Kleines Tutorial der Familienforschung

Hallo Ihr alle. Ich habe mir mal kurz die Mühe gemacht und ein kleines Tutorial verfasst, wie man im Ahnenforschungsbereich zu Ergebnissen kommen kann.

How to…

Dies soll ein kleines How-To sein, das auf eine spezielle Situation in der Familienforschung ausgerichtet ist und Neueinsteigern Hilfe bieten soll.

Die fiktive Situation: Der Bruder meines Ururgroßvaters namens Wilhelm Huber ist in den 60ern des 19. Jahrhunderts aus Freiburg im Breisgau in die USA ausgewandert. Ich will wissen, wie es ihm erging und ob es lebende Nachfahren gibt. Wohin er genau wollte, weiß ich nicht. Und sonst weiß ich auch nichts, außer seinem Geburtsdatum: der 16. April 1835.

Wo fange ich an?
Zuerst einmal muss man sich vor Augen führen, dass zwischen Europa und den USA ein großer Teich liegt, den man zu damaligen Zeiten nur mit dem Schiff überqueren konnte. Demnach muss der Ururgroßonkel auf einem Schiff gewesen sein. Es gibt eine Seite im Internet, wo nun schon knapp 10.000 Passagierlisten von Schiffen verzeichnet sind, die Immigranten in die USA gebracht haben (http://www.immigrantships.net). Über die Suchfunktion finden wir sieben Einträge zu „Wilhelm Huber“. Drei dieser Einträge stammen von Schiffen, die zwischen 1855 und 1875 in Europa ausgelaufen sind. Wir finden auch schnell einen Wilhelm Huber, der passen könnte. Er war 1868 auf der SS Cella, die von Le Havre über London nach New York fuhr. Hinter seinem Namen steht das Alter von 31 Jahren und das Herkunftsland Baden. Wir übersehen die fehlenden zwei Jahre (Auswanderer haben sich oft jünger oder älter gemacht, als sie wirklich waren) und haben schon einen Anhaltspunkt, wohin es ihn gezogen haben könnte. Denn ebenfalls hinter seinem Eintrag steht als geplante neue Heimat „Ohio“. Auch sein Beruf ist uns nun bekannt: Taylor (Schneider).

Jetzt wissen wir schon mehr und können weiterarbeiten.
In den USA werden alle 10 Jahre Censuszählungen durchgeführt. So auch 1880. Der Census von 1880 ist der letzte, der im Netz frei zugänglich ist. Die Censuszählungen ab 1900 sind kostenpflichtig. Also gehen wir auf http://www.familysearch.org und geben dort im Reiter „Search“ unseren Wilhelm ein. Der Census von 1880 liefert viele Ergebnisse zu Wilhelm Huber. Über das ungefähre Alter können wir die Ergebnisse aber schnell auf zwei eingrenzen. Und siehe da - ein Eintrag stammt sogar aus Ohio und als Beruf ist Schneider angegeben. Dann machen wir doch mit diesem weiter.
Nun haben wir auch die Auflistung aller Personen, die mit Wilhelm im Haus leben: Seine Frau Rose und seine Kinder Alvin, Johann und Marie.

Nun stehen wir vor einem Problem: Wir bräuchten eigentlich Zugang zum Census von 1900, dieser ist aber sehr teuer. Wir lösen das einfach und stellen im Huber-Forum auf http://boards.rootsweb.com unsere Informationen ein und bitten US-Bürger, die Zugang zum Census haben, nachzusehen, wie dort die Informationslage ist. Wir warten ein bis zwei Wochen und bekommen dann die ersehnte Hilfe: Wilhelm lebt noch, ebenso seine Frau. Die Kinder haben inzwischen geheiratet und eigene „households“ gegründet, von denen wir jetzt auch wieder die Namen und die Geburtsdaten haben. Marie konnte nicht mehr gefunden werden, da sie durch die Heirat ihren Namen geändert hat und beim Census ihren Mädchennamen nicht angegeben hat.

Also machen wir bei Alvin und Johann weiter. Die beiden waren sehr aktiv und haben ingesamt 9 Kinder gezeugt. Weil es einfacher ist, den Namen in der männlichen Linie weiterzuverfolgen, konzentrieren wir uns auf die vier Jungs.
Wir bitten wiederum in den Messageboards um Hilfe, indem wir die Namen und Geburtsdaten aller Personen, die wir haben, mitteilen. Einen Monat später hat sich jemand gefunden, der in den Censuszählungen von 1910, 1920 und 1930 nachgeschaut hat.

Das Ergebnis lässt hoffen: Wir haben nun die Kinder von Alvin und Johannes aus dem Census von 1930, so wie wir auch die Namen deren Kinder haben.

Jetzt kommt Tante Gugel ins Spiel. In den USA ist es Sitte, statt einer üblichen Todesanzeige einen Nachruf (obituary) in die Zeitung zu setzen. Wir geben die Namen der Reihe nach ein und setzen dahinter das Wort „obituary“. Leider finden wir keine Ergebnisse. Ein Rückschlag, aber das macht nichts.
Wir sehen in unseren Ergebnissen nach, wo die Personen im Census von 1930 aufgenommen wurden, nämlich in Cincinnati (OH). Also suchen wir per Gugel nach Zeitungen in Cincinnati und werden fündig. Die main newspaper in Cinci ist der Cincinnati Enquirer.
In dessen Archiv finden wir den Nachruf auf eine der gesuchten Personen aus dem Jahr 1996 inklusive der Traueranschrift und der Namen der Hinterbliebenen.
Alles weitere ist einfach.

So oder so ähnlich kann eine Suche verlaufen.
Ich wollte hier die Methodik vorstellen, die man anwenden kann, um ein solches Problem zu lösen. Ich selbst habe auf diese Weise die Nachfahrin eines Bruders meines Urururgroßvaters gefunden, in deren Nachruf allerdings unüblicherweise keine Traueranschrift verzeichnet war. Hier war ich dann auch in einer Sackgasse angelangt, denn über hochbetagte Damen, die 1999 gestorben sind, findet sich kaum etwas bis nichts über Google.

Einige Dinge noch, die wichtig sind zu wissen:
*Geburtsdaten sind Schall und Rauch. Mein Urururgroßonkel ist laut hiesigem Kirchenbuch am 26. Februar 1835 geboren. Im Census von 1880 ist sein Alter mit 39 Jahren angegeben. Er ist aber definitiv der richtige, da sein Bruder und seine Frau sowie sein Kind, die mit ihm ausgewandert sind, ebenfalls noch im Haushalt verzeichnet sind.
*Die Messageboars auf rootsweb sind sehr hilfreich, gerade wenn es um Census-Anfragen geht. Die Dauer darf hierbei nicht abschrecken, denn in manchen Boards ist relativ wenig Betrieb und es kann durchaus Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis jemand hineinschaut, der zahlender ancestry.com-Kunde ist. Dann braucht man sich aber keine Gedanken darüber zu machen, ob man die Person ausnutzt - HIlfe wird dort sehr gerne erbracht.
*Die Suche nach Nachnamen gestaltet sich oft als schwierig, gerade in den Passagierlisten auf immigrantships.net finden sich oft amerikanisierte Schreibweisen der ehemals deutschen Namen. So kann aus einem Wilhelm Huber schnell ein William Hoober werden. Aus Bachmann kann Bachman oder Backman oder Baughman werden. Hier lohnt es sich, verschiedene Schreibweisen durchzuprobieren und - wo möglich - die phonetische Suche zu nutzen.

Grüße
Sarah