Klavierspiel: flache Hand oder von oben herab?

Hallo Leute,

ich hatte bisher 2 Klavierlehrer die in der Haltung der Hand unterschiedliche Ansichten hatten.

der eine hebt das Handgelenk über dem rest der Hand und die Finger bisschen gekrümmt. (das Handgelenk ist quasi der höchste Punkt). das ist wohl hier in Deutschland die meist gelehrte Stellung.
der andere hat das Handgelenkt unter dem Rest des Hand. (der höchste Punkt ist dann der Finger selber)
hm - sehr schwierig zu erklären… ich hoffe ihr versteht mich.
Wenn ich Profis beobachte stelle ich fest, dass auch die das unterschiedlich machen.

Was habt ihr gelernt, welche Vor und Nachteile habt ihr feststellen können.

cheers, silke

Hi Silke,

meine subjektive Meinung (spiele seit 21 Jahren und habe mein Studium durch 7 Jahre Klavierunterricht-geben finanziert):

Entscheidend ist, dass Du

  1. im Handgelenk maximale Bewegungsfreiheit nach rechts und links behältst, damit das Über-/Untersetzen auch bei schwierigen Griffen (große Intervalle oder Terzläufe) gut klappt
  2. Bewegungen und Kraft aus dem Oberarm (letztlich sogar aus dem Rücken) übertragen kannst, wenn Du sehr hohe oder tiefe Töne spielst bzw. sehr laut
  3. auch bei „anstrengenden“ Stücken (linke Hand Erlkönig z.B.) locker bleiben kannst.

Ich finde, das funktioniert am besten, wenn das Handgelenk gerade bleibt und die Finger leicht und locker gerundet sind. Dazu lass mal Deine Hand bei ausgestrecktem Unterarm nach unten fallen - mit locker gestreckten Fingern - und hebe jetzt die Hand nur im Handgelenk, bis Unterarm und Hand eine Linie bilden. Die Finger runden sich automatisch, und Du kommst in die Handhaltung, die ich als die angenehmste empfinde.

Natürlich musst Du entsprechend sitzen, also hoch genug, dass Du mit geradem Rücken und Ellenbogen im rechten Winkel die Hand wie beschrieben halten kannst.

Da beim intensiven Spielen allerdings nicht nur die Finger, sondern auch Arme, Handgelenk und Hand ständig in Bewegung sind, ist das nicht als „Dauerhaltung“ zu verstehen, sondern eher als eine Art Basis-Position, um die sich dann alles andere „dreht“. Man kann diese Haltung also auch nur beim „Ruhen“ gut beobachten, nicht beim Spielen. Logischerweise ist aus der „geraden“ Haltung heraus die Bewegungsfreiheit in alle Richtungen am größten.

Ich habe übrigens nicht in Deutschland gelernt, sondern in Österreich (Musikschule bzw. Konservatorium).

Viele Grüße
Katharina

Hi Katharina,

Entscheidend ist, dass Du

  1. im Handgelenk maximale Bewegungsfreiheit nach rechts und
    links behältst, damit das Über-/Untersetzen auch bei
    schwierigen Griffen (große Intervalle oder Terzläufe) gut
    klappt

klar - das ist aber bei beiden Haltungen möglich /notwendig
aber ich dachte eigenltich dass gerade bei großen Intervallen die flache Hand die Treffsicherheit verbessert. (weil die Hande ja eh schon sehr nah an den Tasten sind und sich sozusagen rantasten können)

  1. Bewegungen und Kraft aus dem Oberarm (letztlich sogar aus
    dem Rücken) übertragen kannst, wenn Du sehr hohe oder tiefe
    Töne spielst bzw. sehr laut

ja - bei der „falchen Hand“ (ich nenn das jetzt mal so) wird es so beigebracht, dass eben das Gewicht alleine aus der Erdanziehungskraft meiner Finger kommt. (sorry, ich hab echt ein Problem das in Worte zu fassen). Aber man drückt hier die Taste nicht sondern legt die Hand drauf. Je schwerer der Finger ist (das kann man ja schon beeinflussen)
desto lauter kommt der Ton. So ist das prinzip in etwa.
Was würdest du (oder auch noch andere) davon halten?

Ich finde, das funktioniert am besten, wenn das Handgelenk
gerade bleibt und die Finger leicht und locker gerundet sind.
Dazu lass mal Deine Hand bei ausgestrecktem Unterarm nach
unten fallen - mit locker gestreckten Fingern - und hebe jetzt
die Hand nur im Handgelenk, bis Unterarm und Hand eine Linie
bilden. Die Finger runden sich automatisch, und Du kommst in
die Handhaltung, die ich als die angenehmste empfinde.

Natürlich musst Du entsprechend sitzen, also hoch genug, dass
Du mit geradem Rücken und Ellenbogen im rechten Winkel die
Hand wie beschrieben halten kannst.

so habe ich es auch gelernt und mich jahrelang daran gehalten.

Logischerweise ist
aus der „geraden“ Haltung heraus die Bewegungsfreiheit in alle
Richtungen am größten.

nicht unbedingt, oder? die Bewegunsfreiheit ist bei der flachen Hand genauso gewährleistet (das A und O in beiden Fällen)

Ich sollte noch dazu sagen, dass bei der „flachen Hand“ die gesamte Hand weiter über die Tasten geht, als bei der geraden Hand. (von oben herab nannte ich es im Betreff :wink:)

Mich würde noch interessieren ob du die flache Hand auch gespielt hast und dich dann eben für die gerade Hand entschieden hast, oder ob du schon immer so spielst.
Ich will hier auch nicht fragen ob das eine richtig oder falsch ist. Ich denke das wird keiner sagen können.

Schöne Grüße, Silke

Hallo Silke,

also ich habs so gelernt, daß sich Unterarm, Handgelenk und Handrücken in der Horizontalen befinden sollen, also schön gerade.

Und auf Grund deines Postings habe ich mich jetzt mal ganz bewußt versucht zu beobachten und siehe da: ich halte mich sogar i.A. daran.
Es läuft eigentlich genau auf das hinaus, was Katharina schon geschrieben hat, die ganze Arbeit ist ein Zusammenspiel zwischen Rücken, Armen, Handgelenken und Fingern. Aber immer wieder kehren Arme und Hände in die beschriebene Ausgangsposition zurück. Hängt wohl tasächlich von der größtmöglichen Anzahl von Freiheitsgraden ab, die die Bewegungsorgane in dieser Position haben und die man damit wohl mehr oder weniger „automatisch“ anstrebt.

Allerdings kann ich mir schon vorstellen, daß man sich andere Haltungen angewöhnen kann und die mit der Zeit so automatisiert, daß sie für denjenigen die „natürliche“ Position darstellt.

Gruß und noch viel Spaß beim Klavier spielen
Roland

Pianistenkrankheiten - etwas off topic
Hi Silke,
vielleicht interessiert Dich in diesem Zusammenhang folgender Link:
http://www.pianomap.com/
in englisch, aber nicht schwer zu lesen…
LG,
Anja

Hi Orlando, danke für die Antwort.
So hab ichs urspünglich auch gelernt und mich auch immer dran gehalten (naja - irgendwann macht mans ja unbewusst)

Schade, es war bisher niemand dabei der zu der anderen Art was schreiben konnte.

greets, silke

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hi Silke,

so wie Du es jetzt schreibst, meinst Du wohl eher die Haltung der Finger als die des Handgelenks, oder? Also dass die Finger eher flach als rund gehalten werden?
Auch das kann man mit geradem Handgelenk machen, es ist aber definitiv nicht richtig, sich „einzuhaken“, d.h. dass die Finger flach sind und das Handgelenk tiefer liegt. Trotzdem finde ich die flache Haltung nicht so gut, siehe unten.

klar - das ist aber bei beiden Haltungen möglich /notwendig
aber ich dachte eigenltich dass gerade bei großen Intervallen
die flache Hand die Treffsicherheit verbessert. (weil die
Hande ja eh schon sehr nah an den Tasten sind und sich
sozusagen rantasten können)

Na, dann probier doch mal, mit der „flachen Hand“ gebundene Terzläufe zu spielen, also 1/3 - 2/4 - 1/3 - 2/4 - … und wieder zurück (mit den Zahlen sind die Finger gemeint). Da musst Du beim Aufwärtsspielen den Daumen untersetzen und den den Mittelfinger übersetzen, beim Abwärtsspielen umgekehrt. Das geht wirklich nur mit runden Fingern halbwegs, ist so schon schwer genug.

ja - bei der „falchen Hand“ (ich nenn das jetzt mal so) wird
es so beigebracht, dass eben das Gewicht alleine aus der
Erdanziehungskraft meiner Finger kommt. (sorry, ich hab echt
ein Problem das in Worte zu fassen). Aber man drückt hier die
Taste nicht sondern legt die Hand drauf. Je schwerer der
Finger ist (das kann man ja schon beeinflussen)
desto lauter kommt der Ton. So ist das prinzip in etwa.
Was würdest du (oder auch noch andere) davon halten?

Wenig - ich finde, Musik interpretieren hat so viel mit Emotionen zu tun - da muss ich meinen ganzen Körper einsetzen können!

Da stellt sich mir die Frage, ob die „flache Hand“ nicht möglicherweise aus der Zeit kommt, als es für Frauen unschicklich war, „mit vollen Körpereinsatz“ zu spielen. Dazu gibt es übrigens ein tolles Buch, „Instrument und Körper“ von Freia Hoffmann. Sie untersucht ausführlich, welche Instrumente für Frauen lange Zeit tabu waren und welche Körperhaltungen an den wenigen erlaubten Instrumenten eingenommen werden mussten.

nicht unbedingt, oder? die Bewegunsfreiheit ist bei der
flachen Hand genauso gewährleistet (das A und O in beiden
Fällen)

Ich sollte noch dazu sagen, dass bei der „flachen Hand“ die
gesamte Hand weiter über die Tasten geht, als bei der geraden
Hand. (von oben herab nannte ich es im Betreff :wink:)

Mich würde noch interessieren ob du die flache Hand auch
gespielt hast und dich dann eben für die gerade Hand
entschieden hast, oder ob du schon immer so spielst.

An meine „Anfänge“ erinnere ich mich leider kaum. Mir ist aber beim Unterrichten aufgefallen, dass meine Schüler zu Beginn alle zum Flachhalten der Finger neigten. Deswegen glaube ich, dass man dabei erstmal das Gefühl hat, die Tasten besser „fühlen“ und kontollieren zu können, wie Du es oben schreibst.

Das ist aber ein Trugschluss, denn das „Gefühl“ für die Tasten sitzt in den Fingerkuppen. Beim schnelleren Spielen vergreift man sich mit flachen Fingern sehr schnell, und man verkrampft. Mit der zunehmenden technischen Sicherheit sind meine Schüler dann alle von sich aus, d.h. mit minimaler Anleitung von mir, zur „runden“ Haltung übergegangen, weil sich viele Passagen anders nur unzureichend spielen ließen.

Ich halte nichts davon, die „runde“ Haltung von Anfang an zu erzwingen, solange noch keine technische Notwendigkeit da ist. Meiner Meinung nach ist es eine Haltung, die dem Schüler anfangs mehr Sicherheit gibt, und das ist okay so.

Es ist wirklich schwer zu beschreiben - am besten wäre wahrscheinlich ein sensibler Klavierlehrer, der Dich das an ausgewählten Stücken mal ausprobieren lässt.

Viele Grüße
Katharina