Knebelvertrag ?

Liebe/-r Experte/-in,
folgende Problemsituation einer ZMA, welche innerhalb dieses Zeitraumes der Arbeitgeber wechseln möchte, da das betriebliche Klima für sie nicht mehr zumutbar ist.
Ist diese Vereinbarung nicht als Knebelvertrag zu sehen?

Vereinbarung über eine Rückerstattung von Fortbildungskosten

zwischen Zahnarzt : Dr. xxxxxx …

und

Frau xxxxxxx

Die Vetragsparteien vereinbaren folgende Fortbildungskostenrückerstattung

  1. Der Arbeitnehmer wird von 02.04.12 - 04.04.12 an der Fortildung …in Stuttgart teilnehmen.

  2. Der Arbeitgeber gewährt diese Fortbildung in dem Vertrauen, dass der Arbeitnehmer sie mit dem Willen in Anspruch
    nimmt, seine dadurch erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten weiter in den Dienst des Arbeitgebers zu stellen.
    Der Arbeitnehmer verpflichtet sich deshalb, nach Beendigung des Fortbildungslehrganges weitere 12 Monate
    für den Arbeitgeber tätig zu sein.

  3. Der Arbeitgeber übernimmt die vollen Lehrganskosten für die Fortbildung in Höhe von 450Euro+Fahrtkosten.

  4. Kündigt der Arbeitnehmer das bestehende Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in Nr. 2 genannten Zeit nach Beendigung
    des Fortbildungslehrganges oder vor seiner Beendigung , ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt, oder kündigt
    innerhalb dieses Zeitraumes der Arbeitgeber aus wichtigem Grund, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet,
    die in Nr. 3 genannten Lehrgangskosten zurück zuzahlen, und zwar bei einer Kündigung

a vor Ablauf von 6 Monaten nach Beendigung des Lehrganges zu 100%

b vor Ablauf von 6 Monaten jedoch vor Ablauf von 12 Monaten 50%

  1. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter den in Nr. 4 genannten Umständen wird der gesamte Rückzahlungs-
    betrag sofort zur Zahlung fällig und von dem restlichen Lohn in Abzug gebracht.

Esslingen 12.03.12

Herzlichen Dank für Eure Hilfe in Voraus
Mit freundlichen Grüßen
Steve-Nobby

Hallo, es ist nicht ungewöhnlich, dass Fortbildungskosten beim AG zurückerstattet werden müssen wenn das Arbeitsverhältnis in einer vertraglich bestimmten Frist beendet wird. Bei diesem Vertrag stellt sich die Frage was ein „wichtiger Grund“ ist, war die FB freiwillig oder angeordnet, gibt es Regelungen im Arbeitsvertrag? Ich würde empfehlen eine Rechtsberatung bei der zuständigen Gewerkschaft oder bei einem Anwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen. Arbeitsrecht ist Richterrecht, dh. aktuelle Gerichtsurteile spielen bei der Bewertung einer Streitigkeit eine entscheidende Rolle, Gruß Malook

Um einen „Knebelvertrag“ handelt es sich nicht. Solche Bindungsklauseln sind grundsätzlich durchaus üblich.

Die Rechtswirksamkeit ist jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig:
1.) Es muss sich um eine allgemein qualifizierende Massnahme handeln. Bildungsmassnahme die unmittelbar und überwiegend der Ausübung der Tätigkeit beim Arbeitgeber dienen, können nicht mit einer Rückzahlungsklausel belegt werden.

2.) Die Bindungsdauer muss in Bezug auf die Dauer und/oder die Kosten der Bildungsmassnahme angemessen sein.
Bei dem genannten Preis hat es sich vermutlich um ein Tagesseminar gehandelt. Eine Bindung von einem Jahr halte ich für deutlich überzogen und daher unwirksam.

Die Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass Ihr Arbeitgeber die Summe einbehalten wird und Sie sich das Geld zurückholen muessen, was Sie nur auf anwaltlichem Wege erreichen können, es sei denn Ihr Arbeitgeber ist mit Ihnen schon jetzt zu einer Einigung bereit.
Oft verwenden Arbeitgeber solche Klauseln rein als „abschreckende Massnahme“

Gruss

WG

Hallo Steve-Nobby,
dieser Vertrag ist schlicht unanständig!
Dazu in aller Kürze das BAG:
Eine Rückzahlungsklausel auch für den Fall einer (betriebsbedingten oder anderen) Kündigung durch den Arbeitgeber, für die der Arbeitnehmer keine Ursache gesetzt hat, ist nicht zulässig. Es liegt dann nicht am Arbeitnehmer, dass sich die Bildungsinvestition des Arbeitgebers nicht amortisiert. Es muss in der Rückzahlungsklausel ausdrücklich formuliert sein, dass die Rückzahlungspflicht nur gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer selbst oder wegen eines von ihm zu vertretenden Grundes beendet wird. Wird die Rückzahlungspflicht unterschiedslos für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, ist eine solche Rückzahlungsklausel, weil zu weitgehend, unwirksam.
Hinzu kommt, dass aus der Rechtsprechung zusammenfassend sich folgende Orientierungspunkte ergeben (nicht abschließend):
Dauer der Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme bis zu 1 Monat ist eine zulässige Bindungsdauer bis zu 6 Monaten gegeben.
Es setzt sich gestaffelt nach oben hin fort.
Um z. B. eine 12 Monatige Bindungsfrist zu vereinbaren muss der Arbeitnehmer eine FB-Dauer bis zu 2 Monaten beantragt haben.
Enthält die Rückzahlungsverinbarung unzulässige Inhalte, ist sie insgesamt unwirksam. Hinzu kommt die Allumfassende Frage des geltwerten Vorteils des Arbeitnehmers durch diese Fortbildung.
Ergo: Es lohnt sich sicherlich, diesen Vertrag anzufechten.
Gruß wannsee

Hallo,

ein Vertrag ist immer eine zweiseitiges Rechtsgeschäft Oder anders gesagt, die Frau XXX hätte ja nicht unterschreiben müssen… Aber das ist so üblich, auch bei uns in der Firma.

Plan B: Einen Aufhebungsvertrag schließen, und vereinbaren, dass keine Lehtgangskostenrückerstattung erfolgen muss. (Aber Vorsicht bei Arbeitslosigkeit, da gibts Probleme auf dem Amt)

Plan C: …vor seiner Beendigung , ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt, oder kündigt… Also benenne den wichtigen Grund und kündige fristlos. (z.B. mobbing etc.)

LG und viel Erfolg!

Hallo, Steve-Nobby,

dies ist in der Tat ein Knebelvertrag, der m. E. keine Gültigkeit haben kann. Die Dauer der Fortbildung (2 Tage) und die damit verbundenen Kosten stehen in keinem Verhältnis zu dem Nachteil, der der Arbeitnehmerin durch eine Rückzahlung entstehen würden.

Es gibt dazu ein interessantes Arbeitsgerichtsurteil, welches man gut zur Argumentation hinzuziehen kann:frowning:Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.09.2009 - Az.: 3 AZR 173/08).

Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen.

Gruß W.

Es ist Knebelung, aber durchaus üblich.