Knifflige Kündigungsfrist

Hallo allerseits!

Angenommen sei folgender Fall:

In einem Arbeitsvertrag stehe folgendes zu den Kündigungsfristen:

„Es kann das Vertragsverhältnis von beiden Parteien mit den gesetzlichen Fristen gekündigt werden. Jede tarifliche Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten des Arbeitnehmers gilt auch in gleicher Weise zu Gunsten des Arbeitgebers.“

Im betreffenden Rahmentarifvertrag stehe nur:

„Die Kündigungsfristen regeln sich nach den gesetzlichen Vorschriften.“

Ist die in § 622 II BGB genannte Verlängerung der Kündigungsfrist für Arbeit_geber_ in Abhängigkeit der Beschäftigungszeit damit wirksam auch zu Lasten des Arbeit_nehmers_ vereinbart? Mit anderen Worten: Ist die gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist auch eine tarifliche allein dadurch, dass der RTV auf das BGB verweist?

Vielen Dank für Input!
smalbop

Hallo allerseits!

Hallo,

Angenommen sei folgender Fall:

Dazu wird man bestimmt seitenlang Abhandlungen schreiben können. Ich werde aber nur mal einen m. E. möglichen Gedankengang skizzieren:

In einem Arbeitsvertrag stehe folgendes zu den
Kündigungsfristen:
"Es kann das Vertragsverhältnis von beiden Parteien mit den
gesetzlichen Fristen gekündigt werden.

Damit verweist dieser Satz ganz klar auf § 622 Abs. 1 und 2 BGB. Hier sind - für AG und AN unterschiedlich - konkrete Fristen für die jeweilige Kündigung vorgeschrieben.

Jede tarifliche
Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten des Arbeitnehmers
gilt auch in gleicher Weise zu Gunsten des Arbeitgebers."

Mit dieser Formulierung hat sich m. E. ein dilettierender Hobbyjurist selbst ins Knie geschossen. Man kann jetzt über die Bedeutung des Wortes " Verlängerung" bestimmt schöne Haarspaltereien anstellen, aber m. E. kann es nur so interpretiert werden, daß es sich nur auf eine im Vergleich zu § 622 Abs. 2 BGB evtl. ausdrücklich zugunsten des AN abweichende Küfri beziehen kann.
Aber in jedem Fall wäre wohl eine AGB-Kontrolle erfolgversprechend bei einer so unklaren Regelung.

Im betreffenden Rahmentarifvertrag stehe nur:

„Die Kündigungsfristen regeln sich nach den gesetzlichen
Vorschriften.“

Da also der TV überhaupt nichts eigenständig in Sachen KüFri regelt und schon gar keine Verlängerung zugunsten der AN, muß aus den o.a. Sätzen geschlossen werden, daß Satz 1 wirksam die Anwendung von § 622 Abs. 1 und 2 BGB regelt und Satz 2 keine wirksame Vereinbarung iSd § 622 Abs. 6 BGB ist, da es an der Regelungsgrundlage der " Verlängerung" der gesetzlichen KüFri durch den TV mangelt.

Ist die in § 622 II BGB genannte Verlängerung der
Kündigungsfrist für Arbeit_geber_ in Abhängigkeit der
Beschäftigungszeit damit wirksam auch zu Lasten des
Arbeit_nehmers_ vereinbart? Mit anderen Worten: Ist die
gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist auch eine
tarifliche allein dadurch, dass der RTV auf das BGB
verweist?

NEIN !

Vielen Dank für Input!

Scho’ recht

smalbop

&Tschüß
Wolfgang

P.S.: Auch wenn jemand vielleicht zu anderen Schlüssen kommt. Für mich ist so eine absolut unklare Formulierung ein gutes Beispiel dafür, wie ein AG durch Sparen am falschen Platz (fachkundige arbeitsrechtliche Beratung) sich selbst dann in die Sch… reiten kann.

Hallo Wolfgang,

vielen Dank für Deine ausführliche und gewohnt kompetente Antwort. :smile:

In einem Arbeitsvertrag stehe folgendes zu den
Kündigungsfristen:
"Es kann das Vertragsverhältnis von beiden Parteien mit den
gesetzlichen Fristen gekündigt werden.

Damit verweist dieser Satz ganz klar auf § 622 Abs. 1
und 2 BGB. Hier sind - für AG und AN unterschiedlich -
konkrete Fristen für die jeweilige Kündigung vorgeschrieben.

Jede tarifliche
Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten des Arbeitnehmers
gilt auch in gleicher Weise zu Gunsten des Arbeitgebers."

Mit dieser Formulierung hat sich m. E. ein dilettierender
Hobbyjurist selbst ins Knie geschossen. Man kann jetzt über
die Bedeutung des Wortes " Verlängerung" bestimmt
schöne Haarspaltereien anstellen, aber m. E. kann es nur so
interpretiert werden, daß es sich nur auf eine im
Vergleich zu § 622 Abs. 2 BGB evtl. ausdrücklich zugunsten des
AN abweichende Küfri beziehen kann.
Aber in jedem Fall wäre wohl eine AGB-Kontrolle
erfolgversprechend bei einer so unklaren Regelung.

Im betreffenden Rahmentarifvertrag stehe nur:

„Die Kündigungsfristen regeln sich nach den gesetzlichen
Vorschriften.“

Da also der TV überhaupt nichts eigenständig in Sachen KüFri
regelt und schon gar keine Verlängerung zugunsten der
AN, muß aus den o.a. Sätzen geschlossen werden, daß Satz 1
wirksam die Anwendung von § 622 Abs. 1 und 2 BGB regelt und
Satz 2 keine wirksame Vereinbarung iSd § 622 Abs. 6 BGB ist,
da es an der Regelungsgrundlage der " Verlängerung" der
gesetzlichen KüFri durch den TV mangelt.

Exakt das ist die Lösung!

Nochmals danke,

smalbop

PS. Vielleicht war es ja gar keine ungewollt unklare Formulierung, sondern der AG will nur für den denkbaren Fall, dass der RTV neu gefasst und ggü. dem 622 BGB für den AN Verbesserungen bringt, auch von einer solchen profitieren.