklug, zuviel zu bezahlen, aber es ist auch unklug, zuwenig zu bezahlen. Wenn Sie zuviel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zuwenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Wenn Sie dies tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres mehr zu bezahlen.“
Hinweis: Ich möchte hier nichts verkaufen - ich werde auch nicht ausnahmsweise den Wert eines Instruments schätzen, wenn ich es nicht persönlich besichtigt habe.