Klinik‑Gerede oder Vertrauensaufbau?

War es in Ordnung von mir so zu antworten?

Ich habe noch lockeren Kontakt zu einem Bekannten aus einer Tagesklinik (Schwerpunkte: Psychosomatik, Psychotherapie, Psychiatrie). Er fragte, ob ich in nächster Zeit Urlaub oder Pläne habe. Ich erzählte, dass ich mit meiner Mutter unterwegs war und dass ich bald mit Soziotherapie beginne, warte aber noch auf meinen Termin beim Psychiater.

Meine Frage:

War es zu viel, diese persönlichen Dinge in diesem lockeren, unverbindlichen Kontakt zu teilen? Oder ist das noch normale Bekanntschafts‑Info? Er sagt nämlich: Danke für deine Offenheit! Ich mag unseren lockeren Kontakt, aber mir ist wichtig, dass wir nicht zu schnell in persönliche Details gehen. Ich wollte mit dir einen Freundschaftlichen Kontakt halten. Können drüber reden wenn du willst meintest ja auch mal selbst, dass du lockeren Kontakt bevorzugst, dass du ausgelastet bist und es schwierig sei mit deinen Freunden.

Ich schreibe; Ich war doch nicht zu persönlich! In der Klinik war das doch völlig normal, sowas zu teilen – Urlaub, Termine, wie’s einem geht. Für mich gehört das einfach dazu, wenn man ehrlich reden will. Ich versteh nicht, warum das jetzt plötzlich zu viel sein soll.

Dann schreibt er drauf: Das ist für mich eine Grenze zwischen Klinik-Alltag und persönlichem Kontakt draußen. Ich will gerne mit dir befreundet sein, aber mir ist wichtig, dass wir das langsam angehen. Im Moment habe ich wenig Kapazitäten – wir können bei Gelegenheit in Ruhe darüber reden. LG

Weiß jetzt echt nicht, denkt er etwa dass das echte Freundschaft war oder was?

Hi Benome!

Wir kennen euch nicht und wissen nicht, welche Vorstellung ihr beide habt, wenn von „lockerem, unverbindlichen Kontakt“ gesprochen wird. Darunter kann jeder etwas anderes verstehen - wie man an eurem Beispiel erkennt.

Dass du etwas über Soziotherapie erzählst, wenn du diesen Menschen aus einer Klinik kennst, dann ist das in meinen Augen nicht zu persönlich - denn ihr beide wisst von euren psychischen Erkrankungen, weil ihr beide in dieser Klinik war. Inwiefern soll das jetzt zu persönlich gewesen sein?
Aber das ist meine Meinung, seine Meinung kann ja ganz anders sein.

Außerdem: Dass er dich hier darüber belehrt, welche persönlichen Details du ihm erzählen darfst in einem lockeren Kontakt und welche nicht, muss gar nichts mit dem Inhalt zu tun haben; vielleicht geht es ihm darum, hier die Oberhand in der Kommunikation zu behalten, indem er dich zurechtweist und die Kontrolle über das Gesagte übernimmt.

Wenn dies seine Grenze ist, dann ist es an ihm, dir die Grenze zu erklären. Das geht in meinen Augen aber auch empathischer, ohne diesen Belehrungscharakter. Und genau deswegen, weil er dir bereits an dieser Stelle das Gefühl gibt, dass du etwas falsch machst, glaube ich, dass dir dieser Kontakt nicht gut tut.

Du wünscht dir eine Kommunikation auf Augenhöhe, mit jemandem, der dir empathisch begegnet.
Wenn du ihm also wieder begegnest, dann beobachte, wie er mir dir umgeht, ob er dir wieder mit Belehrungen kommt und ob er hier die Kontrolle über die Kommunikation an sich reißt.
Und dann entscheide, ob du das willst oder nicht.

Alles Gute!

Diva

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Ihr habt Euch in einem sehr speziellen Kontext kennengelernt. Ein Kontext, in dem Menschen aufeinandertreffen, die konkrete Probleme haben. Und die Dir gegebene Antwort würde ich im Zusammenhang mit genau diesen Problemen sehen. Dein Gegenüber kann offenbar nicht so unbefangen wie Du mit anderen Menschen umgehen, ist sehr um Abgrenzung bemüht, versucht vielleicht auch die ganze eigene Krankheits- und Klinikerfahrung zu verdrängen/damit abzuschließen und wieder ins „normale Leben“ zu kommen, und da „störst“ Du bzw. deine Offenheit dann?

Zudem klingen die ganzen Formulierungen für mich ohnehin mehr nach einem durch die Blume vermittelten „kein Interesse“.

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Um mal mit einer Antwort auf deine Eingangsfrage anzufangen:
War es in Ordnung, so zu antworten? Ja.
Die nicht gestellte Frage: War es in Ordnung, dass er so geantwortet hat, wie er geantwortet hat: auch Ja.
Ich finde das nicht nur in Ordnung, sondern finde, dass ihr beide das bis hierhin völlig gut gemacht habt in der Kommunikation.

Wenn zwei Menschen sich kennenlernen in einem bestimmten Zusammenhang - das kann auf der Arbeit sein oder hier im Rahmen einer Gesundheitseinrichtung - lernen sie sich unter bestimmten Rahmenbedingungen kennen. Wenn man den Kontakt dann von dort in eine anderen Zusammenhang bringen will, hier ins Privatleben, bedeutet das immer Anpassung und man muss sich neu finden. Das wäre zum Beispiel auch der Fall, wenn man jemanden privat kennengelernt hat und macht auch beruflich zusammen weiter und der Eine ist Vorgesetzter vom Anderen.

Bei manchen klappt so ein Wechsel völlig geschmeidig, bei anderen entstehen Irritationen. Manche bekommen dann hin, darüber zu kommunizieren, andere lassen die Irritationen einfach stehen und lassen sie gären, es kommt zu Unfrieden, ein Kontakt scheitert unter Umständen auf beiden Ebenen. Von daher finde ich klasse, dass ihr euch austauschen könnt.

Du erwähnst das Stichwort Grenze. Genau darum geht es. Es sind zwei Grenzen, die eine Rolle spielen. Du hast eine Grenze, wenn es darum geht, welche Informationen du wem (1), wann (2), in welchem Zusammenhang (3) offenbarst. Für dich ist diese Grenze bezüglich aller Faktoren 1-3 hier eingehalten und alles fein. Dein Gegenüber hat aber auch eine Grenze, die überschritten oder zumindest tangiert wird, wenn auf seiner Seite diese Faktoren oder einer davon nicht eingehalten wird.

Was wohl auch noch eine Rolle spielen dürfte, dass Ihr ja beide psychisch nicht gesund seit und auf euch besonders aufpassen müsst. Das Einhalten solcher Grenzen ist also besonders wichtig, weil eine Grenzverletzung unter Umständen größere Auswirkungen hat, als bei Menschen, die solche Probleme gerade nicht haben. Darüber muss man / sollte man reden. Das tut ihr und von daher finde ich das eigentlich alles gut.

Es ist sicherlich sinnvoll, das zu tun, was er vorgeschlagen hat: In Ruhe noch einmal zu besprechen, was jeder für Erwartungen hat, wie sich die Bekanntschaft weiterentwickelt. Es ist zum Beispiel denkbar, dass der Eine gerade möchte, dass der gesundheitliche Kontext auch in der Bekanntschaft eine Rolle spielt, ein anderer möchte das gerade eher nicht. Der Eine sucht eher jemanden, mit dem er reden kann, der andere sucht einen Freizeitpartner für Sport oder Kinobesuche.

Redet in Ruhe darüber. Das ist schon OK so.

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Ein Komma. Dann: Ein Wort. Ein Satzzeichen. 4 Buchstaben. Damit ist allles gesagt!

Tut mir für dich sehr leid!

Wow… danke dir für deine Antwort. Wirklich stark, das hat bei mir sehr positiv gewirkt. Respekt! LG

Danke für deine Antwort! Es tut gut, deine Worte zu lesen. Ich werde auf jeden Fall weiter gut auf mich achten und werde schauen, was sich daraus ergibt. LG

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Danke für deine Antwort! Ich verstehe das mit dem fehlenden Interesse kann ich nachvollziehen! Ich warte ab, was sich entwickelt, und lasse es ruhig auf mich zukommen. Ein anderer würde es vielleicht einfach annehmen ohne Drama und mir sogar zeigen, dass ich jederzeit darüber reden kann, oder auch nicht. LG

Alles gut, aber ehrlich gesagt haben mich deine Antworten hier am wenigsten angesprochen.. Trotzdem danke dir für deine Mühe. LG