Hallo,
es kam doch schon öfter die Frage nach klösterlichen Essgewohnheiten. Auf der Internetseite von der WDR Sendung „Servicezeit“ gibt es zZ (22.08.05) eine kurze Information mit Buchtipps. Da die Seite bestimmt bald wieder gelöscht wird hier ein Textauszug:
Oliver
Kutte und Kochlöffel – Kulinarisches aus Klöstern
Von Ulrike Jamann
Eigentlich sind Klöster für die geistige Vorbereitung auf das Himmelreich zuständig. Doch das hat ihre Bewohner nie daran gehindert, sich auch irdischen Genüssen zu widmen und vielerlei Köstlichkeiten nach alten Rezepten herzustellen. Essen und Trinken hält ja bekanntlich Leib und Seele zusammen. Wie viele andere vertreibt die Abtei Königsmünster im Sauerland selbst hergestellte Lebensmittel im eigenen Klosterladen. Wegen ihrer Reinheit und ihrer Naturnähe genießen die Käse-, Wurst- und Brotspezialitäten aus dem Kloster einen besonders guten Ruf.
Himmlische Spezialitäten
„Tu deinem Körper etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Die Worte der Klostergründerin Teresa von Avila entfalteten schon im Mittelalter ihre Wirkung. Wurst, Wein und andere Spezialitäten; Rechte WDR (TV-Bild)Für die Klosterbewohner bedeuteten sie: ein strikt geordneter Tagesablauf, Gebet, innere Einkehr einerseits und stärkende Mahlzeiten andererseits. Nicht zuletzt aufgrund dieser Philosophie verdanken wir den Ordensleuten eine ganze Reihe himmlischer Spezialitäten wie etwa Wein, Brezeln und Krapfen. Nicht zu vergessen die zahlreichen Kräuterliköre und Starkbier. Denn auch die doch sehr irdischen Künste des Destillierens und des Bierbrauens gehen auf die Experimentierfreudigkeit der Mönche zurück. Immerhin galt das Starkbier als Fastengetränk (Fastenbier), das den Mönchen in der Fastenzeit die notwendige Energie für schwere körperliche Arbeit zuführte. Frei nach der Philosophie: „liquida non frangunt ieuneum“ („Flüssiges bricht das Fasten nicht“).
Pioniergeist hinter Klostermauern
Doch warum eigentlich konnte sich hinter den Klostermauern eine besondere Esskultur entwickeln? Seit der Entstehung der Klöster im frühen Mittelalter waren sie als eigenständige Zellen organisiert. Sie verfügten schon damals über eigene Kräuter- und Gemüsegärten und teils riesige Ländereien, mitunter auch Weinberge oder sogar eine Brauerei. All das trug dazu bei, dass sich die Klosterbewohner über Jahrhunderte selbst verpflegen und auch noch die Armen unterstützen konnten. Da Gastfreundschaft für sie ein ungeschriebenes Gesetz war, nahmen sie auch viele Pilger auf und entwickelten sich zu Europas ersten großen Herbergen.
Durch die Pilger bekamen die Mönche und Nonnen allerlei Anregungen in Sachen Kräuter und Gewürze, Weinanbau, Viehzucht, Imkerei und Ackerbau. Sie verbesserten ihre Verfahren und hielten ihre Erkenntnisse schriftlich fest. Die Verdienste der Klöster um die wirtschaftliche Entwicklung Europas sind nicht zu unterschätzen. Die Klöster waren nicht nur wichtig für die Erhaltung und Ausbreitung der Schriftkultur, sie prägten auch manche Landstriche nachhaltig – etwa durch ihren Weinanbau. Dabei waren die Ordensleute dafür verantwortlich, das ihnen anvertraute Land für die künftigen Klostergenerationen zu bewahren, was ein nachhaltiges Wirtschaften begünstigte.
Ordenregel „ora et labora“
Bis heute sind viele Klöster finanziell unabhängig. Sie erhalten keine Zuschüsse von der Kirche und müssen für ihren Erhalt selbst sorgen. So hat sich der Vertrieb handwerklicher und kulinarischer Produkte als eine Möglichkeit erwiesen, wirtschaftlich zu überleben. Das geschieht ganz im Sinne des heiligen Benedikt und seiner berühmten Ordensregel „ora et labora“. Die besagt, dass neben Kontemplation und Gebet auch die Arbeit ihren festen Platz im Ordensalltag haben sollte. Landwirtschaftliche und handwerkliche Tätigkeiten waren und sind für die Benediktiner selbstverständlich. Das gilt auch für die Mönche in der Abtei Königsmünster im sauerländischen Meschede.
„Made im Kloster“
Bauernmönch bei der Arbeit; Rechte WDR (TV-Bild)Neben verschiedenen Werkstätten wie der Handweberei und Tischlerei gibt es in der Abtei Königsmünster auch eine eigene Mosterei, in der jährlich etwa 40.000 Liter Apfelsaft produziert werden. Außerdem gehört zur Abtei eine eigene Landwirtschaft mit 21 Hektar Grünfläche und 115 Hektar Forstfläche. Geleitet wird sie von Pater Reinald. Er ist Mönch, Theologe und Landwirtschaftsmeister in einem. Er hält Fleisch- und Milchvieh sowie Hühner für den Lebensmittelbedarf der Mönche, ein Teil der Tiere wird auch zum Verkauf angeboten. Der Ordensbruder legt größten Wert auf artgerechte Tierhaltung und natürliches, rein pflanzliches Futter.
Pater Reinald hält es mit den Regeln des heiligen Benedikt und erläutert: „Der heilige Benedikt war mit Sicherheit kein Kostverächter, aber was er meinte, war, dass es dabei mit Maß zugehen sollte und dass wir im Einklang mit der Natur wirtschaften. Immerhin sind wir ja auch auf die Tiere, die Flora und Fauna angewiesen und sollten entsprechend nachhaltig damit umgehen.“
Die Kühe danken es ihm und liefern Milch, die besonders reich an Fett und Eiweiß ist. Nach dem Prinzip der kurzen Wege wird die frische, unbehandelte Milch in der klostereigenen Käserei zu Rohmilchkäse verarbeitet, beispielsweise pikant angemacht mit verschiedenen frischen Kräutern und Gewürzen aus dem Klostergarten.
Bruder Ulrichs Wurstspezialitäten
Nur wenige Meter von der Käserei entfernt arbeitet Bruder Ulrich seit nunmehr 47 Jahren in seiner kleinen Klostermetzgerei. Er verarbeitet das Fleisch von Bruder Reinalds Tieren, mitunter auch das von Höfen aus der Umgebung. Die Philosophie von Bruder Ulrich ist ganz einfach: Seine Würste sollen schmecken, Farbe und Konsistenz müssen stimmen. Bei der Herstellung verzichtet er auf jegliche Geschmacksverstärker oder Haltbarkeitszusätze.
Interessant zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass die Regeln des heiligen Benedikt hinsichtlich des Fleischverzehrs ursprünglich sehr restriktiv waren. Eigentlich sollten nur Schwache und Kranke Fleisch zur Stärkung essen dürfen. Aber schließlich gab es immer auch großzügige Interpretationen, nicht zuletzt, um der ständigen Überbelegung der Klosterlazarette mit vermeintlich „Kranken“ entgegenzuwirken. Und weil Fleisch wertvoll war, wurden auch die Fleischreste sorgfältig weiterverwertet. Ein besonders schmackhaftes Produkt dieser Weiterverwertung gelang im 9. Jahrhundert in Mittelitalien: Hier wurde die Mortadella, die Mutter aller Würste, erfunden.
Kulinarisches aus dem Klosterladen
Die Qualität der Produkte aus der Klosterküche Königsmünster hat sich herumgesprochen. Nicht nur die Mönche profitieren davon. Eine Kostprobe gibt es für jeden, der samstags den Weg in den Klosterladen der Abtei findet. Bruder Ulrich steht sogar höchstpersönlich im Laden, um seine Würste anzubieten.
Ob nun Hausmacherwurst, Frischkäse, Klosterbrote, Apfelmost oder selbst gemachte Aufstriche – der regelmäßig große Andrang im kleinen Klosterladen macht nur allzu deutlich: Die Produkte genießen den Klosterbonus und damit besonderes Vertrauen. Die Kunden wissen, woher die Produkte stammen und schätzen die Produktionsweise. Nicht zuletzt ist ein Besuch im Klosterladen auch immer eine Gelegenheit, persönliche Bekanntschaft mit den Mönchen zu machen. Und manchmal scheint es bei dem Genuss der Klosterspezialitäten fast, als ließe sich noch ein bisschen heile Welt kosten …
Link:
http://www.koenigsmuenster.de
Informationen über die Abtei Königsmünster in Meschede (Geschichtliches, Beschreibung der Werkstätten, Öffnungszeiten des Klosterladens, Anfahrtsbeschreibung)
Literaturhinweise:
* Bettina Weiguny
Das Beste aus dem Klosterladen
Herder, 2003
ISBN 3451054159 Buch anschauen
Preis: 9,90 Euro
* Norman Foster
Schlemmen hinter Klostermauern
Die unbekannten Quellen europäischer Kochkunst
Mit 111 Rezepten aus der Klosterküche
Komet, 2000
ISBN 3898361594 Buch anschauen
Preis: 15,95 Euro
* Margathe Dorfer, Erich Lerch
Köstlichkeiten aus der Klosterküche
Tosa, 2002
ISBN 3854926774 Buch anschauen
Preis: 5,95 Euro
* Gabriela Herpell, Peter Seewald
Die Küche der Mönche
Heyne, 2003
ISBN 3453872711 Buch anschauen
Preis: 12 Euro
* Pater Anselm Bilgri, Peter Köhler, Birgit Adam
Geheimnisse der Klosterbrauerei
Sankt Ulrich, 1998
ISBN 3929246295 Buch anschauen
Preis: 21 Euro
(Der Band ist vergriffen, gebraucht aber bei verschiedenen Internetbuchhändlern zu bekommen.)