Knut vs. Flocke

Hallo!
Keine Bange, ich will hier keine Diskussion darüber vom Zaun brechen, ob es richtig ist, "Wild"tiere von Hand aufzuziehen, aber ich habe den Eindruck (nachmittags sitze ich zum Arbeiten im Wohnzimmer und da laufen als Kulisse die beiden Zoosendungen in ZDF und ARD), dass Knut friedlicher gewesen ist als Flocke? Die Betreuer erzählen dauernd von den Krallen und Zähnen , und sie müssten jetzt bald Lederhandschuhe anziehen - hat Herr Dörflein sich auch gepanzert? Und Knut ist doch eigentlich ganz gesund groß geworden, ohne dass alle Gesichtsmasken aufhatten und Plastikhandschuhe an. Ich habe eine Szene gesehen, Knut war schon größer, da saßen ein Pfleger und er friedlich vereint auf dem Hof, und der Pfleger gab ihm von seinem Wurstbrötchen ab, von dem er vorher abgebissen hatte. Das Viechlein sollte sich doch an Keime gewöhnen, oder nicht?

Ich nehme mal an, Herr Dörflein hat dem Knut eins auf die Nase gegeben, wenn er frech werden wollte,und der junge Mann hat Manieren gelernt; bei Flocke mit ihren mehreren Betreuern ist das vielleicht nicht so? Sie scheint mir viel dreister zu sein. Oder ist das schlicht eine Charakterfrage? Ich kenne nur Katzen, aber auch da scheinen mir die Kater durchweg umgänglicher zu sein als die Kätzinnen :wink:

Grade sehe ich Felix, Flockes Erzeuger, der zwecks Decken von einem Zoo zum anderen geschleppt wird, weil er anscheinend besonders „freundlich“ ist. Er hat kahle Stellen auf den Pfoten. Ich sehe gern Tiere, aber diese Zoosendungen sind eher geeignet, einen an dem Konzept dieser Tierzurschaustellung zweifeln zu lassen.

Sorry for being sentimental :smile:

Gruß,
Eva

Hallo Eva !

Aus dem Kleinen wird ein großer. Das scheint für die Verantwortlichen von Flocke aber auch alles zu sein.
Und es geht hier nicht um Keime!

Man vermutet in Flockekreisen, dass Knut einen seelischen Knacks wegbekommen hat. Monatelanges Rumhampeln mit dem Pfleger hat den Knut zum halben Menschen gemacht. Vermutet man. Dann die fast zu schnelle Trennung Pfleger-Eisbär, weils gefährlich wurde.

Also läßt man die Flocke gar nicht erst so weit kommen. Man trägt Gesichtsmasken und Handschuhe, nicht nur um Krankheitskeime von ihr wegzuhalten, sondern damit sie die Menschen gar nicht erst als Lebewesen anerkennt.

So, wie man vorgeht, wenn Raubtiere ausgewildert werden. Man hält sie möglichst auf Abstand und ist weniger freundlich zu ihnen. Zeigt kein menschliches Gesicht. Das Tier soll nicht an die Pfleger/Menschen gewöhnt werden, damit es später, wenn es frei ist, dem Menschen aus Gewohnheit nicht zu nahe kommt.

Flocke soll wohl nicht ausgewildert werden, sie soll sich aber auch gar nicht erst an den Umgang mit Menschen gewöhnen.
Also vermeidet man so weit es möglich ist, den Kontakt.

Knut ist unberechenbar. Sein Pfleger würde ihn ja heute noch im Käfig besuchen. Weil er glaubt…
Bei Flocke weiß man später, er ist das, was er sein soll, das gefährlichste Raubtier der Erde.

mfgConrad

Ergänzung
Hallo Conrad,

Flocke soll wohl nicht ausgewildert werden, sie soll sich aber
auch gar nicht erst an den Umgang mit Menschen gewöhnen.

es geht ja nicht nur um potenzielles Auswildern. In den Fällen der handaufgezogenen Eisbären ist es eben später auch ein Problem, die Tiere mit Artgenossen zu sozialisieren. Ob das allerdings auf diese Weise gelingt, bleibt fraglich …

Gruß
Cess

OT-Ausflug und unsentimentale Schlussfolgerung
Guten Morgen!

Sorry for being sentimental :smile:

Zum Glück hast Du das noch druntergeschrieben.

Also, ich seh das ganze sowieso nur als Schauspiel für die Menschen. Dem Tier nützt in meinen Augen weder die Haltung in Zoos noch die Aufzucht per Hand, noch die Arterhaltungsprogramme die da dranhängen. Das ist Augenwischerei: Wohin wildere ich denn die letzten Orang Utans aus, wenn der Urwald abgefackelt wurde, wo leben die ausgewilderten Eisbären, wenn das Eis geschmolzen ist?

Weder Knut noch Flocke werden die Arktis je zu Gesicht bekommen. Bestenfalls dienen sie als Mahnung und Aushängeschild für die Veränderungen auf der Erde. Aber ich fürchte in erster Linie dienen sie den Zoos dazu, Geld zu verdienen, Politikern, um sich zu profilieren und uns, um ganz kurz mal ein schlechtes Gewissen zu haben. Und schon morgen machen alle weiter, wie gehabt. (Doch, ich war erst neulich im Nürnberger Zoo, mit meinem Sohn, er findet die Tiere sehr spannend - wie ich auch, aber ich mache uns da nix vor, was den Sinn dieser Veranstaltung angeht)

Das ist der Hintergrund, vor dem sich alles abspielt und da ist es -meine ich- völlig nebensächlich, ob der kleine Bär irgendwann mal seinen Pfleger beißt oder nicht. Auch ob er natürliches Verhalten lernt ist in der künstlichen Zooumgebung eigentlich völlig wurscht. Es wird nur teurer ihn zu halten, wenn er mit seinen Artgenossen nicht auskommt. Beide werden organisch gesund gehalten, gut gefüttert und im Rahmen der Möglichkeiten auch ein ordentliches Gehege bekommen.

Alles weitere halte ich ganz unsentimental für verfehlt, sonst könnte man konsequenterweise gar keine wilden Tiere mehr in Zoos halten.

Ich gönne Dir und den anderen Eisbärbabyfans ihre Sentimentalität (ist ja auch putzig), meins ist das nicht.

Grüsse
kernig

Hallo, Kernig!

Alles weitere halte ich ganz unsentimental für verfehlt, sonst
könnte man konsequenterweise gar keine wilden Tiere mehr in
Zoos halten.

Ich gönne Dir und den anderen Eisbärbabyfans ihre
Sentimentalität (ist ja auch putzig), meins ist das nicht.

Um mal richtig unsentimental zu sein: Auf unserer Welt ist eigentlich überhaupt kein Platz mehr für Tiere, nirgends, und irgendwann wird für uns kein Platz mehr sein.

Im Ernst, ich hoffe, aus meinem Posting ist hervorgegangen, dass ich dem Ganzen auch ambivalent gegenüberstehe, sonst würde ich mir keine Gedanken darüber machen. Und meine Sentimentalität bezieht sich eigentlich weniger auf „putzig“, als darauf, dass die Tiere eben nicht frei leben können, nach ihrer Fasson, sondern nach dem Willen der Zooleute hin- und hergekarrt werden, mal hier verpaart, mal dort, mit Betäubungsspritzen ruhig gestellt - was oft genug schiefgeht -, dann werden sie in Aufregung versetzt, weil „gesext“ werden muss und geimpft und mal wieder Blut genommen, und ein Haufen unnötiges Theater gemacht, weil’s Fernsehen zuguckt und man ja action haben muss. Das alles war mir eben besonders sauer hochgekommen, als ich diesen Eisbärenmann gesehen hatte, der nun „seine“ Vera wieder decken soll, damit noch ein Eisbärenbaby zur Welt kommt, das vielleicht wieder gefressen wird von der Mutter oder verstoßen oder das in letzter Konsequenz keiner brauchen kann, weil in keinem Zoo ein Platz dafür ist. Und was dann?

Andererseits finde ich Zoos doch gut oder wenigstens besser als nichts; als Gedenkstätte gegen das Vergessen und zur Arterhaltung, und piepegal, ob ein Politiker sich damit profilieren will, soll er doch. Dass die Zoos durch die momentan beliebten Fernsehsendungen sowohl finanziell in die Lage versetzt als auch motiviert werden, den Tieren die bestmögliche Umgebung und Pflege zukommen zu lassen, damit kann ich leben, und die Viecher hoffentlich auch.

Auch sollte man nicht außer Acht lassen, dass Tiere Entwicklungspotential haben; allein durch die Zuchtauswahl, die die besonders gut zu handhabenden Exemplare bevorzugt, werden sie sich in die neuen Daseinsverhältnisse fügen.

In diesem Zusammenhang eine Frage, die nicht sentimental ist, sondern auf die ich mir eine wissenschaftliche Antwort wünsche:
Wohin entwickeln die sich nun tatsächlich, die Tiere, die in Zoos leben, so dicht beim Menschen, ihrer natürlichen Lebensweise entfremdet und befreit von der Notwendigkeit, sich durch Jagd zu ernähren? Werden sie verblöden? Werden sie frei gewordene Zeit und Hirntätigkeit nutzen, um Neues zu lernen? Zum Beispiel gibt es bei Raubkatzen wie z.B. Leoparden, Tigern, Geparden, bei denen sich in freier Wildbahn die Männchen nicht um den Nachwuchs kümmern, ihn sogar töten würden, in den Zoos Kater, die ein harmonisches Familienleben führen; ein Tigerkater hat sich sogar mehr mit seinem kleinen Sohn beschäftigt als die Mutter. Die Tiere schauen ja ebenso aus ihren Käfigen heraus auf uns wie wir hinein zu ihnen; natürlich braucht es lange Zeit, genau wie bei der Menschheitsentwicklung, aber feuern da vielleicht ganz neue Synapsen?

Ich denke nicht, dass Tiere (wie) Menschen werden (sollten), erst recht nicht bessere Menschen, aber traut man ihnen vielleicht zu wenig zu, weil es einfach bequemer ist, gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, dass sie mehr Potential haben könnten, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt?

Gruß,
Eva

P.S. Da traue ich mich einfach mal, ganz unverhohlen sentimental zu sein: Kann das sein, dass Eisbär Knut seinen Dörflein gern hat? Und nicht unbedingt zum Fressen?

philosophischer Ansatz
Hallo Eva!

Deine weiteren Ausführungen haben mir gezeigt, dass wir uns ja sogar weitgehend einig zu sein scheinen. Ich wollte Dir auch keinesfalls auf die Füsse steigen mit meiner Antwort, sondern einfach meine Sicht der Dinge schildern. Und irgendwie habe ich immer ein ungutes Gefühl, wenn ich sehe, wieviel Energie, Geld und Gedanken auf 2 Eisbärbabys im Zoo verwendet wird. Es gäbe soviel Wichtigeres und Sinnvolleres, denke ich dann immer.

Die Sache mit den Zoos sehe ich eigentliche genauso.

Auch sollte man nicht außer Acht lassen, dass Tiere
Entwicklungspotential haben; allein durch die Zuchtauswahl,
die die besonders gut zu handhabenden Exemplare bevorzugt,
werden sie sich in die neuen Daseinsverhältnisse fügen.

Dazu würde ich sagen, sind die Zeiträume einfach zu kurz. Wie lange werden wohl Eisbären schon in Zoos gehalten? Vielleicht 200 Jahre oder so? Ich kann mir nicht vorstellen, dass da schon eine Art gezielte genetische Veränderung stattfinden kann in Richtung „Haustier“. Es kommen ja auch öfter mal neue Gene aus Wildfängen dazu. Andererseits überleben im Zoo ja Tiere, die in freier Wildbahn keine Chance hätten, weil ihnen dazu irgendwelche Eigenschaften fehlen. Vielleicht kann ja hier jemand sagen, wie lange z.B. die Haustierzüchtung beim Rind gedauert hat (jaja, sie dauert immer noch an)? Wobei ein Raubtier da sicher ein anderes Kaliber ist als ein Wiederkäuer.

Außerdem denke ich lernen Tiere in Gefangenschaft einfach andere Dinge als in freier Natur. Leider auch weniger, eine Menge neue Reize fehlen ja. Ein Plus an Gehirnleistung kommt da wohl eher nicht raus.

Ich denke nicht, dass Tiere (wie) Menschen werden (sollten),
erst recht nicht bessere Menschen, aber traut man ihnen
vielleicht zu wenig zu, weil es einfach bequemer ist, gar
nicht erst in Erwägung zu ziehen, dass sie mehr Potential
haben könnten, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt?

Da widerum komm ich teilweise nicht so recht mit, das ist mir irgendwie zu „naturromantisch“ und vor allem zu „menschbezogen“. Ich denke das Potenzial der Natur äußert sich in anderen Kategorien, nicht in menschlich messbaren Maßstäben. Da spielen andere Zeiträume eine Rolle, die Natur entwickelt sich ja in unendliche längeren Zeitfenstern als der Mensch sich das vorstellen kann. Auch die mögliche Vielfalt an Entwicklungsmöglichkeiten ist für uns, denke ich, nicht im entferntesten abzuschätzen. Und unsere moralischen Vorstellungen finden dort ja auch überhaupt keine Beachtung. INsofern gebe ich dir recht, die Schulweisheit ist kein geeignetes Mittel um dieses Potential abzuschätzen. Ist fast ein philosophisches Thema.

Ich finde in dem Zusammenhang die Bücher von Josef H. Reichholf sehr anregend:
http://www.amazon.de/exec/obidos/search-handle-url?%…
Vor allem seine Ansichten zum Thema Artenschutz sind lesenswert. Außerdem findet man in den Frank Schätzing Büchern (Der Schwarm, Nachrichten aus einem unbekannten Universum) viele Denkansätze (ich zumindest fand sie sehr interessant).

P.S. Da traue ich mich einfach mal, ganz unverhohlen
sentimental zu sein: Kann das sein, dass Eisbär Knut seinen
Dörflein gern hat? Und nicht unbedingt zum Fressen?

Glaub ich nicht. Vielleicht kann man das mal ausprobieren :wink:

Das erinnert mich an einen Zoobesuch in Rostock mit 2 Kleinkindern. Dort sind die Jaguare durch eine große Glasscheibe von den Besuchern getrennt. Die beiden Raubkatzen haben mit einem Mal (war sehr beeindruckend *zitter*) die Kinder hinter der Glasscheibe attackiert. Meine Begleiterin meinte: „Die spielen nur, die würden den Kindern sicher nichts tun, auch wenn die Glasscheibe nicht da wäre.“ Ich konnte ihre Naivität nur auslachen (Nicht sehr nett, ich weiß).

Aber wenn ich bedenke, dass sogar Hunde in bestimmten Situationen einfach auf „Wolf-Instinkt“ umschalten halte ich es für ziemlich abwegig, dass ein Eisbär seine Instinkte verliert. Wir haben doch alle „Madagascar“ gesehen, oder? Da hat das mit dem Löwen auch nicht geklappt. :smile:

Ein schönes Wochenende wünscht
kernig

Hallo, Kernig!
Das war ein gutes Posting und interessant - Danke! Habe beim Googeln nach einer Tierpflegerin, soweit ich mich erinnere, im Dresdner Zoo, die für die Raubkatzen zuständig ist und eine erstaunliche Bindung zu ihnen aufgebaut hat, auch zu den größeren Arten :smile:, folgendes gefunden und sage nur: Three Cheers für die Jaguare! Bleibt wild! Vertrauen kann tödlich sein!

http://www.zoo.at/iframe_content_lang.php?id=15
"Zoo-Krokodil an Münzen erstickt

http://bz.berlin1.de/aktuell/news/050312/krokodil.html"

Gruß,
Eva

[MOD]: Vollzitat entfernt (Achtung Copyright) -> es ist ja alles in den Links nachzulesen.